Mit glänzendem Blech erklimmt das WDR Sinfonieorchester die himmlischen Höhen Mahlers Sinfonie Nr. 3

Mahler, Sinfonie Nr. 3, WDR, Măcelaru  Kölner Philharmonie, 1. November 2024

 Cristian Măcelaru WDR © Thomas Brill

Mahlers Sinfonie Nr. 3 fordert die Solisten des WDR heraus. Alle meistern ihren Part mit Bravur. Besonders begeistert uns Martin Griebl an der Solotrompete und Peter Mönkediek mit dem Posthornsolo. Sasha Cooke (Mezzosopran) führt uns in Zarathustras Mitternachtslied in eine andere Welt. Cristian Măcelaru setzt in seinem gereiften Dirigat auf Kontraste und kontrolliert zugleich die langen Spannungsbögen. Ob im Pianissimo oder im Fortefortissimo, der Klang bleibt stets transparent. Das ist ein großer Mahler-Abend.

Kölner Philharmonie, 1. November 2024

Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 3 d-Moll

Sasha Cooke, Mezzosopran

Knaben und Mädchen der Kölner Dommusik, Damen des WDR Rundfunkchors

WDR Sinfonieorchester
Leitung: Cristian Măcelaru

von Petra und Dr. Guido Grass

Die dritte Sinfonie Gustav Mahlers ist die längste Sinfonie, die regelmäßig in den Konzertsälen zu hören ist. Selbst Mahler hatte Sorge, ob die Dimensionen zu groß geraten sein könnten: „Zu meinem wahrhaften Schrecken habe ich erst heute gesehen, daß dieser Erste Satz eine halbe Stunde, vielleicht noch länger dauern wird.“ Kein Wunder, dass Cristian Măcelaru mit großer Anspannung und weniger gelassen als sonst das Dirigentenpult erklimmt.

„Kräftig, entschieden“, so ist der erste Satz überschrieben. Und kräftig, entschieden gibt Măcelaru den Hörnern den Einsatz, bald gepaart mit den Posaunen. Runder Ton und saubere Intonation, auch im Fortissimo, da ist Gänsehaut garantiert. Mit großer Wucht hallen die massiven Schläge der Pauken durch die voll besetzte Philharmonie. Wir sind mitten im Geschehen und lassen uns von flirrenden Geigen in pastorale Höhen entführen.

„Pan erwacht. Der Sommer marschiert ein“

Dem ursprünglichen Titel des Satzes entsprechend zieht eine Marschkapelle auf. Im friedlichen Piano beginnend, klingt sie nicht militärisch, sondern eher nach Schützenfest. Doch mit großen Bewegungen treibt Măcelaru das Orchester zum Fortissimo. Die Jahrmarkts-Polyphonie bricht jäh zusammen und gibt einem wunderbaren leisen Posaunensolo (Jeffrey Kant) Raum.

Măcelaru gestaltet den ersten Satz abwechslungsreich. In der Wiederholung spielt die grotesk überzeichnete Schützenkapelle im Laufschritt. Die Hörner und das Schlagwerk nimmt er minimal zurück, um die maximale Steigerung zum Schluss des Satzes umso größer wirken zu lassen. Unglaublich, wie Martin Griebl die Solotrompete über das mit höchster Kraft aufspielende Orchester hinwegsetzt. Die scharf abgerissene Musik hallt noch einen Augenblick nach, in dem das Publikum gebannt den Atem hält.

Martin Griebl WDR © Claus Langer

Im großen Kontrast beginnt die Solooboe (Manuel Bilz) mit leichten, flockigen Tönen über den Pizzicati der Bratschen und Celli den zweiten Satz. Auch wenn die Idylle immer wieder durch chromatische Nebentöne gestört wird, erholen wir uns im Hollywood-Klang der Streicher und Hörner.

Pastoral ist auch die Stimmung, in die uns die Klarinette (Lewin Kneisel) und die Piccoloflöten zu Beginn des dritten Satzes bringen. Was Kuckuck und Nachtigall hier aus dem Wald erzählen ist jedoch keineswegs nur idyllisch. Typisch für Mahler zeigt sich die Natur auch disharmonisch.

Musikantischer Höhepunkt des dritten Satzes ist das „Posthornsolo“

Aus der Ferne (für diejenigen, die es lieber desillusionierend mögen: aus dem Bühnenvorraum) erklingen die Posthorn-Signale. Sehr berührend wie Peter Mönkediek mit weichem Anstoß und dennoch klar sein Instrument warm erstrahlen lässt. Den über mehrere Takte gehenden Triller spielt er gleichmäßig, in sauberer Intonation ohne auch nur ansatzweise zu forcieren. Das alles ist ganz große Klasse.

Peter Mönkediek WDR © Claus Langer
Heimlich schleicht die Mezzosopranistin Sasha Cooke ins Orchester

Măcelaru platziert die Sängerin mittendrin, hinter den Celli. Unheimlich stimmen diese gemeinsam mit den Kontrabässen den vierten Satz an. Aus dem Nichts, aus der Pflanzen- und Tierwelt waren die ersten Sätze, nun spricht der Mensch zu uns. „O Mensch! Gib acht!“ mahnt uns Sasha Cooke. Unglaubliche Ruhe und Besonnenheit strahlt ihre Stimme aus. Mit klarer warmer Farbe trägt sie Zarathustras Mitternachtslied exzellent verständlich vor. In der Gestaltung zeigt sich ihre langjährige und intensive Auseinandersetzung mit Mahlers Werk.

Sasha Cooke © Stephanie Girard
„Bimm bamm, bimm bamm“

Der Kinderchor läutet den fünften Satz ein. Die hohen Soprane der Damen des WDR Rundfunkchores stimmen „Es sungen drei Engel einen süßen Gesang“ an, und es klingt himmlisch.

Mit sanften Bewegungen malt, ja streichelt Măcelaru den Beginn dieses letzten Teils. Er lässt sich Zeit, die wellenartigen Steigerungen anzutreiben. Wie eine Sturzflut überkommt uns das Blech mit seinen dissonanten Akkorden, angeführt von den Hörnern. Noch einmal führen uns die tremolierenden Violinen in den Himmel. Ganz allmählich steigert sich das Orchester im umwerfenden Klang, der selbst im Fortefortissimo transparent und differenziert bleibt. Hier bewährt sich, wie das Dirigat Măcelarus über die Jahre gereift ist und die Emotionen ganz allmählich, aber umso wirkungsvoller in Szene setzt. Wie zu Beginn krachen die Pauken ein letztes Mal mit maximaler Wucht; doch diesmal sind es keine bedrohlichen Kanonenschläge, sondern ein Freudenfeuerwerk.

„Ewigkeit“ – so betitelt der WDR das heutige Konzert. Am Ende dieses Abends verstehen wir die Worte Mahlers: „[E]wig und unvergänglich wohlgeborgen ist alles; und hier hat auch Menschenleid und -trübsal keinen Raum mehr.“

Petra und Dr. Guido Grass, Köln, 4. November 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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