Stefan Vladar, Foto: Lukas Beck (c)
Wiener Konzerthaus, Mozartsaal, 13. Februar 2022
Wiener KammerOrchester
Stefan Vladar, Klavier, Dirigent
Arvo Pärt
Festina Lente (Fassung für Streicher und Harfe ad libitum) (1988)
Gustav Mahler
Adagietto (Symphonie Nr. 5) (1901–1902)
Wolfgang Amadeus Mozart
Konzert für Klavier und Orchester G-Dur K 453 (1784)
***
Joseph Haydn
Symphonie D-Dur Hob. I/57 (1774)
von Kathrin Schuhmann
Auf eine Reise, rückwärts durch die Zeit, entführte das Wiener KammerOrchester sein Publikum, das sich am Sonntagvormittag zahlreich im Mozart-Saal zusammengefunden hatte. Im bunt gemischten Programm reichten sich die Komponisten Arvo Pärt, Gustav Mahler, Wolfgang Amadeus Mozart und Joseph Haydn die Hände. Sowohl Liebhaber der romantischen als auch solcher der klassischen Tonsprache sollten demnach auf ihre Kosten kommen. Es sei mir an dieser Stelle die Bemerkung erlaubt, dass – ganz im Gegensatz zu meiner Sitznachbarin, die ausschließlich für Mozart und Haydn gekommen war – mein Interesse an der Konzertveranstaltung insbesondere durch die ersten beiden Programmpunkte, die ‚jüngeren‘ Werke geweckt wurde und ich insbesondere der Komposition Pärts mit Spannung und Vorfreude entgegenblickte, handelt es sich dabei doch um ein eher selten aufgeführtes Werk im Wiener Konzertleben.
Festina lente, zu deutsch: ‚eile langsam‘. Wie hört man dieses Werk ‚korrekt‘? Folgt man den einzelnen Instrumentengruppen, wie sie mit dem identischen thematischen Material in aber unterschiedlichen Tempi gleichzeitig beginnen zu spielen und sich aber dann schon bald voneinander entfernen, in linear-horizontaler Hörweise oder lässt man die harmonisch-vertikalen Klangbildungen auf sich wirken und verzichtet demnach auf eine polyphone Wahrnehmung des Werkes? Beide Zugänge haben zweifelsohne ihren Reiz. Die klagenden Phrasen der fragilen Streicherklänge dringen unwillkürlich tief ins Gemüt und werden wohl keinen der Anwesenden unberührt gelassen haben.
Das Adagietto aus Mahlers Symphonie Nr. 5 kommt in gleicher Weise expressiv daher. Eine Liebeserklärung an seine damalige Anvertraute, an Alma Schindler, baldige Alma Mahler, soll er gewesen sein, dieser langsame Satz. Wie zart, wie behutsam und voller Wärme ist dieser Satzanfang, in dem die Harfenklänge mit denen der Streicher geradezu zu verschmelzen scheinen. Hineinlegen möchte man sich in diesen wohligen Klang. Müsste man ein Manko dieses Satzes benennen, dann wäre es wohl jener, dass er nur elf Minuten dauert. Zu gern lauschte man diesen entrückten, fast schon schmerzlich sehnsuchtsvoll-schönen Klängen noch eine Weile länger.
Ganz anders nun das Klavierkonzert in G-Dur von Mozart. Vorbei mit der überschwelligen Gefühlsschwärmerei, her mit der unbekümmerten Heiterkeit! Das bislang brillant aufspielende Orchester konzertierte mit dem Solisten und Dirigenten des Abends Stefan Vladar – abgesehen von der ein oder anderen gern verziehenen Unsauberkeit – im höchsten Maße engagiert, der Pianist spielte seinen Part solide. Ein wenig mehr Charme hätte dem Konzert gutgetan, doch sparte man sich vielleicht auch bewusst noch eine Schüppe Neckigkeit für die Schlussnummer des Programmes auf, für eine Haydn-Symphonie.
Bewundernswert ist es, wie es Haydn gelingt, bei bilderbuchartiger Einhaltung der klassischen Formbehandlung insbesondere der Ecksätze mit Esprit und Witz nur so zu sprühen. Das macht einfach Spaß, das ist gute Unterhaltung auf höchstem Niveau. Vladar führte das Wiener KammerOrchester sympathisch, ohne Allüren, ganz der Sache verschrieben durch das halbstündige Werk, was ihm Publikum wie Orchester durch anhaltenden Applaus zu danken wussten.
Beschwingt verließ die Menge kurz nach Mittag den Saal, die besten Voraussetzungen für einen sorglosen Restsonntag.
Kathrin Schuhmann, 15. Februar 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Buchrezension: Graphic Novel „Zwischen zwei Tönen“ über Arvo Pärt, Klassik-begeistert.de