Es kanonendonnert in der Elbphilharmonie

Elbphilharmonie, Hamburg, 27. März 2022

Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Elena Bashkirova
 Klavier
Dirigentin Marzena Diakun

Foto: Elbphilharmonie, © Maxim Schulz

von Harald Nicolas Stazol

Wenn schon eine Dosis Bohuslav Martinů ausreicht um ein Junkie zu sein, handelt sich es nicht um einen hochdestillierten Vodka von der Tafel Putins, sondern um eine Bildungslücke: Gehört der mit einem Staatsbegräbnis in seiner tschechischen Heimat Geehrte doch zu den absoluten Neoklassikern überhaupt, er, der vom Prager Konservatorium 1910 „wegen Desinteresses am Unterricht“ flog, – nun, kann man sagen: Der Name schreckt ab, in die Musik fällt man in Liebe…

Was für eine beschwingend-betörende Matinee, die mit einem nebelumwundenen Glasturm beginnt und in einem Sonnenbad enden wird, kathartisch nach dem Konzert:

Denn da kanonendonnert das Philharmonische Staatsorchester Hamburg ganz zu Beginn „UKRAINA – den Opfern des Krieges“, einem in offenbar kürzester Zeit nach dem Angriffskrieg der „Schlächters“ (Joe Biden soeben) komponierten Erstaunenswerk, das tiefen Eindruck zu hinterlassen imstande ist.

Denn da hört man schon eingangs das Donnern der Artillerie, entgegengesetzt eine ukrainische Volksweise, dann MG-Beschuss, gewaltsam aufgedrängt die russische Hymne – nun ganz programmatisch. Die „Ode an die Freude“ blitzt ebenso auf wie die „Marseillaise“: Nun ist der Bezug zu Tschaikovskys patriotischem Helden-Poem „1812“ unverkennbar, mündet dies alles doch in eine majestätisch wie nie gehörte Nationalhymne des Landes des blauen Himmels und der Weizenfelder, wie man sie nicht einmal in der Royal Albert Hall hören konnte.

Eduard Resatsch, Jahrgang 1972, ein Ukrainer, hat sie in aller Eile niedergeschrieben, und dort erhebt er sich Parkett links, dritte Reihe, zu tosenden Ovationen des ja von dieser Uraufführung des Unerwarteten völlig überraschten, zahlreich betörten Publikums. Eine Melange etwa zwischen „War Requiem“ und der „1812“ samt Kanone, horribile dictu.

„Un dentiste, deux dentistes“ – man rufe einen Zahnarzt, am besten zwei – so ruft einst das Pariser Publikum an diesem 22. Dezember 1894 zur Uraufführung der „Ballets Russes“-Choreographie des Vaslav Nijinsky ob dessen spannungsreichen Zitterns. Dass der wahrscheinlich größte Tänzer des 20. Jahrhunderts dort nun wirklich, wie soll man es sagen, zum Höhepunkt gekommen sein soll, entnehme ich den Memoiren der Romola de Pulszky-Nijinsky, seiner Frau.

Nun, soweit kommt es nun nicht, selbst unter dem Dirigat der immer elegant-weitausholendend Marzena Diakun, schon jetzt so berühmt, dass man ihr bald ein Portrait widmen sollte – und das Ganze auf Stöckelschuhen!

Wer noch? An den Pedalen in Pumps? Die Pianistin Elena Bashkirova, eben eine RUSSIN!!! Ihr Ausdruck in Spiel wie im Antlitz bei Manuel de Fallas „Nächte in Spanischen Gärten“ sind unübertroffen.

Das Orchester in fast bestürzender Sicherheit. Prominente verdiente Hochachtung den Harfen Clara Bellegarde und Louisic Dulbecco, die zauberhafterweise in allen vier Suiten fundamental aufscheinen und auch unseren Flöten, in Sonderheit Walter Keller, gelten Lob und Preis!

Und dann sieht man sich draußen im vollen Sonnenschein sich das 1. Violinkonzert von Martinů einspielen, ja, süchtig nach Martinů – da „UKRAINIA“ des Resatsch kann man auf YouTube noch nicht finden – dazu ist es, aus tragischstem Anlass, zu neu.

