Garsington Opera 2023 © Dr. Charles Ritterband
Wer meint, dass die komischen Opern der musikalischen Genies Mozart und Rossini nach mehr als zwei Jahrhunderten unzähliger Publikumserfolge dringend eines pseudo-intellektuellen Aufgusses fehlgeleiteter Regisseure bedürfen, um beim heutigen Publikum anzukommen, irrt, aber gewaltig:
Zuletzt ließ ich an der Wiener Volksoper Mozarts „Entführung“ über mich ergehen und erlitt kurz danach einen Herzinfarkt (kein Witz!): Manche sagen, post hoc propter hoc, die Ursache sei jene grässliche Inszenierung gewesen… Jedenfalls: Rossinis „Barbier“ in der sprühenden aber völlig konventionellen Inszenierung der Garsington Opera an einem herrlichen Sommerabend inmitten einer üppig grünen englischen Hügellandschaft war, diese berühmteste aller Rossini-Opern, wie ein Glas prickelnder Champagner (der ja neuerdings statt in der französischen Champagne im Süden Englands erfolgreich angebaut wird), während die prätentiöse Mozart-Inszenierung an der Wiener Währingerstraße eher wie ein Kelch Rizinusöl schmeckte: mit entsprechend Konsequenzen.
Garsington Opera, 7. Juli 2023
Gioachino Rossini
Il barbiere di Siviglia o L’inutile precauzione
Libretto: Cesare Sterbini nach Beaumarchais
In italienischer Sprache
Dirigent: Douglas Boyd
Regie: Christopher Luscombe
Bühne: Simon Higlett
Licht: Howard Hudson
The English Concert
Chor der Garsington Opera
von Dr. Charles Ritterband
Stolz erklären der Regisseur dieser Aufführung (Christopher Luscombe) und der Bühnenbildner Simon Higlett, sie seien eigens nach Sevilla gereist, um den Spiritus Loci auf sich wirken zu lassen und Kulissen für ein „authentisches“ (sie sagen: erkennbares, „recognisable“) Sevilla auf die Bühne von Garsington inmitten der typisch englischen „Countryside“ zu bringen. Das ist zweifellos gelungen.
Sie verlagern diese Inszenierung aus der Entstehungszeit (Uraufführung 1816) um mehr als ein Jahrhundert, auf das Jahr 1929, als die großartige Weltausstellung in Sevilla abgehalten wurde, welche Sevilla viele bemerkenswerte Bauten im Art-Déco-Stil bescherte: Es war, wie der Regisseur im Progammheft feststellt, das „annus mirabilis“, jenes „wunderbare Jahr“ für diese einzigartige andalusische Stadt, Schauplatz von drei der berühmtesten Opern aller Zeiten – von Mozarts „Nozze“ über Bizets „Carmen“ bis eben Rossinis „Barbiere“. Eine gute Idee, konsequent durchgeführt, von den Kostümen der Darsteller bis hin zum wohl intendiert neureich-geschmacklosen Art-Déco Intérieur von Doktor Bartolos protziger Villa. „Gioachino Rossini, Il barbiere di Siviglia o L’inutile precauzione
Garsington Opera, 7. Juli 2023“ weiterlesen