Ein Film mit den Augen Mozarts - Axel Brüggemanns Doku „Wagner, Bayreuth und der Rest der Welt" (2021)

Österreich Premiere, Film „Wagner, Bayreuth und der Rest der Welt“,  Votiv Kino, Wien, 6. Februar 2022

Foto: Pathy/instagram.com

Votiv Kino, Wien, 6. Februar 2022
Österreich Premiere, „Wagner, Bayreuth und der Rest der Welt“

von Jürgen Pathy

Einst meinte er, Wagner sei ein bisschen gefährlich. Einmal die Finger drinnen, verliere man die ganze Hand. Das scheint sich zu bewahrheiten. „Wenn die Umstände passen“, könne er es sich auch vorstellen, den Parsifal oder in den Meistersingern zu singen. Die Angebote dazu gäbe es. Einstweilen bleibe es aber beim „Lohengrin“, sagte Piotr Beczała nach der Österreich-Premiere von Axel Brüggemanns Filmdoku „Wagner, Bayreuth und der Rest der Welt“ im Wiener Votivkino letzten Sonntag.

Im Augenblick sei der Kalender einfach zu voll. „20 bis 30 Prozent Wagner“, das sei okay – mehr aber nicht. Dass er überhaupt anwesend war, gleicht schon einem Wunder. Immerhin ist Beczałas Terminkalender voll. Einige Tage zuvor New York, Donnerstag ein Liederabend in Barcelona, am Vortag Gast im Musikverein Wien und nun im Wiener Votivkino. Dabei spielt er in Axel Brüggemanns Doku gar keine Hauptrolle.

Wagner mit den Augen Mozarts begegnen

Axel Brüggemann wollte mit seiner Doku einmal eine ganz andere Seite zeigen. Aufräumen mit all den Klischees, Wagner sei immer nur Bombast, laut und Deutsch. „Ich wollte einmal zeigen, dass Wagner auch anders sein kann. Nicht nur die schlechte Person“, mit der man ihn immer assoziiere, betont Brüggemann.

Deshalb habe er sich der Herausforderung gestellt, Wagner mit den Augen Mozarts zu begegnen. „Mit Menschlichkeit, mit lächelnden Augen, mit schmunzelnden Augen, auch mit traurigen Augen“. Mozart ist es auch, der sein persönlicher Gott sei. Nicht Wagner, wie man meinen könnte. „Weil Mozart alle Menschen geliebt hat“, stellt Brüggemann klar. Die sind es auch, die im Mittelpunkt seiner Doku stehen.

Wagner Fans aus der ganzen Welt

Fündig wurde Brüggemann auf der ganzen Welt. Nicht nur in Deutschland, Japan und den USA, sondern auch in Israel, wo Wagners Musik bis heute noch als absolutes Tabu gilt. Absurd, wie Jonathan Livny meint, der als Vorsitzender die 2010 in Israel gegründete Wagner Vereinigung leitet. Auf der einen Seite sei der VW das beliebteste Auto in Israel, auf der anderen Seite sträube man sich so gegen Wagners Musik. Für Livny ein Widerspruch in sich. Denn wer, wenn nicht der Volkswagen, sei das Symbol der NS-Zeit schlechthin, betont Livny, dessen Vater in den 1930er-Jahren von Deutschland nach Palästina ausgewandert ist.

Zu Wort kommen natürlich auch Größen der Szene. Christian Thielemann, der im „mystischen Abgrund“ von Bayreuth alle Opern dirigiert hat. Yuval Sharon, der 2018 den blauen „Lohengrin“ inszeniert hat, in dem auch Piotr Beczała sein Bayreuth-Debüt feierte. Barrie Kosky, der nochmals festhält, dass Wagner mit dem Beckmesser, Mime und Alberich natürlich antisemitische Stereotype auf die Bühne gestellt hat. Und auch Festspielchefin Katharina Wagner, die seit jeher mit der schweren Last ihres Urgroßvaters zu kämpfen hat.

Im Fokus von Brüggemanns Doku stehen aber ganz klar die einfachen Menschen. So wie das urige Metzger-Ehepaar Rauch, das seinen Betrieb in Bayreuth führt und mit Leib und Seele für Wagners Meisterwerke brennt. Dass dabei auch viele Anekdoten rund um Zaungäste der Bayreuther Festspiele oder den verstorbenen Ex-Feldherren Wolfgang Wagner anfallen, bereichert den Film enorm.

Ein Tipp für alle Wagner Fans

„Wagner, Bayreuth und der Rest der Welt“ ist ein Film für Wagnerianer. Dass dieses Wort darin kein einziges Mal fällt, wenn ich mich nicht irre, ist wirklich auffallend. Ob bewusst oder unbewusst, bleibt offen. Axel Brüggemann ist es mit dieser Doku auf jeden Fall gelungen, sein Vorhaben umzusetzen, Wagner einmal von der menschlichen Seite zu beleuchten. Abseits von all den philosophisch hochgestochenen Diskussionen, zeigt der Film nämlich, wie einfach Wagner sein kann. Dass er für alle sein kann, weil – seine Musik einen wie eine „Welle“ mitreißt , wie Metzger Rauch enthusiastisch in die Kamera strahlt.

Fazit: Auch wenn Cineasten den dramaturgischen Aufbau bemängeln könnten, für Wagner-Fans ist Brüggemanns Film ein Muss, für Opernfans sehr interessant – für alle anderen da draußen, eher langatmig und vermutlich auch nicht gedacht.

Offizieller Kinostart in Österreich: 11. Februar 2022

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