„Philharmonisches Staatsorchester Hamburg, Elena Bashkirova, Marzena Diakun
Elbphilharmonie, Hamburg, 27. März 2022“
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Der Musikverein Wien setzt ein klares Zeichen für den Frieden

Benefizkonzert: „Für die vom Krieg in der Ukraine betroffenen Menschen“

Foto: © Wolf-Dieter Grabner, Goldener Saal, Musikverein Wien
Musikverein Wien, Großer Saal, 22. März 2022

ORF III strahlt das Konzert am Sonntag, 27. März 2022, um 20:15 Uhr aus.

von Jürgen Pathy

„Zusammen gehen, um den Menschen in der Ukraine zu helfen“. Das sei das Motto des Abends, verkündete Dr. Stephan Pauly, der den ehrwürdigen Musikverein seit der Saison 2020 leitet. Geschafft hat man das, weil vor allem eine Riege an erstklassiger Musiker sich in den Dienst der guten Sache gestellt haben. Von Gidon Kremer über KS Michael Schade bis hin zu Lena Belkina, die in der Ukraine aufgewachsen ist. Ebenso mit dabei: Orchestermusiker aus fünf der größten österreichischen Orchester. Dass dabei ein Gesamterlös von 115 Tausend Euro rausgesprungen ist, ehrt die Sache noch viel mehr. Für „Nachbar in Not“, wie Pauly betonte. Nur ein Orchester hat sich nicht blicken lassen: Weshalb die Wiener Philharmoniker keine Mitglieder abgestellt haben, blieb trotz Nachfrage bei der Presseabteilung bis heute unbeantwortet.


Ukrainerin mit Herz und Seele in Wien

Musikalisch kann sich der Abend dennoch sehen lassen. Das ist unter anderen auch Lena Belkina zu verdanken, die gleich drei Mal auf die Bühne durfte. Nachdem sie mit stolz erfüllter Brust die ukrainische Hymne gesungen hatte, beeindruckte sie vor allem mit zwei der „stillen Lieder“ von Valentin Silvestrov. Wirklich herzergreifend dabei, das Lied „Welt, leb wohl, leb wohl, du harte“. Eine Retrospektive, die aktueller kaum sein könnte und vermutlich vom schweren Kummer in ihrer Heimat erzählt. Anders lässt es sich gar nicht erklären, wenn man vernommen hat, wie sehnsüchtig Lena Belkina das Wort „Ukraine“ während dieses in getragenem Tempo dahinschwebenden Lieds in den Goldenen Saal hauchte. Begleitet wurde sie dabei von Matthias Samuil, der ihr am Klavier ein ebenso einfühlsamer Begleiter war.

Lena Belkina Foto: (c) A.Bofill

Schlusspunkt für Lena Belkina: „Die Ode an die Freude“ von Ludwig van Beethoven. Hier übernahm die junge Mutter, die mit ihrem Ehemann in Wien lebt, den Part für Mezzosopran. All das unter den Augen des offiziellen Repräsentanten der ukrainischen Botschaft in Österreich und der Frau des Botschafters. Beide durften sie Zeugen werden, dass die Sprachrohre der Ukraine auch in diesen schweren Zeiten den Mut nicht verlieren. Lena Belkina, die auf der Krim aufgewachsen ist, hat das mit erhobener Brust stellvertretend für viele symbolisiert.

Berühmte Ausfälle

Dass der Abend nicht noch viel mehr Highlights zu bieten hatte, lag vielleicht auch an den berühmten Ausfällen. Jewgenij Kissin, der als Aushängeschild der russischen Klavier-Schule angesetzt war, musste absagen. Aus gesundheitlichen Gründen, wie Dr. Pauly zu Beginn verkündete. Ebenso absagen musste Dirigent Ivor Bolton, der das Benefizkonzert hätte leiten sollen.

Kurzerhand eingesprungen waren: Der russisch-stämmige Pianist Kirill Gerstein, der Chopins Scherzo in b-Moll und die Polonaise in As-Dur zwar sauber exerzierte – dazu noch Debussy –, aber jegliche Energie und Kraft vermissen ließ. Anstelle von Maestro Ivor Bolton nutzte der Grazer Patrick Hahn die Gunst der Stunde. Auch wenn die Nachwuchshoffnung, die mit seinen 26 Jahren als jüngster GMD im deutschsprachigen Raum agiert, nicht immer den großen Bogen zu spannen vermochte, manövrierte er das Orchester mutig durch diesen Abend.

