Revision der Rezension: Ein kurzes Wort dazu, wie Lohengrin sich Unter den Linden live schlägt (oder eben nicht)

Richard Wagner, Lohengrin  Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 14. April 2024

Lohengrin, Staatsoper Berlin ©  Monika Rittershaus

Richard Wagner
Lohengrin 

Musikalische Leitung: Alexander Soddy
Inszenierung: Calixto Bieito
Bühnenbild: Rebecca Ringst
Kostüme: Ingo Krügler
Video: Sarah Derendinger

Heinrich der Vogler: Günther Groissböck
Lohengrin: Klaus Florian Vogt
Elsa von Brabant: Camilla Nylund
Friedrich von Telramund: Wolfgang Koch
Ortrud: Marina Prudenskaya
Der Heerrufer des Königs: Adam Kutny

Staatskapelle Berlin
Staatsopernchor

Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 14. April 2024

von Sandra Grohmann

 Was 2021 im Stream zu sehen war, präsentiert sich 2024 mit umjubelter Besetzung live auf den Brettern der Staatsoper Unter den Linden: Lohengrin in der Inszenierung von Calixto Bieito. Grund genug, um neugierig den Unterschied zwischen Stream und Liveaufführung zu erleben

Und siehe da, der im Stream wahrgenommene und von der Kamera sowie geschicktem Schnitt übertragene Reichtum – wie ich ihn damals beschrieben habe, https://klassik-begeistert.de/richard-wagner-lohengrin-staatsoper-unter-den-linden-berlin-stream-bis-zum-15-januar-2021/ – teilt sich aus den dunklen Tiefen der Staatsopernbühne heraus weit weniger mit. Diese Tiefe musste die Inszenierung seinerzeit pandemiebedingt nutzen, um den Abstand zwischen den Chorsängern zu wahren. Sie führt nun dazu, dass die darstellerische Leistung des Chores in der schwachen Ausleuchtung kaum noch wahrnehmbar ist. Die Inszenierung konnte jedoch nicht mehr angepasst werden, als die Beschränkungen wieder wegfielen.

Auch Details wie die Maske des Heerrufers – von Adam Kutny  tänzelnd-dämonisch gespielt und zuverlässig gesungen – sind ohne Nahaufnahme weniger eindringlich, und ohne den filmischen Schnitt wirkt die Inszenierung sehr viel statischer, als es im Stream schien. Meine Begeisterung für die damalige Übertragung ließ sich auf die Liveaufführung ihrerseits also nicht vollständig übertragen, auch wenn mich die Aufführung insgesamt wieder mitnahm und ich den Zweikampf mit Blicken immer noch großartig finde. Man muss sich auf der Bühne nun wirklich nicht mit stumpfen Schwertern schlagen.

Die hochkarätige und sicherlich schon wegen der berühmten Namen gefeierte Sängerriege bewies, dass es sich immer lohnt, Opernaufführungen zu besuchen. Dazu gehört auch die Gefahr des Absturzes und der gelegentlichen Indisposition. Dass die Stimme des Lohengrin unserer Zeit, dass also Klaus Florian Vogts Stimme Kratzer aufwies und in der Gralserzählung kein sicheres Pianissimo zuließ; dass Camilla Nylunds Stimme erst ab dem zweiten Aufzug trug und die Sängerin auf dem Ehesofa im dritten Aufzug sogar kurz husten musste; dass die einzigartige Marina Prudenskaya – wie meine Begleitung anmerkte – erst einmal die Stimme aus der Kehle weiter nach vorne holen musste und dass Wolfgang Kochs Telramund gelegentlich in den Wogen des Orchesters versank: All das gehört zu einer Opernaufführung dazu.

Und doch lässt sich eben auch hören, was da Wunderbares ist: die äußerst tragende, alles überstrahlende und im Vergleich zu meiner schon etwas älteren Erinnerung heute vollere Stimme von Vogt mit ihrer unverwechselbaren Färbung; Nylunds dann doch aus den Mühen der Ebene aufsteigender schöner Sopran; Prudenskayas fabelhaft runder, in jede Richtung modulierbarer Mezzo; Kochs ausdrucksstarker dramatischer Bariton und natürlich Groissböcks rollengestaltender, beherrschter, klarer und bewunderungswürdig geführter Bass.

Mögen sich alle, die ein wenig angeschlagen wirkten, bis zur nächsten Aufführung am 21. April gut erholen.

Ein Gedanke zu „Richard Wagner, Lohengrin
Staatsoper Unter den Linden, Berlin, 14. April 2024“

  1. Ohne die Aufführung selbst erlebt zu haben, kann man aber diagnostizieren, dass sich die erwähnten Sänger alle durch geradezu selbstmörderische Überbeanspruchung selbst demontieren. Vogt und Nylund haben ihr Rollenspektrum weit über ihre angestammten Fähigkeiten hinaus ausgeweitet und beginnen nun den Preis dafür zu zahlen. Das kann man deutlich hören, aber weite Teile des Publikums verlassen sich lieber auf das unergründlich hymnische Lob für die beiden Sänger, statt sich selbst ein Urteil zu bilden.

    Peter Sommeregger

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert