Helau und Alaaf erschallt’s durch den Saal!
Fass’nacht feiert man heute oder Karneval!
Auch der Verfasser sonst ernsthafter Themen
Wird von der Gaudi erfasst und läßt’s sich nicht nehmen
Zu steigen in die Bütt’, es ist ein Versuch,
Um zu erzählen von seinem letzten Opernbesuch.
von Jean-Nico Schambourg
Die fünfte Jahreszeit erlaubt Narren und Jecken
Mit spitzer Zung’ und gift’gem Wort dort anzuecken
Wo sonst das Jahr über man sich nicht traut
Und lieber auf die and’re Seite schaut.
So entschliess auch ich mich in diesen Tagen,
Als Till Eulenspiegel der Oper, es zu wagen
Den Finger zu legen in empfindliche Wund’
Die da heißt: Regietheater und dessen Schund!
Seit Tagen wie ein kleines Kind ich mich d’rauf freu’,
Heut Abend geht’s in die Oper! Juchhei! Juchhei!
Ich will heut’ nichts wissen von Katastrophen und Krieg,
Die von der Tagesschau jeden Tag ich vorgezeigt krieg’
Nein, heut’ will ich mich entspannen bei schönem Gesang,
Will mich ergötzen an monumentalem Orchesterklang.
Schnell ich mich noch werf’ in mein bestes Gewand
Zu betreten würdig die “heil’ge Stätt’”, Opernhaus genannt.
Beim Lesen des Programmhefts, der erste Schreck:
Man erklärt mir, die Hälfte der Musik musste weg,
Weil von seinem Handwerk, der blöde Komponist,
Nicht viel verstand und komponierte den Mist,
Den erst jetzt durch des Regisseurs Intervention,
Hallelujah ! es zu sehen und zu hören sich lohn’.
Wer die Oper schrieb sei schlussendlich nicht wichtig:
Der Star wär’ der Regisseur! So sei es richtig!
Im Saal wird’s still : Jetzt spielen s’ die Ouvertür’!
Der Vorhang geht auf und es grauset gleich mir:
Auf leerer Bühne spastisch kopulierend tanzt das Ballett
Die Mädels sind nackig, äl’tre Herrn finden das ganz nett!
Im Hintergrund auf große Leinwand projiziert ein Gedicht,
Das nichts zu tun hat mit der heut’gen Operngeschicht.
Dieses Gehopse und Flimmern hat wahrscheinlich zum Ziele,
Dass man sich nicht begeistert am großartigen Orchestergespiele.
Dann kommt der Chor in Unterwäsch’ und mit nackten Füssen
Sie hocken sich hin, tun als ob sie pinkeln und kacken müssen.
Ein Film zeigt derweil Karnickel, die rammeln um die Wett’,
Ist wohl gedacht als Fortsetzung des Eingangsballett.
Man sieht sie im Zeitraffer dann elendig verenden.
Ich denk, jetzt könnt’ man sich endlich der Handlung zuwenden.
Denn ich will ja nicht gleich anfangen zu motzen,
Doch was ich da seh’, ich find’ es zum Kotzen.
Die Sopranistin tritt auf, wie ein Model, hübsch und schlank
Nicht mehr so wie früher, ein riesig breiter Kleiderschrank.
Jedoch ist auch die Stimme schmächtig und schmal
Ihr fehlt’s an Stamina, am nötigen Stahl!
Man sieht um ihr Leben verzweifelt sie schreien,
Doch hört man nix davon in den hinteren Reihen,
So dass man sich fragt: was will die Pantomime
Die im Kopfstand muss singen da oben auf der Bühne?
Der Tenor kommt, neben ihm ein Kameramann geht,
Dem Sänger nachläuft, tief in den Rachen ihm späht.
Auf der Leinwand kann riesengroß man dann sehen:
Sein Hals ist entzündet, und deshalb mehr Wehen
Als Singen seinem roten Halse entweicht.
Den Bariton freut’s, so hat er’s ganz leicht
Ihn zu besiegen mit Stimme und Speer.
Doch vorher noch schnell ein Liebesduett muss her!
Grelles Scheinwerferlicht das Publikum hierzu verblendet.
Romantische Stimmung ist somit gleich beendet.
Sie singt nach links, er singt nach rechts, Rücken an Rücken
Kein Zeichen von heißer Liebe und wonnigem Entzücken.
Wie ein altes Ehepaar beim Frühstückstisch am Morgen,
Wenn er spricht von Fußball und sie von ihren Alterssorgen.
Der Bariton dann endlich das Liebesbekenntnis unterbricht
Und den säuselnden Tenor mit Gabel anstatt mit Speer ersticht!
So geht es weiter, Szene für Szene, Akt für Akt.
Die Ideen der Inszenierung werden immer mehr vertrackt!
Ich sag’ mir: Für den Regisseur muss sich’s doch lohnen
Seine sexuellen, politischen und and’re Frustrationen
Zu erzählen vor hunderten von Leuten im Theater
Anstatt auf der Couch, allein beim Psychiater!
Die Diagnose stellt beim Schlussapplaus dann das Publikum:
Applaudiert es nennt man es schlau, wenn es buht, schellt man es dumm!
Die Sänger tun mir dabei leid, ihr Leben ist doch beschissen,
Ein unreiner Ton, schon werden sie von der Kritik zerrissen.
Doch wie sollen sie auch perfekt die Arie singen,
Müssen sie dazu wie Sportler rennen und springen.
Machen sie den Zirkus nicht mit, kann das die Karriere kosten:
Es gibt genügend Ersatz, hauptsächlich aus dem Osten.
Dass die Stimm’ ein zartes Wesen, ein sensibles Instrument,
Mir scheint’s, manch’ Regisseur heut’ nicht mehr erkennt!
Endlich bin ich dann erlöst, geh’ frustriert nach Haus und denk’
An die schönen Produktionen von Ponnelle, Zeffirelli oder Schenk,
Die heut’ von manch’ sogenanntem intellektuellem Intendant
Als veraltet und verstaubt aus dem Spielplan verbannt.
Sie machen Platz Regisseuren zweiter und dritter Wahl!
Die aber garantieren den erwünschten Skandal!
Denn wenn man sein Haus oft in die Schlagzeilen bringt
Geht’s leichter, wenn später um Subventionen man ringt.
Museale Werktreu’ ich hier nicht verlang’, auch für neue Deutung bin ich offen,
Ich stehe ja fest im Leben, meistens nüchtern, manchmal besoffen.
Doch frag’ ich mich, wieso in der Oper straffrei ist erlaubt,
Dass man das Werk des Komponisten seiner Identität beraubt?
Würd’ ich malen der Mona Lisa einen langen Bart
Ich käm’ ins Gefängnis für sieben Jahr’ oder acht!
Der eigentliche Regisseur der Oper müsst’ doch sein die Musik,
Und deren qualitative Wiedergabe das Zentrum jeder Kritik.
Manch Leser wird vielleicht sich jetzt denken,
Diesen Beitrag hätt’ ich mir eigentlich können schenken.
Doch ich werd’ weiter schreiben, mal besser, mal schlecht
Über belangloses, provokatives Regietheater, das ist mein Recht!
Aber immer mit Respekt vor and’rem Mensch soll sein meine Kritik!
Dies verlang’ ich ja auch vom Regisseur für Komponist und Musik.
Stellt jeder sein Ego hinter das Werk und ist schlau,
Dann lange lebt noch die Oper! Alaaf und Helau!
Jean Nico Schambourg, 19. Februar 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
(*) Text der Schlussfuge aus der Oper “Falstaff” von Giuseppe Verdi: “Tutto nel mondo è burla. L’uom è nato burlone.”
Schammis Klassikwelt (c) erscheint regelmäßig am Sonntag.
Jean-Nico Schambourg, Jahrgang 1959. Gehört einer weltlichen Minderheit an: Er ist waschechter Luxemburger! Und als solcher war es normal, Finanzwirtschaft zu studieren. Begann seine berufliche Karriere bei der Kriminalpolizei, ehe er zur Staatsbank und Staatssparkasse Luxemburg wechselte. Seit jeher interessiert ihn jede Art von Musik, aber Oper wurde seine große Liebe. Er bereist ganz Europa, um sich bekannte und unbekannte Opern und Operetten anzuhören. Nebenbei sammelt der leidenschaftliche Hobbykoch fleißig Schallplatten über klassischen Gesang (momentan ungefähr 25.000 Stück). Sang in führenden Chören in Luxemburg, verfolgt seit einigen Jahren aber ausschließlich eine Solokarriere als Bass. Sein Repertoire umfasst Lieder und Arien in zwölfSprachen. Unter der Bezeichnung “Schammilux Productions” organisiert er selbst jährlich zwei bis drei Konzerte. Perfektionierte sein Singen in Meisterkursen mit Barbara Frittoli, Jennifer Larmore sowie Ramón Vargas, organisiert von “Sequenda Luxembourg”, einer Organisation zur Förderung junger Sängertalente, geleitet von seiner Gesangslehrerin Luisa Mauro. Neu auf klassik-begeistert.de: Schammis Klassikwelt, regelmäßig am Sonntag.
Schammis Klassikwelt 5: Die drei grossen “C”s – Callas, Caruso, Chaliapine* Teil 3
Schammis Klassikwelt 4: Die drei großen “C”s – Teil 1 Enrico Caruso
Lieber Herr Schambourg,
bitte mehr in diesem Stil! Das wirkt sehr erfrischend und originell. Etwas, dass ich sehr schätze.
Liebe Grüße
Jürgen Pathy