Schweitzers Klassikwelt 46: Operntexte und Operninhalte kritisch betrachtet

Foto: Anna Netrebko, Turandot, Bayerische Staatsoper, Quelle: Instagram

„ …dieser ruhige Wolkenzug an diesem hohen, unendlichen Himmel. Und wie kommt es, dass ich diesen hohen Himmel vorhin gar nicht wahrgenommen habe? Und wie glücklich bin ich, dass ich ihn endlich doch noch kennen gelernt habe!“ Diese Gedanken Fürst Andrej Bolkonskijs, als er schwer verwundet auf dem Schlachtfeld liegt und nichts anderes sehen kann, gehören zu den Schlüsselstellen von Tolstois Roman „Krieg und Frieden“ und werden sogar in einer sowjetrussischen Verfilmung nicht verschwiegen.

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Fürst Andrej wird im Feldlazarett von Liebe und Mitleid für einen schwerverwundeten jungen Mann neben ihm ergriffen und erkennt in ihm den Nebenbuhler seiner Braut, den er ergebnislos verfolgt hatte, um ihn zum Duell zu fordern. Liebe für die Feinde. Jene Liebe, die seine Schwester ihn lehren wollte und die er nicht verstehen konnte. „Schweitzers Klassikwelt 46: Operntexte und Operninhalte kritisch betrachtet“ weiterlesen

Der Schlauberger 61: Die blanke Gier – Werbung: So genial ist Sprache

Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer und Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.

von Reinhard Berger

Alles ist kostenlos!! Zwei Ausrufungszeichen. Lag vorige Woche in meinem Briefkasten. Ein deutsches Unternehmen schrieb mir und wahrscheinlich auch noch ein paar anderen Leuten: Alles ist kostenlos!! „Der Schlauberger 61: Die blanke Gier – Werbung: So genial ist Sprache“ weiterlesen

Daniels Anti-Klassiker 33: Rimski Korsakow – „Scheherazade“ (1888)

Höchste Zeit, sich als Musikliebhaber neu mit der eigenen CD-Sammlung und der Streaming-Playlist auseinanderzusetzen. Dabei begegnen einem nicht nur neue oder alte Lieblinge. Einige der „Klassiker“ kriegt man so oft zu hören, dass sie zu nerven beginnen. Andere haben völlig zu Unrecht den Ruf eines „Meisterwerks“. Es sind natürlich nicht minderwertige Werke, von denen man so übersättigt wird. Diese sarkastische und schonungslos ehrliche Anti-Serie ist jenen Werken gewidmet, die aus Sicht unseres Autors zu viel Beachtung erhalten.

von Daniel Janz

Scheherazade – frei nach dem Märchen von Tausendundeiner Nacht – ist eine der populärsten, wenn nicht sogar die populärste Komposition von Rimski Korsakow. Nicht nur der Stoff der Erzählung selbst berauscht. Die Musik gilt als Meisterwerk der Instrumentation, als eine herausragend in Töne gegossene Erzählung. Nicht selten wird sie sogar als die beste Komposition des russischen Komponisten bezeichnet. Und doch – trotz dieses herausragenden Rufs gibt es da etwas, was an dieser Komposition herausfällt. Denn, wie sich zeigt, ist nicht alles Gold, was glänzt… „Daniels Anti-Klassiker 33: Rimski Korsakow – „Scheherazade“ (1888)“ weiterlesen

Sommereggers Klassikwelt 108: Beethoven 10 - der künstlichen Intelligenz fehlt leider das Genie

Wer ein bedeutendes musikalisches Ereignis erwartet hatte, wurde enttäuscht.

Das Cover des Albums „Ludwig van Beethoven X – The AI Project © Bild: Modern Recordings/BMG/Warner

von Peter Sommeregger

Anlässlich des Beethovenjahres 2020 sollten die von Beethovens Hand stammenden Skizzen für eine 10. Symphonie mittels künstlicher Intelligenz bearbeitet und zu einem aufführbaren Werk komprimiert werden. Die Pandemie hat dieses Vorhaben um ein Jahr verschoben, aber inzwischen wurde das „Werk“ vom Beethovenorchester Bonn unter Dirk Kaftan der Öffentlichkeit vorgestellt.