Ein Zeichen für den Frieden

Vor allem bei Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie, woraus nur der Schlusssatz musiziert wurde, konnte Patrick Hahn beweisen, dass er trotz seiner Jungend den Überblick nicht verliert – auch, wenn nicht alles wie aus einem Guss floss. Das lag sicherlich auch daran, dass die Orchestermusiker, die aus fünf verschiedenen Orchestern zusammengefunden haben, natürlich keine eng-verwobene Einheit bildeten. Konnten sie angesichts der kurzen Zusammenarbeit gar nicht. Angeführt von Konzertmeister Ilia Korol, der ebenfalls aus der Ukraine stammt, stand der Abend auch vielmehr im Zeichen der guten Sache: Alle für einen, einer für alle.

Musikverein Wien © Franks Travelbox

Dennoch folgten selbst die erfahrenen Solisten wie Luca Pisaroni und Kammersänger Michael Schade aufmerksam dem Dirigat. Gemeinsam mit Lena Belkina und Christiane Karg, setzten die vier Solisten somit einen markanten Schlusspunkt hinter dieses Benefiz. Getragen vom hervorragend agierenden Wiener Singverein, dessen Bass-Abteilung unheimlich einfühlsam intonierte, ein Abschluss, der passender kaum hätte sein können.

Immerhin symbolisiert Beethovens „Ode an die Freude“ nicht nur die idealistische Vision, dass alle Menschen zu Brüdern werden. Sondern als Hymne der Europäischen Union und im weiteren Sinne Europas, auch, dass in dieser freien Wertegemeinschaft alle an einem Strang ziehen – ein Zeichen, das dieser Tage wichtiger ist als je zuvor!

Sieg über Barbarei im Hamburger Michel

Benefizkonzert für die Ukraine im Michel

19. März 2022, 18 Uhr
Gemeinschaftsveranstaltung der Hauptkirche St. Michaelis und der HfMT Hamburg

Begrüßung Pastor Alexander Röder sowie Grußwort von Professor Elmar Lampson, Rektor der Hochschule für Musik und Theater Hamburg

Ukrainische Nationalhymne:
Anastasija Shevchuk, Tamara Smyrnova (Gesang) Sofiia Oganesian (Orgel)

Durch das Programm führte Silke Möhl, Ideengeberin und Organisatorin des Konzerts seitens der HfMT.

von Teresa Grodzinska

Vielleicht fange ich mit der Hymne des 1991 neu gegründeten Staates an:

“Noch sind der Ukraine Ruhm und Freiheit nicht gestorben,
noch wird uns lächeln, junge Brüder, das Schicksal.
Verschwinden werden unsere Feinde wie Tau in der Sonne,
und auch wir, Brüder, werden Herren im eigenen Land sein.”

Wie müssen sich die beiden Studentinnen Anastasiia Shevchuk und Tamara Smyrnova gefühlt haben, als sie diese Strophe von der Hauptempore des Michels sangen… Wir können uns das nur ungefähr vorstellen. Sie klangen professionell, glockenklar und präzise. Aus eigener Erfahrung weiß ich: bist Du bewegt durch den Text oder durch die Umstände… Obacht.

Anastasiia und Tamara, mit der Ukraine aufs Innigste verbunden, leisteten sich keine Kiekser. Ihre Familien, Freunde, ihre Heimat, ihr junges Land stehen in den Nachrichten weltweit an erster Stelle. Jeden Tag, jede Stunde. Die beiden sind Profis. Wachsen mit den Aufgaben.

Chapeau.

Die Tragik des Anlasses für das Konzert hatte das Publikum still gemacht. Der Applaus, der einzige Lohn der Teilnehmenden (allesamt verzichteten auf ihr Honorar), fiel am Anfang mager aus. Aber man muss verstehen; die Hanseaten stapeln tief und spenden umso generöser…

Im Laufe des Programms (sehr klug und einfühlsam von Silke Möhl zusammengestellt und unaufgeregt moderiert) erwuchsen aus behutsamem Mitklatschen einzelne Bravorufe. Die Temperatur des Saals, pardon: des Kirchenschiffs, stieg minütlich an. Am Ende war es schon eine anständige Ovation. Das Programm, ein Potpourri aus Klassik und ukrainischer Folklore, dem russisch-orthodoxen Kammerchor der Kirche des Hl. Prokopij mit sechs sakralen Stücken, etwa “aus der Göttlichen Liturgie des Hl. Chrysostomus” oder „aus der großen Fastenzeit“, sowie Auftritten der Solokünstler war rund, nicht reißerisch, nicht zu einfach und nicht zu schwer. Anderthalb Stunden professionell und präzise vorgetragene Lieder a cappella über die obligatorischen Fugen Bachs bis zu zwei richtigen Reißern:

