Foto: Ensemble Oktopus 2023 (c) Gregory-Giakis
The Flaming Fire
Ensemble Phoenix Munich
Besetzung
Ensemble Phoenix Munich
Viola da Gamba Hille Perl
Viola da Gamba Marthe Perl
Colin Balzer Tenor
Joel Frederiksen Bass, Laute, Erzlaute, Leitung
Allerheiligen-Hofkirche
in der Münchner Residenz, München, 11. Februar 2023
von Frank Heublein
An diesem Abend wird in der Allerheiligen-Hofkirche in der Münchner Residenz das Feuer besungen. Feuer zieht sich durch alle Songs aus der Renaissance und des Barock, die ich an diesem Abend höre.
Der Abend beginnt mit einer Introduktion der beiden Gambenspielerinnen. Die Tochter Marthe Perl hat diese aufwallende Komposition geschrieben. Ein züngelndes aufloderndes Feuer. Vom ersten Ton höre ich, was mir Hille Perl nach dem Konzert bestätigt: es macht viel Spaß, vor Publikum zu musizieren. Diesen Spaß spüre ich auf der Bühne den ganzen Konzertabend bei allen vier Interpreten.
Durchgängig haben die beiden Stimmen und die Instrumente eine grandiose Abstimmung. Eine Harmonie die ich auch jenseits der bloßen musikalischen erspüre.
Etwa bei „If thou longst so much to learn“ von Thomas Campion. Colin Balzer mit verspielter Tenorstimme. Joel Frederiksen folgt Balzers führender Stimme. Zuerst werden die beiden von den Gamben begleitet. Dann singen eine Strophe die beiden a cappella. Die Stimmen schmiegen sich geradezu aneinander. Ein erstes Mal lässt Balzer sein schauspielerisches Talent aufblitzen, im Finale singt er lustvoll manieriert.
Im Campion Song „Faire if you expect admiring“ klingen Balzer und Frederiksen äußerst lebhaft und agil. Sie singen von der erwarteten Anbetung, die Stimmen klingen nach „na dann, mal los“.
„Before the Greeks durst enterpryse“ ist sehr abwechslungsreich, beginnt mit Balzers Tenoreinsatz, die Marthe Perl auf der Gambe begleitet. Die zweite Gambe setzt ein, dann kommt es zum Duett zwischen Tenor und Bass. Erneut phänomenal in der Abstimmung. Wohlig weich sind die gesungenen Töne.
Der zweite Teil nach der Pause konzentriert sich auf Maskenspiele, einer der Oper vorangehenden Kunstform. Die beiden Gambistinnen kommen auf die Bühne. Und von hinten kommt Joel Frederiksen singend auf zur Bühne vorgeschritten. So düster der alternative Titel „The Dead Host’s Welcome“, so gruselig der Text „Trinkt und genießt das Leben, und ich werden lächeln, obwohl unter der Erde“, so durchbohrend blickt und singt Joel Frederiksen in die Menge.
Vor „The excellency of wine“ rumpelt es am linken Bühnenrand. Balzer zeigt großes komödiantisches Talent. Er stürzt-torkelt polternd mit einer Flasche Wein in der Hand auf die Bühne. Ein lustiges Stück, indem Tenor und Bass die Vorteile des Weins besingen: „Es ist der Wein, der inspiriert und das Feuer der Liebe löscht! Er lehrt die Idioten zu regieren“. Mir scheint, dieses Lied ist unter demselben Einfluss geschrieben worden.
„That flame is born of earthly fire“ singt Joel Frederksen elegisch und begleitet sich selbst dazu auf seiner Erzlaute: „Eine edle Liebe bleibt beständig, selbst in Momenten der Verzweiflung“.
„Faronell’s Ground“ ist ein weiteres Highlight des Konzerts. Hille und Marthe Perl spielen ein spannungsgeladenes Gambenduett. Voller Energie und sehr pointiert.
In den beiden Stücken „A little of one with t’other“ und „Underneath this Myrtle Shade“ zeigen Balzer und Frederiksen erneut die dichte reine Harmonie ihrer beiden Stimmen. Letzteres endet in der tiefsten Lage des Basses.
Mein Herz flammt über beide Ohren. Kurzweilig, abwechslungsreich und intensiv ist dieses Programm. Ich höre es zum zweiten Mal nach 2018. Ich erinnere mich an das erste Konzert und einen Stich gibt mir diese Erinnerung.
Timothy Leigh Evans war in 2018 der Tenor an der Seite von Joel Frederiksen und Hille und Marthe Perl. Dieser wunderbare Musiker verstarb an den Folgen eines Herzinfarktes in 2019. Colin Balzer ersetzt Timothy Leigh Evans nicht, er macht das auf seine Weise. Und doch: die stimmliche Harmonie mit Joel Frederiksen ist bei beiden eine außergewöhnliche. Was daran liegen mag, dass sich die vier Künstler an diesem Abend ganz auf die Musik einlassen, in ihr aufgehen.
Frank Heublein, 12. Februar 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Programm
Prelude Feuer Marthe Perl (*1983)
Fire, fire Thomas Campion (1567-1620)
Be thou then my beauty named Thomas Campion (1567-1620)
Beauty is but a painted hell Thomas Campion (1567-1620)
If thou longst so much to learn Thomas Campion (1567-1620)
Beauty, since you so much desire Thomas Campion (1567-1620)
Faire if you expect admiring Thomas Campion (1567-1620)
Flag of Fire, irisches Volkslied (Bearbeitung Hille Perl)
Fair Sally (A young Irish Lady) Anonym (Bearbeitung Joel Frederiksen)
A new Irish Tune Henry Purcell (1659-1695)
Ane Exempill of Tripla Anonym, schottisch
Before the Greeks durst enterpryse Anonym, schottisch
Galliard Anonym, Dublin Virginal Book, ca. 1570
Kate of Edenbrough: A Scotch Song to the King Thomas d’Urfey (1653-1723)
The Flaming Fire Anonym, schottisch
’Tis late and cold (oder: The Dead Host’s Welcome, Text von John Fletcher) Robert Johnson (1580-1633)
The Cuckolds Masque Anonyme Tänze, British Library Ms 10444
The excellency of wine Henry Lawes (1596-1662)
The Apes Dance at the temple Anonyme Tänze, British Library Ms 10444
That flame is born of earthly fire Henry Lawes (1596-1662)
Faronell’s Ground (Folia; The Division Violin, 1684) Michel Farinel (1649-1726)
A little of one with t’other (To the Scotch Tune of Cold and Raw) Thomas d’Urfey (1653-1723)
May her Blest example (A Song on the late Queen) Henry Purcell (1659-1695)
Underneath this Myrtle Shade Henry Purcell (1659-1695)
Stingo, or The Oil of Barley, or Cold and Raw John Playford (1623-1686/7)
- Zugabe Love and Wine
- Zugabe Stingo
Ensemble Phoenix Munich, Joel Frederiksen, St. Johannes München, 26. Juli 2020
Ensemble Phoenix Munich, Bayerisches Nationalmuseum, 17. November 2019