Foto: © Petra Lang
Interview mit der Mezzosopranistin Petra Lang
Bayreuther Festspiele 2019
von Jolanta Lada-Zielke
Petra Lang (Mezzosopran) ist sowohl gesanglich als auch pädagogisch tätig. Als selbständige Künstlerin sang sie in den größten Musiktheatern der Welt: Royal Opera House Covent Garden London (Brangäne, Waltraute, Kundry, Ortrud, Ariadne, Judith, Fremde Fürstin), De Nederlandse Opera Amsterdam (Brangäne, Cassandre, Venus, Kundry), Bayerische Staatsoper München (Brangäne, Venus, Sieglinde, Kundry, Walküren-/Götterdämmerungs-Brünnhilden, Ortrud), Deutsche Oper Berlin (Waltraute, Brangäne, Venus, Sieglinde, Cassandre, Ortrud), Semperoper Dresden (Brangäne, Kundry, Ariadne, Sieglinde), Hamburgische Staatsoper (Waltraute, Kundry), Staatstheater Stuttgart (Adriano), Oper Köln (Sieglinde), Nationaltheater Mannheim (Cassandre, Ariadne, Kundry), Wiener Staatsoper (Fricka, Waltraute, Brangäne, Kundry, Ortrud), De Vlaamse Opera Antwerpen (Brangäne), Grand Théâtre de Genève (Amneris, Kundry, Judith, Ortrud, Brünnhilde), Opernhaus Zürich (Sieglinde, Ortrud), Teatro San Carlo Neapel (Sieglinde), Accademia di Santa Cecilia Rom (Venus), Teatro La Fenice Venedig (Sieglinde), Mailänder Scala (Venus), Oviedo (Brangäne), Teatro de la Maestranza Sevilla (Sieglinde), Budapest (Ortrud, Kundry, Brünnhilde), Opera Nationala Bukarest (Ortrud), Tokio (Kundry), Teatro Municipal di Santiago de Chile (Brangäne), San Diego Opera (Venus), Baltimore Opera (Venus), Lyric Opera Chicago (Brangäne), San Francisco Opera (Venus, Ortrud).
Bei den Bayreuther Festspielen sang Petra Lang die Brangäne in „Tristan und Isolde“ (2005/2006) und Ortrud im „Lohengrin“ von Hans Neuenfels 2011/2013/2014/2015. Seit 2016 singt sie die Isolde in Katharina Wagners „Tristan“-Inszenierung, die dieses Jahr zum letzten Mal aufgeführt wird.
Mit Petra Lang sprach Jolanta Lada-Zielke, Kulturjournalistin und -reporterin aus Polen, Korrespondentin der Musikfachzeitschrift „Ruch Muzyczny“ sowie der Theaterzeitung „Didaskalia“. Jolanta Lada-Zielke lebt in Hamburg.
Wie verstehen Sie das, was Richard Wagner über den „Tristan“ sagte: „Nur mittelmäßige Vorstellungen können mich retten. Die guten können Menschen verrückt machen.“?
„Tristan“ ist ein ganz besonderes Werk. Wenn es musikalisch und szenisch wirklich gut gemacht wird, in dem Sinne, dass man es gut versteht, dann kann jeder für sich etwas daraus ziehen. Diese Musik lässt auch mir irgendwie keine Ruhe, zieht mich diese vier Stunden lang magisch in ihren Bann und lässt mich überhaupt nicht los. Ich glaube, das war es, was er damit gemeint hat. Die „Tristan“-Musik ist letztendlich wie eine Droge.
Kann diese Oper die Sänger zu einer emotionalen Erschöpfung führen, wenn sie ihre Rollen zu sehr erleben?
Als Profi muss man lernen, wie man damit umgehen soll. Jeder gute Schauspieler, jeder gute Sänger weiß, wie weit er gehen kann und muss. Dafür sind die Proben und die ganze Beschäftigung mit dem Stück da, dass man am Abend der Aufführung dazu in der Lage ist, dass sich das Gefühl der Figur vermittelt und auf die Zuschauer überträgt. Trotzdem muss man dabei seine Arbeit als Sänger erfüllen können. Das halte ich für die Hauptaufgabe eines Darstellers. Ich meine, ich kann nur so weit gehen, wie das der Ausübung meines Gesanges oder der Erfüllung der Partitur nicht im Wege steht, dass es mich als Person nicht behindert. Das ist für mich das ganz Entscheidende. Nicht wir sollen auf der Bühne weinen, sondern das Publikum. Und wir Sänger lernen das genauso wie gute Schauspieler.
