Rosenkavalier in Amsterdam: Hier wird diese wunderbare Komödie für Musik noch wahrhaftig goutiert!

Der Rosenkavalier, Musik von Richard Strauss  De Nationale Opera Amsterdam, 23. April 2023

Von Yair Haklai – Eigenes Werk, https://commons.wikimedia.org

Die Amsterdamer haben’s kapiert. Während man in Dresden fast auf Kommando vor Thielemann-Absagen flüchtet und in Hamburg der Oper erst gänzlich fernbleibt, heißt es in Holland: Ausverkauft! Eine Blamage für die beiden Spitzenhäuser an der Elbe. Hier scheint man diese wunderschönste aller Opern noch wahrhaftig zu goutieren und zu genießen. So, wie es sich gehört!

De Nationale Opera Amsterdam, 23. April 2023

Der Rosenkavalier
Musik von Richard Strauss

Libretto von Hugo von Hofmannsthal

von Johannes Karl Fischer

Und Nina Minasyans verzaubernde Sophie allein ist ein Grund, aus fernem Lande für diese Oper anzureisen! Ihre strahlende Stimme brilliert durch den Saal und verbreitet eine namenlose Freude im ganzen Publikum. „Wo war ich schon einmal, und war so selig?“ das geht in diesem Moment nicht nur den jungen Liebhabern durch den Kopf. Voller Freude und Eifer tanzt sie federleicht über die Bühne, als stünde ihr die größte Freude des Lebens vor den Füßen.

Auch Angela Browers äußerst spielvoller Octavian kann den Humor dieser Komödie für Musik bestens verkörpern. Mit rundem, trotzdem leichtem Gesang passt die Mezzosopranistin bestens in die Rolle des jungen Helden. Wunderbar wandelt sie sich stimmlich durch die verschiedenen Facetten des heranwachsenden Grafen, sei es seine Wut, die ihn zur Verteidigung seiner Geliebten gegenüber dem aufdringlichen Baron Ochs treibt oder seine Naivität, wenn er Vorhänge zu zieht, um den Tag zu vertreiben.

Die Schlafzimmer-Szene wird überhaupt zum Highlight des Abends. Wie im siebten Himmel liegt Maria Bengtssons Marschallin auf ihrem Sofa, völlig schwärmerisch singt sie die sanften Melodien aus innerlichster Seele. Laut lacht sie, wenn Octavian über die Vorhänge stolpert. Ganz in sich philosophiert sie über den Lauf der Zeit, hält einen dabei völlig in Atem. Das war mal eine amüsierende Darbietung der Marschallin! Keine kommandierende Herrscherin, stattdessen stets eine heitere, freudestrahlende Octavian-Liebhaberin.

Foto: Johannes Fischer

Ihr gegenüber stand mit Christof Fischesser ein ideal besetzter Baron Ochs auf Lerchenau. Ganz locker spielt er den aufgeblasenen, schlechten Kerl, der seine eigenen Probleme – finanziell wie bei den Frauen – mit einer erzwungenen Ehe zu lösen sucht. Seine präsente Stimme drängt sich in jede Situation hinein, mit glanzvollem Humor umsingt er nahezu sämtliche Regeln des gesellschaftlichen Verhaltens. Zum Glück weist ihn die Marschallin mit einer Wienerischen Maskerade deutlich in die Schranken und feiert seinen Abgang aus dem Wirtshaus mit einem jubelnden Triumphwalzer.

Zur allgemein komödiantischen Stimmung trugen auch Marcel Reijans spaßiger Valzacchi und Eva Kroons extravagante Annina bestens bei. Martin Gantner schien seinen sonst eher schmutzigen Bariton für den Herrn von Faninal extra fein geputzt zu haben und spielte einen herrschaftlichen Hausherrn der Nobelklasse.  Ganz nach dem Geschmack des möchte-gern-wohlhabenden Baron Ochs.  Angel Romero schmetterte den italienischen Sänger wie ein Verdi-Heldentenor über die Bühne, als würde er sich gerade für einen Otello einsingen.

Foto: Johannes Fischer

Leider konnte ausgerechnet das Geschehen im Graben nicht mit dem durchweg fabelhaften Gesang mithalten. Der Dirigent Lorenzo Viotti wollte diesen Rosenkavalier einfach nicht zum Schwingen bringen. Seine Walzer erinnerten eher an Karajans „lebende Leiche“-Aufnahmen als an die schwungvollen Darbietungen, wie man sie heuer von Ádám Fischer oder Philippe Jordan kennt. Der Rosenkavalier ist DIE Walzer-Oper schlechthin, das müsste eigentlich genauso schwingen wie singen… vielleicht sollte man mal eine Wiener Ballsaison zum Pflichtkurs für alle aspirierenden Rosenkavalier-DirigentInnen einführen?

Nun ja, der Rosenkavalier scheint einfach verdammt schwer zu Dirigieren zu sein… vor knapp einer Woche musste ich mich erst über die preußisch-marschartigen Walzerklänge an der Berliner Staatsoper ziemlich aufregen. Vielleicht muss man die Messlatte im Graben auch einfach zwei Stufen absenken, wenn nicht Philippe Jordan, Ádám Fischer oder Christian Thielemann am Pult stehen.

Auch Jan Philipp Glogers Inszenierung scheitert an Strauss. Spätestens im dritten Aufzug scheint er die eigentlich obligatorische Wienerische Eleganz verloren zu haben. Die Überführung des Verführers wird weniger zur Wienerischen Maskerade und viel mehr zum frechen Streich, um den Baron so richtig reinzulegen. Das war mir etwas zu kantig, diese Oper verdient mehr charmanten Humor und weniger Schabernack.

Am Ende sorgte eine herausragende Gesangbesetzung für fieberhaften Beifall unter den sehr zahlreich erschienenen Gästen. Das Publikum in der holländischen Hauptstadt scheint regelrecht Opern-begeistert zu sein… da sollten sich andere Städte mal ein Beispiel nehmen. Vielleicht hätte Richard Strauss seine Komödie für Musik ja lieber an der Ij als an der Elbe uraufführen sollen.

Und liebe Berliner: Ihr habt mit Camilla Nylund momentan auch eine recht anständige Marschallin an eurer Staatsoper. Nehmt euch ein Beispiel an den Amsterdamern und füllt am Samstag nochmal ordentlich die Lindenoper!

Johannes Karl Fischer, 26. April 2023 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Der Rosenkavalier Musik von Richard Strauss Semperoper Dresden, 10. April 2023

Richard Strauss, Der Rosenkavalier München, Bayerische Staatsoper, 24. Juli 2022

Richard Strauss, Der Rosenkavalier Bayerische Staatsoper, München, 8. Mai 2022

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