Jehan Alain (1911 – 1940): Première Fantaisie, geschrieben 1933, eine fünfminütige Komposition für Orgel gab dem Schrecken des Krieges einen einfühlsamen, manchmal gespenstisch echten Ausdruck. Ich hörte das Brummen der Bomber kurz vor dem Abwurf, ich hörte die Stille nach dem letzten Schuss. Meisterhaft. Ein großes Dankeschön an Matthias Neumann an zugleich drei Orgeln des Michels. Auch für die Auswahl aus dem Fundus des viel zu früh im Krieg gefallenen Alain.

Der zweite Höhepunkt, an Stärke des Applaus und Bravo-Rufen gemessen, kam kurz vor Schluss. Ein schmalbrüstiger Knabe, gefühlte 18 Jahre alt, spielte Blockflöte. Solo. In dem riesigen Kirchenschiff erklang das wahrscheinlich älteste Instrument der Welt. Laut Anthropologen ist die Blockflöte aus einem Schilfrohr hervorgegangen.

Tilman Clasen spielte ein anspruchsvolles “Lacrime (Tränen) für Altblockflöte in g” von Kees Boeke. Er spielte mit solcher ursprünglichen Hingabe und Charme, dass man ihn in weißen Chiton an einem Fluss sah. Zauberhaft.

Im Laufe des Abends vergaß ich den Anlass. Die Musik trug und entspannte, sie machte die Schrecken der letzten drei Wochen irrelevant. Dann die Erkenntnis: “Wir können nicht verlieren, wir Hörer und Musiker, Komponisten und Musikstudenten!“ Wir sind im Recht, und auch wenn es manchen nicht zugänglich ist, was Kultur, vor allem Musik vermag in Menschen aufzuwecken… an diesem Abend, in dieser Kirche haben die Anwesenden, alles freie Menschen, die aus freien Stücken hier waren, einen Sieg über Barbarei errungen.

Die Kollekte fiel üppig aus, habe ich gehört. Dieses Geld wird zu gleichen Teilen an den Nothilfefonds der Hochschule und an die Diakonie Katastrophenhilfe für Ukraine übergeben.

Teresa Grodzinska, 21. März 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

Benefizkonzert für die Ukraine im Michel, St. Michaelis, 19. März 2022

Interview Matthias Höfs, Spendenkonzert in St. Michaelis Hamburg für die Ukraine Samstag, 19. März 2022, um 18 Uhr (Einlass ab 17.15 Uhr)

Spenden:

Spendenkonto Nothilfefond der HfMT:
Deutsche Bundesbank
IBAN: DE63 2000 0000 0020 1015 24
Stichwort/Verwendungszweck: Ukraine-Hilfe
(Spendenbescheinigungen können ausgestellt werden)

Hintergrund: Die HfMT konnte durch die Unterstützung von privaten Förderern einen Nothilfefond auflegen. Sie unterstützt die Studierenden in finanzieller Notlage, bei der Durchführung von Solidaritätsveranstaltungen und schafft unbürokratisch Studienmöglichkeiten für ukrainische Studierende, die sich auf der Flucht befinden.

Diakonie Katastrophenhilfe für die Ukraine

Spendenkonto:

Evangelische Bank
IBAN: DE68520604100000502502
BIC: GENODEF1EK1
Betreff: Ukraine – Krise

Der Fluch kann jeden treffen: Axel Ranisch bietet hoffnungsvoll-trostlose Einblicke in menschliche Gefühlswelten

Verdis Rigoletto beim Festival an der Opéra de Lyon
Premiere, 18. März 2022

Fotos: Stofleth ©

von Patrik Klein

Pandemiebedingt musste das Festival 2020 am Vortage der Premiere abgesagt werden. Über 1000 ZuschauerInnen, hunderte ProduktionsmitarbeiterInnen und viel internationale Presse waren darüber zutiefst betrübt. Auch im Folgejahr machte die Pandemie den Planern am Haus einen Strich durch die Rechnung. Doch nun endlich konnten zwei der damals geplanten drei vorgesehenen Opernpremieren zur Aufführung kommen. Verdis „Rigoletto“ und Schrekers „Irrelohe“ standen auf dem Programm. Ergänzt wurde das Duo statt durch Orffs „Der Mond“ nun durch eine weitere Musiktheaterproduktion von Bachs „Trauernacht“ im Theatre de Celestins in Lyon. „Giuseppe Verdi, Rigoletto, Premiere
Opéra de Lyon“
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Matthias Höfs: "Meine Freunde in Russland sind nun für mich nicht erreichbar – unerträglich"

