Die Sopranistin Caroline Melzer brilliert an der Volksoper Wien

Alexander Borodin, Fürst Igor
Volksoper Wien, 11. Juni 2017

von Mirjana Plath

Russland ist eine elende Wüste voller machtgieriger Herrscher. So jedenfalls erscheint das Land in Alexander Borodins Oper „Fürst Igor“ an der Volksoper Wien.

Thomas Schulte-Michels (Regie und Bühnenbild) inszeniert das Werk als wahren Augenschmaus. Mit den Kostümen von Renate Schmitzer zeigt er ein kontrastreiches Wechselspiel zwischen den beiden verfeindeten Nationen der Russen und Polowetzer. Fürst Igors russische Heimat zeichnet er düster und kalt. Riesige Spiegel und schwarze Wände schaffen eine trostlose Atmosphäre. Alle Figuren dieses Milieus tragen farblose Gewänder in Schwarz, Weiß und Grau. Wie bunt wirken dagegen die Polowetzer um Khan Kontschak. Sie leben in einer rot-orangenfarbenen Sonnenblumenwelt und markieren ihre orientalische Herkunft durch weite Pluderhosen und seidige Stoffe.

Der Dirigent Alfred Eschwé leitet das Orchester in der Ouvertüre zu einem definierten Spiel an. Besonders die Bratschen und Celli stechen schön hervor, wenn sie sehr bestimmt in ihren Melodien nach oben laufen. Wenn der Vorhang sich danach zum ersten Mal lüftet, gibt er den Blick auf eine riesige Chormasse frei. Die dunkle Menschenmenge verabschiedet Fürst Igor in den Krieg gegen die Polowetzer. Dabei sind die Frauenstimmen in den Höhen etwas unsicher. Der Bariton Davide Damiani als Igor singt mit einer harten und heroischen Stimme. Er geht in seiner kriegerischen Fürstenrolle auf. Im schwarz-grauen Mantel tritt er gebieterisch vor sein Volk und bricht mit ihm in einen Kampf auf, den er kläglich verlieren wird.

Martin Winklers Gesang zeichnet sich durch eine gute Textverständlichkeit aus. Der Bariton spielt den Willkürherrscher Fürst Galitzky, der in Igors Abwesenheit die Macht an sich reißen will. Seine schauspielerischen Qualitäten beweist er als beinahe tollwütiger Lebemann, der ausgelassen mit seinem Gefolge feiert und in seinem Rausch unschuldige Mädchen schändet.

Fürst Igors Sohn Wladimir mimt der Tenor Mehrzad Montazeri. Seine hohen Tönen kommen etwas forciert. Verführerisch singt der Bass Andreas Mitschke die Rolle des Kontschak, Khan der Polowetzer. Er hat Igors Heer besiegt und den Fürsten gefangen genommen. Seine Stimme windet sich lockend nach oben, wenn er seinen Gefangenen umgarnt und zu einem Bündnis bewegen will. Zu Ehren von Igor lässt er die Polowetzer Tänze aufführen. Die Pracht seines Reiches zeigt er in einer opulenten Szene, bei der sich das Bühnenpublikum auch in die ersten Logen des Zuschauerraums im Theater setzt. Eschwé dirigiert die Tänze pompös und überwältigend. Er lässt den Chor lautstark einsetzen und akzentuiert die Musik sehr deutlich.

Die berühmten Polowetzer Tänze hat die Choreografin Teresa Rotemberg abwechslungsreich in Szene gesetzt. Sie vermischt Ballett mit modernen Breakdance-Elementen und erschafft damit ein vielfältiges Spektakel für die Zuschauer. Die beiden Fürsten, die links und rechts am Bühnenrand auf großen Sonnenblumenblüten thronen, können ihre Augen ebenfalls nicht von den Tänzern abwenden.

Die Krönung der Aufführung bieten jedoch die ausdrucksstarken Stimmen der Frauen, neben denen die Männer in ihren Gesangsrollen verblassen. Die Mezzosopranistin Martina Mikelićs singt Kontschakowna, die Tochter des Khans. Ihr dunkles und warmes Stimmtimbre schmiegt sich anmutig an die orientalischen Melismen ihrer Arien an. Die Sopranistin Caroline Melzer brilliert als Igors Frau Jaroslawna. Mit starkem Vibrato bringt sie die verzehrende Sehnsucht nach ihrem Geliebten zum Ausdruck und durchdringt den gesamten Saal. Mutig weist sie ihren Bruder Galitzky in seine Schranken, der während Igors Gefangenschaft als Tyrann über dessen Reich herrscht. Sie verteidigt die hilflosen Mädchen – verkörpert durch den Jugendchor der Volksoper Wien. Weich und flehend verflechten die jungen Sängerinnen ihre Stimmen miteinander. Hut ab vor dieser Leistung!

Mirjana Plath, 12. Juni 2016 für
klassik-begeistert.at

 

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