2013 haben Sie mit Adrian Baianu einen Meisterkurs für Wagner-Sänger in Bayreuth geführt. In welchem Alter waren die Teilnehmer?
Ganz unterschiedlich. Die jüngste Teilnehmerin war 26 Jahre alt, und alle Sänger waren schon im Engagement. Innerhalb von drei Tagen sollten ein bis zwei Arien erarbeitet werden. Ich muss dazu sagen, dass wir mit einigen Sängern und Sängerinnen schon vorgearbeitet hatten, weil das sonst so kurzfristig in Bayreuth nicht zu schaffen gewesen wäre, besonders weil man das Ganze ja auch präsentieren sollte. Ohne diese Vorbereitung hätte man die Sänger und Sängerinnen mehr verunsichert, als dass man ihnen geholfen hätte. Und das wollten weder Adrian noch ich.
Meinen Sie, dass für Wagner-Gesang eine Stimme reif und ein Sänger älter werden muss?
Ich denke, vor allem muss der Mensch der richtige sein – wie ein Instrument. Man kann aus einer Blockflöte keine Posaune machen. Ein leichter, lyrischer Koloratursopran sollte beispielsweise nicht die Elisabeth im „Tannhäuser“ singen. Oder einen lyrischen Bariton, der vielleicht gerade Wolfram von Eschenbach singen kann, sollte man nicht als Wotan besetzen, weil die Farbe nicht stimmt. Ich sage, Wagner benötigt zu jedem Charakter ein richtiges Instrument, d. h. die Stimme muss sich dazu eignen. Diese Art von Partien erfordert eine gewisse stimmliche wie menschliche Reife. Und das erfordert auch eine Reife des Interpreten, damit man diese Texte wirklich durchdringen kann. Das wiederum bedarf in der Regel eines gewissen Alters. Am besten sollte man im lyrischen Fach anfangen und die Stimme sich dann entwickeln lassen. Wenn sie für diese Art des Repertoires geeignet ist, dann wird es sich auf dem künstlerischen Weg quasi automatisch ergeben, dass es in diese Richtung weitergeht. Und dann wird die Stimme das auch über lange Jahre überleben. Ich glaube nicht, dass man als 30-jährige Isolde-Darstellerin eine große, lange künstlerische Zukunft haben wird.
Sie haben 2015 ebenfalls mit Herrn Baianu einen Gesangskurs „Warm Up für Alle“ für aktive und passive Teilnehmer gehalten. Alle sollten warme Socken mitbringen. Können Sie verraten, wie warme Socken dabei helfen können, die Gesangstechnik zu optimieren?
Bei Meisterkursen halte ich das immer so, dass alle (aktiven und passiven) Teilnehmer morgens eine Stunde lang eine Art Gymnastik machen können. Wir machen Aufwärm-Übungen, weil Singen Hochleistungssport ist und ganz viel Körperlichkeit verlangt, auch für die Bühnenpräsenz, für die Darstellung und die Bewegungen, die ein Regisseur unter Umständen von einem erwartet. Deswegen ist es sehr wichtig, dass man seinen Körper, sein Instrument, gut beherrscht. Dazu eignen sich die Übungen aus dem Thai-Chi-Bereich, Atemübungen usw. Und es hilft, wenn man das Ganze barfuß macht. Deshalb benötigen wir warme Socken, damit man sich nicht erkältet. Wenn man barfuß auf der Erde steht, hat man einfach einen ganz anderen Bezug zum Boden, steht ganz anders, als wenn man Schuhe anhat. Dann kann man auch seinen Körper ganz anders spüren, wenn man das zulässt.
Wozu dienen die getrennten Räumlichkeiten für die Teilnehmer?
Ich habe schon vor einigen Jahren mit Adrian Baianu ein gemeinsames Unterrichtkonzept entwickelt: Er macht Stimmcoaching, das heißt wirklich „vocal coaching“, arbeitet also technisch mit den Sängern. Dann kommen sie zu mir und wir arbeiten an der Interpretation, der Rollengestaltung oder weiter an technischen Dingen. Deshalb treffen wir uns mit Teilnehmern getrennt, sodass jeder Sänger im Prinzip zweierlei Stunden machen kann – eine bei Adrian und die nächste bei mir. Sie sind dann zwei Stunden am Tag „unter Kontrolle“ und werden von beiden Seiten vorbereitet. Einer von uns kann immer auffangen, was der andere vielleicht angerissen hat und umgekehrt.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Jolanta Lada-Zielke, 8. August 2019, für
klassik-begeistert.de