Foto: Emmanuel Tjeknavorian © Lukas Beck
Interview: Jürgen Pathy
Grüß Gott, Herr Tjeknavorian. Wie würden Sie sich selbst bezeichnen – als Geiger oder als Dirigent?
Ich bin ein Künstler, der musiziert.
Worin liegt der Reiz des Dirigierens? Weshalb zieht es Sie aufs Pult?
Es ist schlicht und ergreifend eine innere Notwendigkeit. Die zweite Frage klingt für meine Ohren wie: „Weshalb atmen Sie?“ – Ich muss es tun, sonst…
Leidet unter der „Doppel-Belastung“ nicht das Geigenspiel?
„Doppel-Belastung“ – glücklicherweise empfinde ich meine momentan zweigleisige musikalische Tätigkeit alles andere als eine Belastung. Ich bin dankbar, dass ich stets hervorragende Lehrer hatte; mit ihnen habe ich ein zuverlässiges Handwerk gleichermaßen als Dirigent und Geiger erlernt. Das hilft. Mir fällt zu Ihrer Frage ein banaler Vergleich ein: Wenn man schwimmen kann und es viel tut, leidet die Gehfähigkeit ja auch nicht, oder?
Dann stelle ich die Frage andersrum: Gibt es gar eine positive Wechselwirkung? Profitiert der Geiger Tjeknavorian vom Dirigenten und umgekehrt?
Man sollte das nicht überbewerten, aber natürlich ist da etwas wechselseitig befruchtendes dabei. Es ist sicher kein Nachteil, dass ich die Solostimme von Violinkonzerten mit Augen eines Dirigenten betrachten und Symphonien mit Empfindungen eines Instrumentalisten angehen kann.
Woher nehmen Sie das Selbstbewusstsein, sich vor ein Orchester zu stellen? Immerhin sind die Musiker teilweise doppelt so alt wie Sie und verfügen über ein großes Maß an Erfahrung.
Ich sage oft: Liebe und Musik kennen kein Alter. Was ist schon eine „ungeheure Erfahrung“? Erfahrung ist ein bedeutsamer Begriff, besonders für Dirigenten. Doch ich hoffe, dass ich mich niemals für ungeheuer erfahren halten werde; dann könnte einem das notwendige Prickeln abhandenkommen.
Man braucht nicht unbedingt ein großes Selbstbewusstsein, um sich vor ein Orchester zu stellen. Es gibt ja etliche Beispiele in der Musikgeschichte von schüchternen, introvertierten Maestri. Wichtiger erscheint mir, der Glaube an die Kraft der eigenen musikalischen Aussage. Woher man das nehmen kann? Wissen verleiht Stärke – deshalb die ewigen Recherchen und Studien. „Interview: Dirigent Emmanuel Tjeknavorian
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