„Die Frau ohne Schatten“ auf Weltstadtniveau in Linz

Landestheater Linz, Musiktheater, 9. Januar 2018
Richard Strauss, Die Frau ohne Schatten

von Charles E. Ritterband

Mit dieser – allseits hochgepriesenen – Inszenierung hat sich das Musiktheater der oberösterreichischen Stadt Linz (203.000 Einwohner) endgültig auf Weltstadtniveau katapultiert. Die in jeder Beziehung sehr anspruchsvolle, in der Orchestrierung und den musikalischen Elementen an Richard Wagners „Ring“ erinnernde Strauß-Oper „Die Frau ohne Schatten“ ist selbst für die großen, etablierten Opernhäuser der Welt eine beträchtliche Herausforderung.

Die großartige, bildreiche Inszenierung von Hermann Schneider wurde der komplexen, teils märchenhaft-traumhaften Handlung ebenso gerecht wie den sozialkritischen Aspekten (Welt des Färber-Paares). Es war eine perfekte Mischung von Bühne und Film, die sich dem Zuschauer hier darbot – unter Einsatz klassischer Bühnenmittel aber auch modernster Video-Technik. So stellte dieses große Werk des Teams Strauss-Hofmannsthal für den Zuschauer niemals eine Überbeanspruchung dar, sondern versetzte ihn in eine magische und immer wieder überraschende Welt.

Musikalisch hatte Marc Reibel am Pult mit dem auf Wagner-Dimensionen bestückten Bruckner Orchester einen gewaltigen Klangkörper zur Verfügung, der den überwältigenden Fortissimi ebenso gewachsen war wie den subtilen, leisen Passagen – eine hervorragende Leistung. Das Orchester führte er souverän durch den Strauss’schen Hexenkessel in all seiner Wucht, er kostete genüsslich die wunderbaren diatonischen Lyrismen und die impressionistischen Elemente aus – und zeigte, wie sich schon hier die Klangflächeneffekte der kommenden Jahrzehnte ankündigen. Ausgezeichnet auch der Kinderchor (Einstudierung Ursula Wincor).

Hermann Schneider schuf zwei von Realismus, Traum und Illusion geprägte Welten: Jene des Kaiser-Ehepaares, naturgemäß mit Jagdszenen – einer von behörnten Gazellenköpfen übersäten, tristen Ebene. Dies in Anspielung darauf, dass die Kaiserin, Tochter des Geisterkönigs Keikobad, vom Kaiser in Form einer Gazelle erjagt wird und einen Schatten erwerben will, um zu einem Menschen zu werden (und ihren Mann vor der „Versteinung“ zu retten). Der Kaiser wiederum verbringt seine Zeit mit der Jagd und nicht mit Regieren – eine Anspielung zweifellos auf Kaiser Franz Josef I., in dessen letzten Regierungsjahren diese Oper entstand. Und im dritten und letzten Akt benützte der Regisseur zahlreiche Anspielungen auf die Schlachten des Ersten Weltkriegs, das Bühnenbild ist eine zerstörte, versengte, trostlose Landschaft.

Die Welt des Kaisers und die Welt der Färber, diese hyperrealistisch dargestellte Welt extremer Armut, verbindet eine Tür. Die Kaiserin, begleitet von der Amme, ist eine Wanderin zwischen den Welten – die beiden Frauen dienen sich ja den Färbern als Mägde an. Bisweilen erlaubt die Drehbühne rasche Szenenwechsel zwischen diesen beiden kontrastierenden Welten. Und dann gibt es noch eine dritte, die unheimliche, „überirdische“ Welt des Keikobad, die gegen Ende durch raffinierte Licht- und Toneffekte in die Welt des Kaiserpaares eingreift.

Der Kaiser, Heiko Börner, steht als mühelos singender Tenor seiner Partnerin, der Sopranistin Brigitte Geller, gegenüber, die ebenso mühelos die lichte Höhe erklimmt, die diese Partie erfordert. Zu bejubelten Stars des Abends – darstellerisch als extrem schwierige und frustrierte Ehefrau und sängerisch (sie wäre eine hervorragende Brünnhilde!) – wurden die Sopranistin Miina-Liisa Värelä und, zurückgenommen als hell timbrierter Bariton, der Färber Barak Adam Kim. Der berührendste Moment ist das zarte Duett von Färber und Färberin zu Anfang des dritten Akts. Und der Bass Michael Wagner als Bote aus der Geisterwelt wurde mit seiner sonoren Stimme dieser mystisch-unheimlichen Rolle voll gerecht. Stehender Applaus für Orchester und Sänger.

Der Journalist Dr. Charles E. Ritterband schreibt exklusiv für klassik-begeistert.at. Er war für die renommierte Neue Zürcher Zeitung (NZZ) Korrespondent in Jerusalem, London, Washington D.C. und Buenos Aires. Der gebürtige Schweizer lebt seit 2001 in Wien und war dort 12 Jahre lang Korrespondent für Österreich und Ungarn. Ritterband geht mit seinem Pudel Nando für die TV-Sendung „Des Pudels Kern“ auf dem Kultursender ORF III den Wiener Eigenheiten auf den Grund.

Musikalische Leitung
Marc Reibel
Inszenierung
Hermann Schneider
Bühne, Kostüme und Videodesign
Falko Herold
Dramaturgie
Christoph Blitt
Choreinstudierung
Martin Zeller
Kinderchoreinstudierung
Ursula Wincor
Der Kaiser
Heiko Börner
Die Kaiserin
Brigitte Geller
Die Amme
Katherine Lerner
Der Bote
Michael Wagner
Barak, Färber
Adam Kim
Seine Frau
Miina-Liisa Värelä
Der Bucklige, Bruder des Färbers
Matthäus Schmidlechner
Der Einäugige, Bruder des Färbers
Martin Achrainer
Der Einarmige, Bruder des Färbers
Dominik Nekel
Ein Hüter der Schwelle des Tempels
Svenja Isabella Kallweit
Erscheinung des Jünglings
Mathias Frey
Stimme des Falken
Svenja Isabella Kallweit
Die Stimmen der Wächter der Stadt
Ulf Bunde
Jochen Bohnen
Tomaz Kovacic
Joschko Donchev
Marius Mocan
Markus Schulz
Altstimme von oben
Jessica Eccleston
Chor des Landestheaters Linz
Kinder- und Jugendchor des Landestheaters Linz
Statisterie des Landestheaters Linz
Bruckner Orchester Linz

 

 

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