Lieses Klassiwelt 40: Kürzungen oder wer nichts gewagt, der nicht gewinnt

Lieses Klassikwelt 40: Kürzungen oder wer nichts gewagt, der nicht gewinnt

von Kirsten Liese

Die Opernwelt hat gerade eine Schrumpfversion von Wagners „Rheingold“ gefeiert, die auf dem Parkdeck der Deutschen Oper Berlin Premiere hatte. Ich habe mir diese Produktion erspart, halte es mit der Devise „ganz oder gar nicht“.  Dies vor allem auch deshalb, weil wir es hier mit einem Komponisten zu tun haben, der Gesamtkunstwerke schuf, bei dem mithin keine Note zu viel ist, geschweige denn eine Figur. Der Mime, so entnahm ich Hinweisen, kommt in der Kurzfassung von Jonathan Dove nicht vor. Immerhin schrieb Richard Wagner auch höchst selbst in einem Brief an Heinrich Heine: „Gar nichts liegt mir daran, ob man meine Sachen gibt. Mir liegt einzig daran, dass man sie so gibt, wie ich‘s mir gedacht habe. Wer das nicht will und kann, der soll es bleiben lassen“.

Ich will damit nichts Grundsätzliches gegen Striche und Kürzungen von Stücken gesagt haben, es kommt aber darauf an, welche Urheber es trifft. Entscheidet sich ein Dirigent zum Beispiel in einer Barockoper von Händel, die teils endlos langen Rezitative etwas einzukürzen, erscheint mir das verträglich, zumal Händel selbst auch sehr pragmatisch mit seinen Musikdramen umging, auch einzelne Nummern aus unterschiedlichen Stücken in Pasticcios neu arrangierte oder Arien transponierte.

Eine Kurzfassung von Wagners Rheingold kommt dagegen einer Verstümmelung gleich. Wenn es unbedingt ein Werk von nicht länger als 90 Minuten in kammermusikalischer Kleinbesetzung sein soll, warum dann nicht ein entsprechend angelegtes Stück wie zum Beispiel Mozarts Singspiel Bastien und Bastienne oder ein Ein-Personenstück wie La voix humaine von Francis Poulenc?

Andere Theater sind da entsprechend konsequenter. Das hessische Staatstheater Wiesbaden zum Beispiel brachte im Schauspiel unlängst Kammerspiele von Samuel Beckett, die in ihrem kafkaesken Anstrich gut zur Krisen-Zeit passen und vergleichsweise eben nicht eine Strichfassung von Goethes Faust, wie sie der Regisseur Michael Thalheimer vor Jahren am Deutschen Theater in Berlin im Formeleins- Tempo absolvierte. Ich hatte diesen Thalheimer-Faust damals gesehen und fand ihn – dies auch wegen des entemotionalisierten Herunterleierns der Texte – einfach gräulich. Welch‘ ein Kontrast dazu Peter Steins grandioser Faust-Marathon – ein Unterschied wie Tag und Nacht!

Bei alledem stellt sich noch die ganz andere Frage, ob nicht Rheingold an einem schöneren Berliner Ort mit mehr Publikum als 200 Leuten möglich gewesen wäre. Mir kommt es ein bisschen so vor, als hätten sich Intendanz und Mitwirkende zu stark der Politik unterworfen, wenn ich bedenke, dass sich an den Wochenenden zuvor mehrere tausend Demonstranten auf dem Alexanderplatz einfanden, ohne dass sich das gravierend auf die anhaltend niedrigen Infektionszahlen ausgewirkt hätte.

