Rising Stars 54: Maximilian Haberstock – ein 19-jähriger Dirigent erntet Begeisterungsstürme

Rising Stars 54: Maximilian Haberstock – ein 19-jähriger Dirigent erntet Begeisterungsstürme  klassik-begeistert.de, 22. Mai 2024

 © Ralf Dombrowski

Die Entwicklung und Karriere vielversprechender NachwuchskünstlerInnen übt eine unvergleichliche Faszination aus. Es lohnt sich dabei zu sein, wenn herausragende Talente die Leiter Stufe um Stufe hochsteigen, sich weiterentwickeln und ihr Publikum immer wieder von neuem mit Sternstunden überraschen. Wir stellen Ihnen bei Klassik-begeistert jeden zweiten Donnerstag diese Rising Stars vor: junge SängerInnen, DirigentInnen und MusikerInnen mit sehr großen Begabungen, außergewöhnlichem Potenzial und ganz viel Herzblut sowie Charisma.

von Dr. Lorenz Kerscher

Der 2004 in München geborene Maximilian Haberstock zählt schon seit Jahren zu den Mitwirkenden der Münchner Festivalserie Stars & Rising Stars. Zunächst beeindruckte er als talentierter Nachwuchspianist, doch im vergangenen Jahr trat er mit seinem eigenen, selbst gegründeten Symphonieorchester in Erscheinung. Konzertstücke von Tschaikowski, Wieniawski, Saint-Saëns und am Ende die Schottische Symphonie von Mendelssohn standen auf dem Programm und auch hier in „Klassik begeistert“ erschien eine lobende Rezension des leider nicht besonders gut besuchten Konzerts.

 

Maximilian Haberstock dirigiert Mendelssohn Symphonie Nr. 3 „Die Schottische“ (München, Mai 2023)

Dieses Jahr nun war der 600 Plätze fassende Carl-Orff-Saal so gut wie ausverkauft und gefüllt mit Leuten, die ein reines Brahms-Programm erleben wollten. „Ein Neunzehnjähriger traut sich zu, mit einem Jugendorchester anspruchsvollste Symphonik darzubieten?“
So fragte ich mich und freute mich gleichzeitig auf die Gelegenheit, den Rising Geigenstar Tassilo Probst und den renommierten Cellostar Daniel Müller-Schott als Interpreten des Doppelkonzerts von Johannes Brahms zu erleben. Von den beiden exzellenten Solisten konnte man technische Beherrschung wie auch ausdrucksvolle Gestaltung ihrer Soloparts erwarten, aber wie gut würde das Zusammenspiel gelingen? Und wie würde sich das mit dem Orchesterklang zum Gesamtbild des überaus anspruchsvollen Werks zusammenfügen?

Doch schon nach wenigen Takten zeichnet sich ab: dieser Konzertabend wird ein klanglich ausgewogenes Hörerlebnis bieten! Die Solisten sind bestens aufeinander abgestimmt und bewältigen die technischen Herausforderungen mit all dem Ausdrucksreichtum, den man sich nur wünschen kann. Und der Orchesterklang fügt sich mit höchster Präzision hinzu und beeindruckt durch Transparenz bei bester Balance der verschiedenen Instrumentengruppen. So gelingt der Hauptsatz mit seinen kraftvollen Entwicklungen ebenso packend wie der melodieselige zweite Satz und das geistvolle Rondo-Finale. Eine ungewöhnlich lange und technisch äußerst anspruchsvolle Zugabe der Solisten, die „Passacaglia“ von Johan Halvorsen für Violine und Cello, gibt der Begeisterung des Publikums dann noch weiteren Auftrieb. Doch in der Pause klingt im Zuhörer immer noch das packende Gesamtkunstwerk nach, als das das Doppelkonzert von Brahms zu erleben war.

Ungläubig fragt man sich: wie konnte es einem so jungen Mann gelingen, ein so hervorragendes, alle Erwartungen übertreffendes Orchester zu gründen? Er spielte zunächst außergewöhnlich gut Klavier, gewann schon als 13-Jähriger erste Preise bei Jugend musiziert auf Landes- und Bundesebene, wurde auch schon bald als Komponist gefördert und ausgezeichnet und als Jungstudent an die Münchner Musikhochschule aufgenommen.

 

Maximilian Haberstock spielt Schubert in der Philharmonie (Impromtu op. 90 Nr. 4; 2017)

Schnell kam die Leidenschaft für das Dirigieren hinzu und aus Mitstudenten stellte er das Arcis Kammerorchester zusammen, an dessen Pult er erstmals 2019 stand. Beim Verbier Festival 2018 war er Student-in-Residence für das Fach Klavier und wurde im folgenden Jahr als Junior Conducting Fellow dorthin eingeladen. Im Sommer 2021 nahm er dort ein weiteres Mal teil, diesmal als Assistent von James Gaffigan, dem Generalmusikdirektor des Verbier Festival Junior Orchestra.

