Daniela Köhler, die Sängerin, die Siegfried das Fürchten lehrt

Richard Wagner, Siegfried  Festspielhaus Bayreuth, Bayreuther Festspiele, 28. August 2022

Daniela Köhler (Brünnhilde). Foto: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Man hatte fast den Eindruck, die Leute haben nur „aus Prinzip“ Buh gerufen, weil kein feuerspeiender Drache auf der Bühne zu sehen war. Liebes Publikum: Buh-Rufe sind mehr als legitim in der Welt der Oper. Aber bitte vorher einmal über die Inszenierung nachdenken.

Festspielhaus Bayreuth, Bayreuther Festspiele, 28. August 2022

Siegfried
Musik und Libretto von Richard Wagner

von Peter Walter

Es ist eine gewaltige Vorlage, die Wagner für Brünnhildes Erwachen komponiert hat. Noch mächtiger ist nur diese Brünnhilde selbst, Daniela Köhler. Als Mumie aus einer leuchtenden Pyramide befreit, öffnet sie die Augen und singt wie eine Sonnengöttin. Ihre Stimme brilliert durch den ganzen Saal, singt Andreas Schagers Siegfried gar in Grund und Boden. Mehr als verständlich, dass der bislang furchtlose Held vor ihr erschrickt.

Der Titelheld hatte zweieinhalb Aufzüge lang alle brutal an die Wand gesungen, seinen Ziehvater Mime (Arnold Bezuyen), das Orchester und den Wanderer (Tomasz Konieczny). Vor allem in der Schwertschmiedeszene im ersten Aufzug stieg er mühelos auf die hohen As und hüpfte als betrunkener Jugendlicher über die Bühne. Aber gegen seine Geliebte – und Tante übrigens –musste auch er kämpfen. Wie das ein Siegfried eben tut, ist er doch bislang furchtlos durchs Leben gehopst und hat nun die Kunst des Erwachsenseins erkannt.

Sein Opa – Wotan in der Gestalt des Wanderers – ließ sich von dieser niedersingenden Stimme nicht beeindrucken und sang souverän durch seine Rolle. Schaffen lässt ihn die Regie wenig, dafür viel schauen. Stimmt, das steht ja auch so im Libretto drin. Im gelben Sakko steht er auf der Bühne und schaut zu, seine schier endlosen Monologe rezitiert er stets mit dem Wissen, wie seine Gesprächspartner an seinem Enkel zu Grunde gehen werden. Ein frecher Sieger der Wissenswette, fast schon ein kleiner Dämon – das ist seine Rolle!

Tomasz Konieczny („Halbzeit“ – Wotan in „Die Walküre). Foto: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Auch dem weisen Schmid Mime gibt er Rat – vielleicht hätte er ihm auch mal sagen sollen, wie man mit Schagers Stahlkraft-Stimme umgehen kann. Denn so sehr Bezuyen sich in der Rolle des Zwergs bestens zurechtfinden konnte – man muss kein Wort zu verstehen und zu ahnen, dass Mime nichts Gutes will – stimmlich musste er sich seinem Ziehsohn im ersten Aufzug geschlagen geben. Ein sehr guter Mime, Schager war eine Nummer zu groß für ihn.

Alexandra Steiner (Waldvogel), Andreas Schager (Siegfried), Arnold Bezuyen (Mime), Branko Buchberger (der junge Hagen). Foto: Enrico Nawrath/Bayreuther Festspiele

Ganz anders Alexandra Steiners Waldvogel-Stimme, von der sich Siegfried gar belehren lässt. Er hört ihr zu, nimmt ihren Rat, lässt ihr Platz, um ihre luftige, flötenartige Stimme voll zu entfalten. Und mit dem Waldvogel als junge Frau wird auch Siegfrieds Furcht vor Brünnhilde endlich logisch. Er erschrickt nicht, weil er ein Weib sieht – die Erfahrung hat er ja bereits in Fafners Villa gemacht. So richtig umgehauen ist er erst, als er seine Braut wach küsst. Vor der Frau hat er keine Angst, vor „der Liebe ersten Kuss“ – wie Parsifal wohl auch – schon.

Angst haben müssten alle SängerInnen eigentlich auch vor diesem gewaltigen Orchester – vor allem der Beginn des dritten Aufzugs gelingt Cornelius Meister sehr wuchtig, gar überwältigend, als stünde man inmitten der Kräfte der Natur im Reich der Erdgöttin. Aber bei allen rauscherregenden Wagner-Klänge, die aus dem Graben kamen, war das Orchester immer in Harmonie mit der Bühne, niemand wurde überspielt. Die beste Leistung von Meister in dieser Spielzeit war die (vor-)letzte!

Am Spannesten – auch angesichts der hitzigen Diskussionen über die Inszenierung – waren natürlich die Publikumsreaktionen. Buh-Rufe gabs wieder reichlich– offensichtlich für die Regie. Bei aller berechtigter Kritik an dieser Ring-Inszenierung: Der dritte ist mit Abstand der durchdachteste Teil der Tetralogie, mit starken Bildern und klugen Einfällen bringt Valentin Schwarz die Handlung aus dem 19. in das 21. Jahrhundert. Man hatte fast den Eindruck, die Leute haben nur „aus Prinzip“ Buh gerufen, weil kein feuerspeiender Drache auf der Bühne zu sehen war. Liebes Publikum: Buh-Rufe sind mehr als legitim in der Welt der Oper. Aber bitte vorher einmal über die Inszenierung nachdenken.

Peter Walter, 3. September 2022 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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