„In meiner internationalen Trompetenklasse an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg sind auch zwei russische und ein ukrainischer Student, die wie Brüder zusammen musizieren und ihre Freizeit gestalten. Wir sind eine große Familie, die zusammensteht und sich gegenseitig unterstützt.“

Foto: https://matthiashoefs.de ©

Die Hochschule für Musik und Theater Hamburg (HfMT) und die Hauptkirche St. Michaelis veranstalten ein gemeinsames Spendenkonzert für die Ukraine:

Am Samstag, 19. März 2022, um 18 Uhr (Einlass ab 17.15 Uhr).

Der Eintritt ist frei, Spenden werden erbeten an den Nothilfefond der HfMT für ukrainische Studierende und/oder an die Diakonie Katastrophenhilfe für die Ukraine (Spendenkonten siehe unten).

klassik-begeistert-Herausgeber Andreas Schmidt stellte dem Startrompeter und Hamburger Hochschulprofessor Matthias Höfs fünf Fragen.

klassik-begeistert: Was ist für Sie persönlich das Besondere an einem Auftritt im Hamburger Michel?

Matthias Höfs: Die St. Michaelis Kirche in Hamburg ist für viele Menschen ein Kraftort. Seit meiner Kindheit darf ich dort regelmäßig konzertieren und bin jedesmal aufs Neue überwältigt von der Energie und Atmosphäre dieses besonderen Kirchenraumes.

Foto: St. Michaelis, Hamburg, (c) Andreas Schmidt

Sie haben ja mit Ihrem Ensemble (Luisa Höfs, Paula Heidecker, Phillip Wentrup) und Ihrer Trompetenklasse schon verschiedene Benefizaktionen für die Ukraine gemacht. Was ist Ihnen dabei besonders wichtig? Welche Rolle spielen Musik und Kultur in Zeiten des Krieges, was kann ihre Aufgabe sein?

Matthias Höfs: Gerade in diesen Krisenzeiten kann uns die Musik helfen, Kraft, Zuversicht und Lebensmut zu erlangen. Das Trompetenkonzert von Giuseppe Tartini, das ich in St. Michaelis gemeinsam mit meinem Kollegen Wolfgang Zerer musizieren werde, soll mit dem strahlenden D-Dur Trost und Kraft spenden. Musik sendet natürlich auch eine Botschaft. Unter dem Motto „Unity for Peace“ haben sich binnen 48 Stunden weltweit über 200 Blechbläser meinem Aufruf angeschlossen, einen Bach-Choral auf Video aufzunehmen, den ich zuvor ins Netz gestellt hatte. Meine Verantwortlichen für Ton und Bild haben diese vielen Einsendungen dann zu einem Gesamtvideo verarbeitet, das inzwischen auf Social Media und YouTube veröffentlicht wurde. Diese Power, die dieser Choral aussendet in Verbindung mit den Bildern, hat bereits nach einem Tag über 10.000 Menschen erreicht. Wir Musiker stehen weltweit zusammen. An jeder Musikhochschule und in jedem Orchester musizieren selbstverständlich zahlreiche Nationalitäten in größter Homogenität gemeinsam. Das kann und sollte einen Vorbildcharakter haben.

https://www.youtube.com/watch?v=JZ0faXyVUr0

Bereits in der vergangenen Zeit habe ich einige Musikvideos produziert und mit einem Spendenaufruf versehen. Gerade in Coronazeiten, in denen keine Konzerte möglich waren, hatten wir zahlreiche Zuschauer und Hörer, die dann auch sehr gerne bereit waren, statt dem Kauf einer üblichen Konzerteintrittskarte unserem Spendenaufruf zu folgen.

Haben Sie Kontakt zu ukrainischen Betroffenen und Studenten?

Matthias Höfs: In meiner internationalen Trompetenklasse an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg sind auch zwei russische und ein ukrainischer Student, die wie Brüder zusammen musizieren und ihre Freizeit gestalten. Wir sind eine große Familie, die zusammensteht und sich gegenseitig unterstützt.

Sie waren auch Gastdozent am Tschaikowski-Konservatorium in Moskau.

Erzählen Sie bitte uns von Ihren persönlichen Erfahrungen in Russland.

Matthias Höfs: Seit 1983 gebe ich regelmäßig Konzerte und Masterclasses in Russland und habe dort viele Freunde gefunden. In diesem Jahr am 15. Januar hatte ich ein besonderes Konzert in Moskau gemeinsam mit 11 namhaften Trompetensolisten, ehemaligen Studenten und dem Moskauer Nationalorchester. Die derzeitige Kriegssituation hätte damals niemand für möglich gehalten. Meine dortigen Freunde sind nun für mich nicht erreichbar – unerträglich.

© Sibylle Zettler, Matthias Höfs im Hamburger Michel

Sie sind musikalisch ja sehr vielseitig aufgestellt: Klassik, German Brass, Jazz, Arrangeur. Bieten Ihrer Meinung nach die Hochschule für Musik und Theater und die Hamburger Kulturszene Raum für all diese Richtungen? Findet viel interdisziplinäre Zusammenarbeit der Genres statt?

Matthias Höfs: Die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen und Kolleginnen an der HfMT Hamburg empfinde ich als sehr inspirierend. Es entstehen immer wieder neue Projekte mit nahezu allen Abteilungen. Das ist für alle Beteiligten sehr sehr positiv und wird von allen unterstützt.

Interview: Andreas Schmidt, 15. März 2022, für

klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Spenden:

Spendenkonto Nothilfefond der HfMT:
Deutsche Bundesbank
IBAN: DE63 2000 0000 0020 1015 24
Stichwort/Verwendungszweck: Ukraine-Hilfe
(Spendenbescheinigungen können ausgestellt werden)

Hintergrund: Die HfMT konnte durch die Unterstützung von privaten Förderern einen Nothilfefond auflegen. Sie unterstützt die Studierenden in finanzieller Notlage, bei der Durchführung von Solidaritätsveranstaltungen und schafft unbürokratisch Studienmöglichkeiten für ukrainische Studierende, die sich auf der Flucht befinden.

Diakonie Katastrophenhilfe für die Ukraine

Spendenkonto:

Evangelische Bank
IBAN: DE68520604100000502502
BIC: GENODEF1EK1
Betreff: Ukraine – Krise

Kurzbiografie

Mit sechs Jahren erklärt Matthias Höfs (* 1965 in Lübeck) die Trompete zu „seinem Instrument, weil sie so schön glänzt“. Seine Ausbildung erhält er bei Professor Peter Kallensee an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg und Professor Konradin Groth an der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker. Gerade 18 Jahre alt wird er Solotrompeter des Philharmonischen Staatsorchester Hamburg. Die faszinierende Welt der Oper genießt er 16 Jahre lang.

Höfs wird zur gleichen Zeit Mitglied des Ensembles GERMAN BRASS, mit dem er weltweit erfolgreich ist. Seit dem ersten Konzert des Ensembles 1985 schreibt er sich und seinen Kollegen Arrangements „auf den Leib“, die innovativ, nachhaltig und genreübergreifend die Brasswelt inspirieren.

Mit musikalischem Pioniergeist erweitert Matthias Höfs kontinuierlich den Horizont seines Instruments – sei es durch die enge Zusammenarbeit mit Komponisten, die sich durch seine unvergleichliche Virtuosität und Experimentierfreude inspirieren lassen, sei es als „Botschafter der Trompete“ in seiner Heimat Schleswig-Holstein oder durch die langjährige Kooperation mit den Instrumentenbauern Max und Heinrich Thein. Die Leidenschaft für sein Instrument vermittelt Matthias Höfs auch seinen Studenten, die er seit 2000 als Professor an der Hochschule für Musik und Theater mit großem Engagement unterrichtet.

Neben seiner ausgedehnten Konzerttätigkeit als Solist und Kammermusiker hat Höfs bislang zahlreiche Solo-CDs produziert. Mit GERMAN BRASS gibt es darüber hinaus mehr als 20 CD Aufnahmen.

Im Oktober 2016 wurde GERMAN BRASS der Deutsche ECHO Klassik verliehen – eine der höchsten Auszeichnungen für nationale und internationale Musiker.