Etliche Mitglieder dieses Klangkörpers konnte er nun für die Erweiterung seines Kammerorchesters zu einem projektorientierten Symphonieorchesters gewinnen, das er Junges Philharmonisches Orchester München nannte und dem sich noch Mitwirkende des in Belgien ansässigen Mahler Student Festival Orchestra anschlossen. So konnte er jetzt zum zweiten Mal im Rahmen von Stars & Rising Stars mit einer handverlesenen Elite von Instrumentalisten intensiv an einem anspruchsvollen Konzertprogramm arbeiten, das dem Publikum in einem vollen Saal große Freude bereitete.

Nach der Pause steht nun der schlanke junge Mann in seinem schwarzen Frack aufrecht auf dem Podest – nicht am Dirigentenpult, denn er dirigiert die komplexe 1. Symphonie von Brahms auswendig. Er bewegt den Körper nur wenig, schlägt mit der Rechten präzise den Takt und gibt mit der Linken deutliche Einsätze und Hinweise zur musikalischen Gestaltung. Er weiß genau, wie er es haben will, stellt wie schon vor der Pause eine ideale Klangbalance zwischen den Instrumentengruppen des Orchesters her und variiert das Tempo, so wie es die Dramaturgie des Werks verlangt. Dass er am Ende mit freudigem Applaus belohnt wird, scheint ihm gar nicht so wichtig sein. Das Drumherum scheint er zu ignorieren, eher entsteht der Eindruck, dass er keine Ablenkung zulässt, um sich voll auf die Wiedergabe des Werks zu konzentrieren. Eine klare, transparente, lebendige und in sich geschlossene Interpretation ist das Ergebnis, mit dem er die Zuhörer begeistert. Angesichts seines überzeugenden Auftretens wurden ihm auch schon etliche interessante Engagements angeboten.

 

Maximilian Haberstock dirigiert Beethoven Symphonie Nr. 9 – Höhepunkte (Craiova, Nov. 2022)

Als er 2022 im rumänischen Craiova mit dem Oltenischen Philharmonischen Orchester Beethovens Neunte aufführte, war dies so erfolgreich, dass man ihn für zwei darauffolgende Spielzeiten zum Ersten Gastdirigenten ernannte und ihm die Leitung weiterer Konzerte anvertraute. Und man verpflichtete ihn, dort an der Oper Bizets Les Pêcheurs de perles zu dirigieren. Dies sprach sich wiederum bis ins bulgarische Plovdiv herum, wo er 2023/24 Aufführungen von Carmen und Die Fledermaus leitete. Dass er kürzlich im Leipziger Gewandhaus Weihnachtskonzerte der Leipziger Symphoniker mit Beethovens drittem Klavierkonzert und sechster Symphonie und in Izmir ein Programm mit Tschaikowski, Wagner und Liszt leitete, belegt weiterhin, welches überregionale Interesse an seinen Dirigaten schon entstanden ist.

Im Sommer 2023 wurde er in die Gstaad Conducting Academy als bisher jüngster Teilnehmer in der Geschichte des Festivals aufgenommen. Dies wie auch die Förderung mit zahlreichen Stipendien weist ihm den Weg, um sich schon in jungen Jahren zum zuverlässigen Orchesterleiter und werkgerechten Interpreten anspruchsvoller symphonischer Werke zu entwickeln. Immer mehr Möglichkeiten eröffnen sich ihm nun, um weitere richtungweisende Erfahrungen zu sammeln. Man wird noch viel von ihm hören, das jedenfalls erwarte ich!

 

Maximilian Haberstock dirigiert Tchaikovsky Variationen über ein Rokokothema – mit Alban Gerhardt, Violoncello (München, Mai 2023)

Dr. Lorenz Kerscher, 22. Mai 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Weiterführende Information:

Interview mit Maximilian Haberstock von August 2023

YouTube-Kanal von Maximilian Haberstock

Offizielle Webseite

Dr. Lorenz Kerscher
„Musik ist Beziehungssache,“ so lautet mein Credo. Deshalb bin ich auch als Chorsänger aktiv und treffe mich gerne mit Freunden zur Hausmusik. Eine neue Dimension der Gemeinsamkeit eröffnet sich durch die Präsenz vieler, vor allem junger Künstler im Internet, wo man Interessantes über ihre Entwicklung erfährt, Anregungen zur Entdeckung von musikalischem Neuland bekommt und auch in persönlichen Kontakt treten kann. Man ist dann kein Fremder mehr, wenn man ihnen als Autogrammjäger begegnet oder sie sogar bei einem Konzertbesuch im Publikum trifft. Das ist eine schöne Basis, um mit Begeisterung die Karrieren vielversprechender Nachwuchskünstler mitzuerleben und bei Gelegenheit auch durch Publikationen zu unterstützen.“

Interview: Maximilian Haberstock, Dirigent klassik-begeistert.de, 29. August 2023

Rising Stars 53: Emily Pogorelc, Sopran – ihr Debüt an der Met begeistert jetzt auch im Kino klassik-begeistert.de, 15. April 2024

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert