Ein fulminanter "Nabucco" bewegt vor den Mauern Jerusalems

Giuseppe Verdi, Nabucco, The Opera Festival Jerusalem,  The Israeli Opera Tel-Aviv-Yafo, 20. Juni 2019

Foto: Der Gefangenenchor © Eithan Elkins
The Israeli Opera Tel-Aviv-Yafo
, 20. Juni 2019
Giuseppe Verdi, Nabucco, The Opera Festival Jerusalem

Von Charles E. Ritterband

Die Israeli Opera Tel-Aviv-Yafo pflegt in den heissen Sommermonaten spektakuläre Orte zu bespielen: Unvergessen sind die grossartigen Opernaufführungen vor der geschichtsträchtigen, markanten Naturkulisse des Masada-Felsmassivs in der Wüste von Judäa am Toten Meer, im römischen Theater von Caesarea oder in den mittelalterlichen Gewölben der Kreuzfahrerstadt Akko.

Auch dieses Jahr hat die 1985 gegründete israelische Oper einen einzigartigen Schauplatz gewählt: Den sogenannten Sultan`s Pool (offiziell: Merrill Hassenfeld Amphitheater) unterhalb der Jerusalemer Stadtmauer. Nur an einem Abend wurde hier jene Oper aufgeführt, welche den Genius Loci und die Geschichte des biblischen Jerusalem am besten verkörpert: Nabucco – die italienische Variante für den babylonischen König Nebukadnezar. Die Zeit der Handlung ist das Jahr 586 vor Christus, die Schauplätze sind Jerusalem und Babylon. Die Tribüne für 6000 Zuschauer und die improvisierte Bühne mit ihrer High-Tech-Einrichtung befindet sich in einem riesigen ehemaligen Wasserreservoir aus der Zeit Herodes des Großen – also der Epoche der römischen Fremdherrschaft über Palästina. Ein historisches Echo also der Unterjochung und Verschleppung des jüdischen Volkes durch die Babylonier – und damit ist der Bogen gespannt zwischen dem Aufführungsort dieses „Nabucco“ und dem geschichtlichen Hintergrund der Handlung.

Deshalb hatte diese einmalige „Nabucco“-Aufführung auf historischem Boden in Jerusalem eine ganz besondere Bedeutung – und die Inszenierung der Israeli Opera wurde dem Anlass vollumfänglich gerecht. Der gewissermassen lokale Klangkörper, das Jerusalem Symphony Orchestra, intonierte die berühmte Nabucco-Ouvertüre unter der temperamentvollen Stabführung des gegenwärtig wohl führenden israelischen  Dirigenten Yuval Zorn zugleich mit Verve und äußerster Präzision. Unter den schwierigen akustischen Verhältnissen (die Stimmen wurden durch Mikrophone und mit Lautsprechern verstärkt) schaffte es Zorn zumeist, auch in den subtileren Passagen die Balance zwischen Stimmen und Orchester zu wahren.

Und diese Stimmen einer internationalen Besetzung waren durchwegs beeindruckend. An der Spitze und als Star des Abends Ira Bertman in der Rolle der Abigaille, Adoptivtochter Nabuccos (in Wahrheit Tochter einer Sklavin) und Usurpatorin seines Throns. Die in Littauen geborene Bertman dominierte den Abend mit ihrer starken, gleichzeitig warmen und harmonischen Stimme, die mit müheloser Leichtigkeit auch die Klippen dieser anspruchsvollen Partie überwand. Der südkoreanische Bassist Simon Lim ist ein Name, den man sich ebenfalls merken sollte. Sein Zaccaria, Hohepriester der Israeliten, war stimmlich ebenso ausdrucksstark wie kraftvoll. Ebenso beeindruckend der rumänische Bariton Ionut Pascu in der Titelrolle des Nabucco mit vollendetem baritonalem Schmelz. Nach anfänglicher Zurückhaltung steigerte er sich zu einer imposanten, runden stimmlichen Leistung, welche der zentralen Rolle dieser zweispältigen Figur vollumfänglich gerecht wurde.

Der italienische Tenor Domenico Menini gilt als Belcanto-Spezialist und blieb in der ganz andere Erfordernisse bietenden Rolle des Zaccaria trotz einer sehr schönen, harmonisch-warmen Stimme und Liebhaber der Fenena eher blass. Menini wurde von den stimmlichen Glanzleistungen im Bariton und Bass ziemlich in den Schatten gestellt. Und auch Nabuccos zweite Tochter Fenena, verkörpert von der israelischen Mezzosopranistin Shay Bloch, stand trotz ihrer wunderschönen Stimme und ihrer exzellenten schauspielerischen Leistungen stimmlich eindeutig im Schatten ihrer Adoptiv-Schwester Abigaille, der litauischen Sopranistin Ira Bertman.

Dr. Charles E. Ritterband, 21. Juni 2019, für
klassik-begeistert.de

Musikalische Leitung Yuval Zorn
Inszenierung Gadi Schecter
Bühnenbild Niv Manor
Kostüme Ula Shevtsov
The Jerusalem Symphony Orchestra
The Israeli Opera Chorus
Chorleiter Ethan Schmeissers
Nabucco Ionut Pascu
Abigaille Ira Bertman
Zaccaria Simon Lim
Ismaele Domenico Menini
Fenena Shay Bloch
Hohepriester Oded Reich

 

 

 

 

 

 

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