Machtvoll gegen die Ohnmacht: „#Stand WithUkraine“ – das Solidaritätskonzert in der Staatsoper Hamburg bewegt

Blau – die Farbe des klaren Himmels – und Gelb – die Farbe der europäischen Kornkammer – vereinigen die Nationalfarben der Ukraine, deren Strahlkraft zu verschwinden droht, gemahnen uns an das, was wir alle zu verlieren fürchten müssen. Es ist keine unausweichliche Naturkatastrophe, sondern ein willkürlich losgetretener Anschlag auf die Menschheit.

#StandWithUkraine
Solidaritätskonzert für die Ukraine

12. März 2022, Staatsoper Hamburg

von Dr. Holger Voigt

Gerade einmal drei Tage Vorankündigungszeit reichten aus, um die Hamburgische Staatsoper fast bis auf den letzten Platz für das erste von drei geplanten Benefizkonzerten „#StandWithUkraine“ zu füllen. Auf das Hamburger Publikum ist Verlass! Staatsopernintendant Georges Delnon war die Freude darüber anzusehen, auch wenn es leider ja um einen tieftraurig stimmenden Anlass ging, den man sich zuvor nie hätte ausmalen können.

Bewegende Begrüßungsworte von Dr. Iryna Tybinka, Generalkonsulin der Ukraine in Hamburg, trieben Tränen in die Augen vieler Besucher, war damit doch sofort ein direkter Brückenschlag zum Leid des kriegerisch überfallenen Volkes der Ukraine persönlich präsent geworden. An der Stimme der Konsulin waren ihre unzähligen vergossenen Tränen spürbar. So geht es heute vielen, doch leben wir selbst in Freiheit und Frieden und sind nicht direkt Betroffene. Wie schlimm  muss es für diese sein – man kann es sich kaum vorstellen. „Solidaritätskonzert für die Ukraine
12. März 2022, Staatsoper Hamburg“
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Magiefaktor 10 und Bravostürme: "Turandot" knüpft an die goldenen Zeiten der Staatsoper Hamburg an

Können Sie sich, liebe Leserinnen und Leser, an einen vergleichbar packenden Abend in der Staatsoper Hamburg in den letzten 10 Jahren erinnern? „Turandot“ in HH ist eine klare Empfehlung von klassik-begeistert.de. Allein der US-amerikanische Tenor Gregory Kunde, 68, als Calaf, ist den Eintritt wert. Er sang auf Maximalniveau. Selbst der legendäre Franco Bonisolli sang bei der letzten Premiere 1983 nicht besser. Der derzeit am meisten gefragte Tenor der Welt, Jonas Kaufmann, 52, sollte sich vor allem im hohen Register ein Beispiel an Kunde nehmen.

Staatsoper Hamburg, 13. März 2022
Giacomo Puccini, Turandot (Premiere)

Fotos: Hans Jörg Michel ©

Turandot – das Mädchen aus Turan – umjubelte Premiere an der Staatsoper Hamburg.

Puccinis letztes Werk in einer aufregenden Inszenierung von Yona Kim.

von Patrik Klein (Text und Fotos)

Die südkoreanische Regisseurin Yona Kim, dem Hamburger Publikum bekannt durch ihre Inszenierungen von Peter Ruzickas Oper „Benjamin“ und Vincenzo Bellinis „Norma“, gibt erwartungsgemäß neue Einblicke und inszeniert die Geschichte als gruseliges Märchen mit Blicken ins düstere Innere der handelnden Personen und mit einer asiatisch-europäischen Mischung aus Faszination und Eleganz. „Giacomo Puccini, Turandot (Premiere)
Staatsoper Hamburg, 13. März 2022“
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In Hamburg! Wir alle sind hier: In Deutschland – im Frieden – und als Zeugen ganz großer Kunst

Staatsoper Hamburg, Samstag, 12. März 2022, 19 Uhr, Großes Haus

Solidaritätskonzert
#StandWithUkraine

Foto: Natalia Klitschko in der Staatsoper Hamburg am 12. März 2022,
© ndr.de

von Harald N. Stazol

Gerade noch hat die Sopranistin Elbenita Kajtazi, sie selbst Kriegskind aus dem Kosovo, nach Liszts “Loreley” – „Ich weiss nicht, was soll es bedeuten” – gesagt, wie “schrecklich es ist für die ukrainischen Kinder des Krieges”, gerade will Klaus Florian Vogt zu Richard Strauss’ “Und morgen wird die Sonne wieder scheinen” anheben, gerade noch sind die Hände des Pianisten Rupert Burleigh über den Tasten, da hört man in die Stille eine Hamburger Kinderstimme leise “Mama” rufen, und in einer Aufwallung von seltener Zärtlichkeit schmunzelt leise die ganze Oper – ein schöner, rührender Höhepunkt des Abends, der so reich an schönen, rührenden Höhepunkten sein wird.