Jedenfalls kann es nicht schaden, Dinge selbst in die Hand zu nehmen und kritisch infrage zu stellen. Niemandem wird etwas hinterher getragen, wer sich nicht auf die Hinterbeine stellt, geht in der Regel leer aus. Wer kühner ist, erreicht oftmals mehr, was uns gerade auch Festivals im Ausland lehren: Die Salzburger Festspiele stemmen zum Erstaunen Vieler ein weit größeres und ambitioniertes Programm als man erwartet hätte. Riccardo Muti und seine Frau Cristina Mazzavillani Muti haben ihr Festival in Ravenna durchgesetzt und dafür musste sie, wie Muti in einem Interview berichtete, hart mit den Behörden kämpfen.

Muti ist überhaupt ein mutiger Künstler, der es sich nicht nehmen ließ, als einer der ersten nach Daniel Barenboim nach dem Lockdown die Wiener Philharmoniker zu leiten. Bei der Gelegenheit mahnte er offenbar, wie in Rezensionen dieses Konzerts nachzulesen ist, die Politik, die Kultur nicht zu vernachlässigen, und pflichtete auch jenen Ärzten bei, die infamer Weise schon als „Verschwörungstheoretiker“ bezeichnet wurden, weil sie zu dem Ergebnis kamen, dass der Mund-Nasenschutz mehr der Gesundheit schadet als nützt. Muti untermauerte dies, indem er als Einziger im Saal keine Maske trug.

Übermorgen wird Muti das Eröffnungskonzert in Ravenna unter freiem Himmel in der venezianischen Festung Rocca Brancaleone dirigieren. Ich hoffe und wünsche mir, dass er da auch wieder mutige Worte an das gebeutelte Italien richtet. Und am besten auch auf die gesundheitlichen Schäden der umstrittenen 5G-Technologie im Mobilfunk spricht, vor der Experten warnen, weil die damit verbundene hohe Strahlenbelastung Menschen, Tiere und Pflanzen gleichermaßen schädigt. Schon an vielen 5G-Antennen wurden tote Bienen und Vögel gefunden, und dass es in Italien ungleich mehr Corona-Tote als in Deutschland gab, hängt womöglich gar damit zusammen. Allerdings ist 5G in Deutschland gerade groß im Kommen, hat doch die Telekom während Corona in Deutschland mehr als 40.000 solcher Antennen installiert. Alarmierende Worte wären also mehr als wünschenswert!

Kaum meinen Augen getraut habe ich übrigens, als ich las, dass Muti tatsächlich bei den Salzburger Festspielen – wieder mit den Wiener Philharmonikern – Beethovens Neunte zur Aufführung bringen wird, selbstredend ohne Kürzungen, mithin also auch mit Solisten und Chor! Wahnsinn! Leute, nehmt Euch ein Beispiel an diesem Mann! Wer nichts wagt, der nicht gewinnt.

Kirsten Liese, 19. Juni 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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Kirsten Liese

Die gebürtige Berlinerin Kirsten Liese (Jahrgang 1964) entdeckte ihre Liebe zur Oper im Alter von acht Jahren. In der damals noch geteilten Stadt war sie drei bis vier Mal pro Woche in der Deutschen Oper Berlin — die Da Ponte Opern Mozarts sowie die Musikdramen von Richard Strauss und Richard Wagner hatten es ihr besonders angetan. Weitere Lieblingskomponisten sind Bruckner, Beethoven, Brahms, Schubert und Verdi. Ihre Lieblingsopern wurden „Der Rosenkavalier“, „Die Meistersinger von Nürnberg“, „Tristan und Isolde“ und „Le nozze di Figaro“. Unvergessen ist zudem eine „Don Carlos“-Aufführung 1976 in Salzburg unter Herbert von Karajan mit Freni, Ghiaurov, Cossotto und Carreras. Später studierte sie Schulmusik und Germanistik und hospitierte in zahlreichen Radioredaktionen. Seit 1994 arbeitet sie freiberuflich als Opern-, Konzert- und Filmkritikerin für zahlreiche Hörfunk-Programme der ARD sowie Zeitungen und Zeitschriften wie „Das Orchester“, „Orpheus“, das „Ray Filmmagazin“ oder den Kölner Stadtanzeiger. Zahlreiche Berichte und auch Jurytätigkeiten führen Kirsten zunehmend ins Ausland (Osterfestspiele Salzburg, Salzburger Festspiele, Bayreuther Festspiele, Ravenna Festival, Luzern Festival, Riccardo Mutis Opernakademie in Ravenna, Mailänder Scala, Wiener Staatsoper). Als Journalistin konnte sie mit zahlreichen Sängergrößen und berühmten Dirigenten in teils sehr persönlichen, freundschaftlichen Gesprächen begegnen, darunter Dietrich Fischer-Dieskau, Elisabeth Schwarzkopf, Mirella Freni, Christa Ludwig, Catarina Ligendza, Sena Jurinac, Gundula Janowitz,  Edda Moser, Dame Gwyneth Jones, Christian Thielemann, Riccardo Muti, Piotr Beczala, Diana Damrau und Sonya Yoncheva. Kirstens Leuchttürme sind Wilhelm Furtwängler, Sergiu Celibidache, Riccardo Muti und Christian Thielemann. Kirsten ist seit 2018 Autorin für klassik-begeistert.de .

