Sommereggers Klassikwelt 231: Der fast vergessene Jubilar Edmund Eysler

Sommereggers Klassikwelt 231: Der fast vergessene Jubilar Edmund Eysler

von Peter Sommeregger

Gewichtige Persönlichkeiten der kulturellen Szene können in diesem Jahr runde Geburts- oder Todestage begehen, Bruckner, Schönberg , Hugo von Hofmannsthal u.a. erleben umfangreiche Würdigungen.

Beinahe übersehen wird dabei der zu Lebzeiten höchst erfolgreiche Komponist Edmund Eysler, der am 12. März 1874 als Edmund Samuel Eisler in Hernals, damals noch ein Vorort von Wien, als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren wurde.

Vom Vater ursprünglich zum Ingenieur bestimmt, entscheidet sich der Sohn für ein Studium am Wiener Konservatorium, das er mit Auszeichnung abschließt. Studienkollegen sind u.a. Franz Schmidt und Leo Fall. Als Brotberuf arbeitet Eysler zunächst als Klavierbegleiter, sein erstes Bühnenwerk wird das Ballett „Schlaraffenland“, das aber von Gustav Mahler nicht auf den Spielplan der Hofoper gesetzt wird. Ebenso ergeht es Eysler mit einer Oper, deren Musik er aber erfolgreich zu einer Operette umarbeitete, die unter dem Titel „Bruder Straubinger“ zu einem nachhaltigen Erfolg wurde. Zu diesem Zeitpunkt tauschte er auch das i in seinem Namen gegen das y. Mit der Operette hatte Eysler sein Genre gefunden, insgesamt etwa 60 Bühnenwerke wurden größtenteils mit Erfolg in Wien und weit darüber hinaus aufgeführt. Bis heute gilt er als einer der wichtigsten Komponisten der so genannten silbernen Zeit der Operette.

Bezirksmuseum Josefstadt, Edmund Eysler Büste

Seine Stoffe haben zumeist einen starken Bezug zu Wien, bevorzugter Aufführungsort war das Wiener Bürgertheater. Ein Jahr nach seiner Heirat 1897 trat Eysler vom Judentum zum Katholizismus über, mit seiner Ehefrau Leopoldine hatte er zwei Töchter. Er genoss großes Ansehen in Wien und  wurde mit dem Titel „Bürger ehrenhalber der Stadt Wien“ geehrt. 1934 wurde er Träger des „Goldenen Ehrenzeichens der Republik Österreich“, aber nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich Hitlers wurden Aufführungen seiner Werke verboten, eine Gedenktafel an seinem Geburtshaus entfernt.

Eysler lehnte eine Flucht aus seiner Heimat ab, es gelang ihm, geschützt durch Familie und Freunde die dunklen Jahre bis 1945 zu überstehen, wobei sein Status als Ehrenbürger sicher auch hilfreich war. Nach 1945 wurde hastig die Gedenktafel erneut montiert und Eysler 1949, anlässlich seines 75. Geburtstages, mit dem Ehrenring der Stadt Wien ausgezeichnet. Eine für die pragmatische Vorgehensweise Österreichs nach dem 2. Weltkrieg typische Handlung.

Edmund Eysler – Grab

Eine letzte Operette, „Wiener Musik“, erlebte 1947 ihre erfolgreiche Uraufführung.

Edmund Eysler starb am 4. Oktober 1949 an den Folgen eines Sturzes von der Bühne in Wien. Die Stadt Wien widmete ihm ein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof. Seine Operetten wirken heute ein wenig aus der Zeit gefallen und können sich gegen eine neue Theaterästhetik nicht mehr behaupten, aber nicht wenige seiner Melodien sind bis heute bekannt und beliebt, so etwa „Küssen ist keine Sünd‘“.

Peter Sommeregger, 16. April 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen’. Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.

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