Wer ein bedeutendes musikalisches Ereignis erwartet hatte, wurde enttäuscht. Das aus nur zwei Sätzen, nämlich Scherzo und Rondo, bestehende Fragment stützt sich auf Beethovens originale Handschrift, ein Computer, den man vorher mit zahlreichen Kompositionen des Meisters „gefüttert“ hatte, versuchte nun mit Hilfe der künstlichen Intelligenz Beethovens Intentionen nachzuspüren und diese Skizzen zu einem Ganzen zusammen zu fügen.

„Sommereggers Klassikwelt 108: Beethoven 10 – der künstlichen Intelligenz fehlt leider das Genie,
Klassik-begeistert.de“
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Daniels Anti-Klassiker 32: Anton Bruckner – Sinfonie Nr. 4 (1874 – 1880)

Höchste Zeit, sich als Musikliebhaber neu mit der eigenen CD-Sammlung und der Streaming-Playlist auseinanderzusetzen. Dabei begegnen einem nicht nur neue oder alte Lieblinge. Einige der „Klassiker“ kriegt man so oft zu hören, dass sie zu nerven beginnen. Andere haben völlig zu Unrecht den Ruf eines „Meisterwerks“. Es sind natürlich nicht minderwertige Werke, von denen man so übersättigt wird. Diese sarkastische und schonungslos ehrliche Anti-Serie ist jenen Werken gewidmet, die aus Sicht unseres Autors zu viel Beachtung erhalten.

von Daniel Janz

Essenz einer Reihe über überbewertete Klassiker ist es, dass auch ab und an wahre Meisterwerke ihr Fett wegkriegen müssen. Egal, ob die Gründe banal sind, ob sich Fehler, Schwächen oder Probleme direkt in der Komposition zeigen oder ob die Aufführungspraxis zu wünschen übriglässt. Nur wenn man darüber spricht, besteht auch die Chance auf Veränderung und hoffentlich Besserung. Und so kommt es, dass nun auch Bruckners vierte Sinfonie in dieser Reihe erscheinen muss – eine Sinfonie, die unter Bruckner-Kennern als die beliebteste zählt. „Daniels Anti-Klassiker 32: Anton Bruckner – Sinfonie Nr. 4 (1874 – 1880)“ weiterlesen

Sommereggers Klassikwelt 107: Wie aus Mizzi Jedlitzka der Weltstar Maria Jeritza wurde

Der 6. Oktober ist der Geburtstag von zwei historischen Primadonnen, nämlich Jenny Lind im Jahr 1820, und Maria Jeritza 1887. Es ist auch der Todestag von Montserrat Caballé, die am 6. Oktober 2018 starb.

von Peter Sommeregger

Wenden wir uns diesmal Maria Jeritza zu, die nicht nur auf eine große, sondern auch eine sehr außergewöhnliche Karriere zurückblicken konnte. Die im mährischen Brünn geborene Maria Marcellina Jedličková besuchte das Konservatorium ihrer Heimatstadt. Das Geld dafür verdiente sich die Tochter eines Handwerkers als Stubenmädchen in einem Hotel. Nachdem sie anfangs Klavier, Cello und Harfe studiert hatte, wechselte sie im Laufe der Ausbildung zum Gesang. Sie komplettierte ihre Gesangsausbildung in Prag, ihr erstes Engagement erhielt sie als Choristin am Stadttheater von Brünn. Bereits 1905 debütierte sie als Solistin am Stadttheater Olmütz in der Rolle der Elsa im „Lohengrin“. 1910 wechselte sie als Operettensängerin an das Münchner Künstlertheater, im gleichen Jahr wurde sie an die Wiener Volksoper engagiert. Bereits im Jahr 1912 wurde sie Mitglied der Wiener Hofoper, deren Star sie in den nächsten Jahren wurde. „Sommereggers Klassikwelt 107: Wie aus Mizzi Jedlitzka der Weltstar Maria Jeritza wurde“ weiterlesen

Pathys Stehplatz (10) – Wiener Staatsoper: Starke Stimmen tragen das grenzwertige Regiekonzept

Foto: © Michael Pöhn

Wiener Staatsoper, 4. Oktober 2021
Gioachino Rossini, Il barbiere di Siviglia

von Jürgen Pathy

Es ist gelungen!

„Der Versuch aus der Sache ein Fest zu machen“, wie Herbert Fritsch seine Regie beschreibt, hat in Wien eingeschlagen wie eine Bombe. Am Ende tobt das Haus. Dabei hat der deutsche Regisseur, der mit dem „Barbier von Sevilla“ an der Wiener Staatsoper seinen Einstand feiert, schon ziemlich an der Grenze der Geschmacklosigkeit gekratzt. Premiere war bereits am 28. September, am Montag folgte die dritte Vorstellung.

Schuster bleib bei deinen Leisten

Was sofort ins Auge sticht, wenn man von der Galerie des Hauses ehrfürchtig hinunterblickt: Im Gegensatz zu vielen Opern des Repertoires, vor allem Wagner und Strauss, kleidet den Orchestergraben eine ziemlich kleine Besetzung. Rund zwei Dutzend Geigen, eine Handvoll Bratschen – allesamt links vom Pult platziert. Vier Bässe, vier Celli davor. Dazu gesellen sich auf der anderen Seite die Holzbläser und ein Mindestmaß an Blechbläsern. Michele Mariotti weiß auch mit der kleinen Partie, angeführt von Konzertmeisterin Albena Danailova, ordentlich einzuheizen. Gerade so viel, um den Star der Produktion allerdings noch auf Händen zu tragen.

Juan Diego Flórez begeistert als Graf Almaviva mal wieder mit akrobatischer Belcanto-Kunst. Nachdem er im April des Jahres  einen Ausflug in dramatischere Gefilde („Faust“, Charles Gounod) gewagt hatte, ist der „Barbiere“ eine Rückkehr ins Repertoire, das vor rund zwanzig Jahren seinen Ruhm begründete. Spitzentöne, Koloraturen und virtuose Verzierungen sind eindeutig seine musikalische Heimat. Und der Clou bei der ganzen Sache: Alles wirkt so spielerisch. Selbst wenn die Anfangsarie im hohen Register noch etwas zerbrechlich wirkt, nach der Schlussarie steht das Haus am Kopf. Immerhin zählt der gebürtige Peruaner, der in Wien lebt, zu den wenigen, die selbst da noch in der Lage sind, die hohen Töne zu treffen und grazile Verzierungen zu schwingen. „Pathys Stehplatz(10): Gioachino Rossini, Il barbiere di Siviglia,
Wiener Staatsoper, 04. Oktober 2021“
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Rising Stars 16: Konstantin Krimmel, Bariton – ein mitreißender Geschichtenerzähler

Die Entwicklung und Karriere vielversprechender NachwuchskünstlerInnen übt eine unvergleichliche Faszination aus. Es lohnt sich dabei zu sein, wenn herausragende Talente die Leiter Stufe um Stufe hochsteigen, sich weiterentwickeln und ihr Publikum immer wieder von neuem mit Sternstunden überraschen. Wir stellen Ihnen bei Klassik-begeistert jeden zweiten Donnerstag diese Rising Stars vor: junge SängerInnen, DirigentInnen und MusikerInnen mit sehr großen Begabungen, außergewöhnlichem Potenzial und ganz viel Herzblut sowie Charisma.