5 Gedanken zu „Lieses Klassikwelt 40: Kürzungen oder wer nichts gewagt, der nicht gewinnt“

  1. Schade. Schöner Beitrag – bis zu dem Moment, wo sie bei 5G und den armen Singvögelein ins Abenteuerland abgebogen sind.

    Herr oder Frau Zeckert

  2. Werter Herr oder Frau Zeckert,
    über die Brisanz der gesundheitsschädlichen Wirkung von 5G, die auch Sie betrifft, scheinen Sie nicht informiert zu sein. Ich empfehle Ihnen deshalb, darüber selber einmal zu recherchieren.
    Sachkundige Informationen dazu finden Sie zum Beispiel hier:

    https://www.diagnose-funk.org/publikationen/artikel/detail&newsid=1220

    https://kompetenzinitiative.com/forschungsberichte/gesundheitsschaedigende-effekte-der-strahlenbelastung/

    https://www.youtube.com/watch?v=AEmR9uU1cho&t=440s

    https://www.emfdata.org/de/studien/detail?id=521

    Und im Übrigen: Ja, das Leben der Vögel, nicht nur der Singvögel, liegt mir am Herzen. Sie haben genauso ein Recht auf Leben wie ich und Sie.

    Schöne Grüße, Kirsten Liese

    1. Der 5G-Technologie stehe ich ebenfalls äußerst skeptisch gegenüber. Was allerdings soll diese mit der Zahl der Corona-Toten in Italien zu tun haben?

      Bei der Maskenpflicht sehe ich ganz anders. Fakt ist, dass überall dort, wo die Maskenpflicht besteht, die Zahl der Corona-Fälle deutlich niedriger ist als dort, wo dies nicht der Fall ist. Das hat man als erstes in Jena gesehen, kurze Zeit später dann auch in Österreich. Ich persönlich habe fest vor, im Gewandhaus nächstes Wochenende meine Maske die ganze Zeit aufzulassen, selbst während des Konzerts. Allein schon, um ein Zeichen zu setzen.

      Zum Rheingold auf dem Parkdeck: Ich verstehe wirklich nicht, warum man jetzt ausgerechnet das spielen muss, was im Original definitiv nicht mit den Corona-Regeln zu vereinbaren ist. Ich glaube aber, dass das Publikum, das mehrheitlich ganz anders sieht. Man bedenke, dass man für einen Abend abgespeckter Opernarien in Wien fast das Dreifache loswerden musste wie für ein Kammermusikkonzert der Wiener Philharmoniker. Was will man denn bitte mehr als Beethoven Trios mit Albena Danailova und Tamás Varga? Und auch in der Lindenoper: Hier steht, im September, auf dem bereits angepassten Spielplan Ariadne auf Naxos. Von dem von mir befürchteten Ansturm auf die (wenigen) Karten ist bislang nichts zu merken. Und warum die Hörplätze immer am aller schlechtesten weggehen, dafür habe ich sowieso null Verständnis. Wahrscheinlich bin ich der Einzige im Publikum, der das was im Orchestergraben und auf der Dirigentenkamera zu sehen ist genau wo interessant findet wie das, was auf der Bühne passiert.