Allein die Weltstars, die einen für einen kurzen Moment lang jede der gebotenen Arien lang vergessen lassen, dass gar nicht weit von hier, mitten in Europa, Bomben fallen und Menschen sterben… aber gerade deswegen ist das Opernhaus an der Dammtorstraße jetzt vollbesetzt, “obwohl wir den Abend ja erst am Mittwoch bekanntgaben”, wie der Intendant Georges Delnon sagt, “und nun sind Sie alle hier” – ja, was für ein unfassbarer Segen, ein großes Glück, dessen man sich gerade gewahr wird, im dreifachen Sinne: 

Wir alle sind hier:

In Deutschland.
Im Frieden.
Und als Zeugen ganz großer Kunst.  „Solidaritätskonzert, #StandWithUkraine
Staatsoper Hamburg, Samstag, 12. März 2022, 19 Uhr, Großes Haus“
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CPE-Bach-Chor Hamburg: Benefizkonzert in Altona für eine Welt des Friedens und der Geborgenheit

Um auch die Studierenden in den umkämpften Gebieten in der Ukraine zu unterstützen, spendet der Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor Hamburg den Erlös dieses Konzerts an die Studierenden der Nationalen Musikakademie in Kiew.

Französische Kathedralmusiken
Den Opfern und Leidenden des Krieges in der Ukraine gewidmet

CPEB Young Artists
In Kooperation mit der Hochschule für Musik und Theater Rostock

Freitag, 25. März 2022, 19.30 Uhr
Hauptkirche St. Trinitatis, Hamburg-Altona

Louis Vierne: Messe solennelle
Gabriel Fauré: Requiem
César Franck: Choral Nr.3 – Prélude

Joachim Vogelsänger ORGEL
Hyeyoung Kim SOPRAN
Sanghun Lee  BARITON
Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor Hamburg

Dirigent Hansjörg Albrecht

Einkehr, Trauer, Religiosität, Sehnsucht, ewige Ruhe – all das steht in diesem Konzert mit Gabriel Faurés Requiem, mit Francks Prélude zum Choral Nr. 3 und Louis Viernes Messe solennelle ungebrochen nebeneinander. Vor unseren Augen entsteht in diesem Konzert eine Welt des Friedens und der Geborgenheit. Gleichzeitig soll ein Raum geschaffen werden, der Toten und Notleidenden des Krieges zu gedenken.

„Die Musik der großen französischen Kathedralen ist sehr ergreifend und berührend. In der Schönheit und Traurigkeit dieser Musik wird die Absurdität des Krieges mitten unter den Völkern in Europa offenbar. Gleichzeitig wird dem im Angesicht des Entsetzens sprachlosen Menschen eine Stimme gegeben“, sagt die Vorsitzende des Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chores Hamburg, Sophie Werkmeister. „Carl-Philipp-Emanuel-Bach-Chor Hamburg, Französische Kathedralmusiken, Spendenkonzert für die Ukraine
St. Trinitatis, Hamburg-Altona, 25. März 2022“
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Thielemann in der Wüste

Semperoper Dresden, Premiere, 5. März 2022, 18 Uhr
Giuseppe Verdi, „Aida“

Foto: Semperoper Dresden © Matthias Creutziger

von Olaf und Brigitte Barthier

Der in Sachsen nicht mehr erwünschte Christian Thielemann, dem man vorwirft, er könne nur Wagner, Strauss, Bruckner und Mahler, dirigierte am Samstag in der Semperoper die Premierenaufführung der „Aida“. Unter der großartigen Leitung von Katharina Thalbach, unterstützt von Ezio Toffolutti für das Bühnenbild und bei der Gestaltung der Kostüme, sowie dem berühmten Fabio Antoci für die Lichtregie.

Bei so einer großartigen Regiebesetzung kann nur etwas Einzigartiges herauskommen. „Giuseppe Verdi, „Aida“
Semperoper Dresden, Premiere, 5. März 2022, 18 Uhr“
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