Hugo Wolf „Der Feuerreiter“ Konstantin Krimmel – Bariton, Doriana Tchakarova – Piano. Helmut Deutsch Liedwettbewerb, Wien 2018, 1. Preis

von Lorenz Kerscher

Wenn ein Gesangsstudent im dritten Studienjahr beginnt, sich für Wettbewerbe anzumelden, ist er im Normalfall erst einmal froh, überhaupt zur Teilnahme zugelassen zu werden, und wertet es dann als einen großen Erfolg, über die erste Runde hinauszukommen. Dass Konstantin Krimmel schon in diesem Stadium einen Preis nach dem anderen nach Hause brachte, belegt ein außergewöhnliches Talent, das seine Lehrer in eine gute Richtung lenken konnten. Das war vor allem Teru Yoshihara an der Musikhochschule Stuttgart, der ihn erst einmal von den ursprünglichen Ambitionen im Tenorfach abbrachte und ihm als Bariton einen besser gangbaren Weg zum Olymp wies. Verdient machte sich auch Doriana Tchakarova als seine Dozentin in Liedgestaltung. Für diese ausdrucksstarke bulgarische Pianistin interessiere ich mich schon seit einigen Jahren, auch weil in ihrem Umfeld immer wieder sehr beachtenswerter sängerischer Nachwuchs in Erscheinung tritt. Sie verfügt über umfassende Repertoirekenntnisse und ein untrügliches Gespür für passende Programme, mit denen die jungen Leute ihre künstlerische Persönlichkeit entwickeln können. „Rising Stars 16: Konstantin Krimmel, Bariton“ weiterlesen

Ladas Klassikwelt 82: „Ach weh“ bei „Aveu“ oder: Wenn man den Zuschauerraum mit einer Imbissbude verwechselt

Elphilharmonie, Hamburg, Rolltreppe. Foto: © Michael Zapf

Ich habe schon einmal darüber geschrieben, wie sich ein Chor beim Applaus auf der Bühne verhalten sollte. Und das Publikum während eines Konzerts? Theoretisch kennt jeder die Grundregeln: Handy ausschalten, nicht fotografieren/aufnehmen, aber auch nicht reden oder rumzappeln. Kurz gesagt nichts tun, was andere Zuschauer stören und Künstler ablenken könnte. Ob Zuschauer diese Prinzipien befolgen, ist eine andere Sache.

 von Jolanta Łada-Zielke

Ich komme noch zurück auf den Konzertabend mit Werken von Schumann und Brahms, der am Sonntag, 26. September in der Elbphilharmonie mit der Pianistin Ragna Schirmer und dem CPE-Bach-Chors unter der Leitung von Hansjörg Albrecht stattfand. „Ladas Klassikwelt 82: „Ach weh“ bei „Aveu“ oder: Wenn man den Zuschauerraum mit einer Imbissbude verwechselt“ weiterlesen

Schweitzers Klassikwelt 45: Opern und Werbefotos

Es braucht eine lange und wiederholte Zeit des Nachdenkens, ob jemals ein Plakat oder die Aufmachung einer Schallplatte das Interesse für eine Oper geweckt hatte. Das Optische war in den Fünfziger- und Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts noch nicht so dominierend. Reproduktionstechniken noch viel kostspieliger. Man hätte sich damals nicht träumen lassen, dass bei Einrüstungen von bedeutenden Gebäuden die Architektur auf den schützenden, herabhängenden Planen zu sehen bleibt. Und die Entwicklung des Fernsehens hatte eben erst begonnen.

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Durchschnittlich einmal im Monat war ein Opernbesuch geplant. Die Berührung mit dem Genre und Informationen aus der Welt der Oper war durch das Blättern in Schallplattenprospekten zu gewinnen. In besonderer und dankbarer Erinnerung ist mir das Werbematerial der Deutschen Grammophon geblieben, wobei das Interesse auf die Besetzungslisten fokussiert war. So lernte man die immer wieder ausgewählten SängerInnen der Hauptrollen zumindest literarisch kennen. „Schweitzers Klassikwelt 45: Opern und Werbefotos“ weiterlesen