      Johannes Fischer

  3. Sehr geehrter Herr Fischer,

    zu Ihren Bemerkungen und Fragen müsste ich zu Ihrem Verständnis weit ausholen, aber das würde wohl an dieser Stelle zu weit führen, ich will versuchen, mich deshalb möglichst kurz zu halten:
    Es gibt Bücher und zahlreiche Recherchen, die darauf hindeuten, dass die Infektions- und Sterblichkeitsdaten, die täglich in den Nachrichten verbreitet werden, anzuzweifeln sind. Ein Arzt und Epidemiologe, der diesbezüglich sehr viel zu sagen und korrigieren hat, ist Dr. Sucharit Bhakdi (sein Buch „Corona Fehlalarm“ rangiert mittlerweile auf der Spiegel-Beststellerliste auf Platz 1, https://www.spiegel.de/kultur/literatur/bestseller-taschenbuch-sachbuch-a-4ce7bbd7-b8a5-41f6-ba72-f1e95cd06fe3). Aber auch das ZDF hat schon vor geraumer Zeit eine mutige Reportage gebracht, aus der hervorgeht, dass die Statistiken, die das Robert-Koch-Institut veröffentlicht, dessen Namensgeber übrigens eine höchst unrühmliche Geschichte in der NS-Zeit spielte, vorne und hinten nicht stimmen. (https://www.zdf.de/politik/berlin-direkt/berlin-direkt-clip-1-380.html)

    Darüber hinaus habe ich mich mit dem 86 Seiten langen Papier von Stefan Kohn beschäftigt, dem Referenten von Herrn Seehofer aus dem BMI, dem übel mitgespielt wurde, nachdem er die Corona-Maßnahmen der Regierung kritisierte (übrigens auch im Hinblick auf gesundheitliche Schäden bedingt durch das Tragen von Masken), dies auch unterstützt von einem Gremium anderer Experten und Wissenschaftler.
    Nun zu Ihrer Frage, was Italien mit 5 G zu tun hat. Auch dort regen sich mittlerweile – sogar im Parlament (Reden u.a. von Sgarbi Scatenato https://www.youtube.com/watch?feature=youtu.be&v=n_P5IuSLEVo&fbclid=IwAR3bAPM3mgh9X7FH0tJxfjRkB0cfhLTMbnUpYzN_4xTGz3Ha6RHk6_MIVtw&app=desktop) – Zweifel, ob tatsächlich so viele Menschen an Covid19 gestorben sind oder an anderen Ursachen. Und hier wiederum könnte es sein, dass 5 G bei den Todesursachen eine Rolle gespielt haben könnte. Ein furchtbarer Verdacht, aber ich kann es nicht ausschließen. Jedenfalls ist das 5 G-Netz in Italien wie übrigens auch in China – weitflächiger ausgebaut.
    Zur Maske lassen Sie mich noch anmerken: Sie nützt leider nichts, da die Viren durch den Stoff hindurch gelangen können. Nachzulesen bei den Ärzten für Aufklärung.

    Kirsten Liese

  4. PS: Kleine Korrektur an meiner Replik: Nicht Robert Koch selbst, sondern das nach ihm benannte Institut beteiligte sich mit Menschenversuchen an nationalsozialistischen Gewaltverbrechen. Koch selbst lebte zu der Zeit nicht mehr, soll allerdings im Kolonialismus auch Menschenversuche durchgeführt haben. Angesichts dieser Geschichte ist die heutige Bedeutung dieses Instituts schon bemerkenswert.

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