Mozarts „Don Giovanni“ Unter den Linden: Acht Personen suchen einen Regisseur

Wolfgang Amadeus Mozart, Don Giovanni, br> Staatsoper Unter den Linden Berlin,  2. April 2022 Premiere

Foto: Michael Volle (Don Giovanni), Serena Sáenz (Zerlina), David Oštrek (Masetto), Slávka Zámečníková (Donna Anna) und der Staatsopernchor © Matthias Baus

Staatsoper Unter den Linden Berlin,  2. April 2022   Premiere

Wolfgang Amadeus Mozart
Don Giovanni

Dramma giocoso in zwei Akten (1787)
Text von Lorenzo Da Ponte

Daniel Barenboim Dirigent

Staatskapelle Berlin
Staatsopernchor

von Peter Sommeregger

Das größte Ärgernis dieses Premieren-Abends an der Berliner Staatsoper ist das verschenkte Potential, das zur Verfügung gestanden hätte. Acht großartige Mozartsänger auf einen Streich, wann und wo könnte man so aus dem Vollen schöpfen? Aber was nützen die guten Sänger, wenn sie zum Rampensingen gezwungen sind, wenn es an der helfenden Hand eines fähigen Regisseurs fehlt. Und wenn aus dem Graben kein Impuls kommt?

Die ersten beiden Tutti-Schläge der Ouvertüre stimmen noch hoffnungsfroh, aber nach wenigen weiteren Takten ist klar, dass Daniel Barenboim sich abermals in dröger Selbstgefälligkeit ergehen wird, das nunmehr vierte Jahrzehnt (!) seiner GMD-Position am Haus beginnt nicht gerade hoffnungsfroh.

Als dritter und letzter Teil der Da Ponte-Trilogie steht der „Don Giovanni“, die „Oper aller Opern“ auf dem Programm. Nachdem der französische Regisseur Vincent Huguet bereits die „Nozze di Figaro“ und „Così fan tutte“ einfallslos und mit gewöhnungsbedürftigem Geschmack inszeniert hat, waren die Erwartungen nicht gerade hoch gespannt. Und eineinhalb Akte passiert auf der Bühne dann auch so gut wie nichts, hilflose Arrangements wechseln mit reiner Rampenbespielung. Die Handlung ist in die Gegenwart verlegt, Don Giovanni ist ein erfolgreicher, nicht mehr junger Starfotograf, was aber ohne jeglichen Erkenntnisgewinn für das Stück ist. Der Mann wird eigentlich ständig mehr von Frauen bedrängt, als dass er selbst als Verführer tätig wird.

Man rechnet schon mit keiner größeren Überraschung mehr, als man sich in der Friedhofszene auf einmal in einem Beerdigungsinstitut findet, in dem Giovanni schon einmal in einem Sarg „Probe liegt“. Das mag noch angehen, aber im weiteren Verlauf muss Donna Anna ihre zweite Arie singen, während eine Mitarbeiterin des Beerdigungsinstitutes sie zur Auswahl eines Sarges und des Blumenschmuckes für die Trauerfeier ihres Vaters nötigt. Huguet ist so verliebt in seine schlechte Idee, dass er sie bis zur Schluss-Szene ausweitet, und so das Finale der Oper ziemlich in den Sand setzt.

Die drei Frauenrollen sind mit Elsa Dreisig (Donna Elvira), Slávka Zámečníková (Donna Anna) und Serena Sáenz (Zerlina) ausgezeichnet besetzt. Einziges, kleines Manko: das Timbre der drei Soprane ist sehr ähnlich, was den Ensembles ein wenig an Klangvielfalt nimmt.

Serena Sáenz (Zerlina), Michael Volle (Don Giovanni) und Elsa Dreisig (Donna Elvira)
Credits: Matthias Baus

Michael Volle in der Titelrolle singt über weite Strecken ausgezeichnet, ist aber als Typ total fehlbesetzt. Es ist bezeichnend, dass ihm ausgerechnet die Champagner-Arie und das Ständchen nicht recht gelingen wollen, da fehlt es an Geschmeidigkeit und erotischer Ausstrahlung. Man hätte besser ihn und den schlanken, agilen Leporello des Riccardo Fassi die Rollen tauschen lassen. Was diesen Don Giovanni gefährlich und unwiderstehlich macht, kann Volle in jovialer Tanzbär-Manier keinen Augenblick glaubhaft machen.

Michael Volle (Don Giovanni)
Credits: Matthias Baus

Peter Rose ist ein souveräner Commendatore, ein wenig neigt sein dunkler Bass aber bereits zum Tremolo. Kantig in Figur und Gesang ist David Oštreks Masetto, Bogdan Volkov als Ottavio lässt seinen sehr lyrischen Tenor strömen und sorgt mit für die vokal schönsten Momente des Abends.

Jeder Regisseur sucht sich Bühnen- und Kostümbildner nach seinem Geschmack. Daher kann es nicht verwundern, dass die Bühne von Aurélie Maestri nur mit schiefergrauen Wandelementen bestückt wird, und die Kostüme von Clémence Pernoud von farbloser Beliebigkeit sind.

Bei so geballter szenischer Unterbelichtung kann sich das Drama nicht entfalten, da auch von Seiten des Dirigenten keine Akzente oder Impulse kommen, versinkt der Abend trotz vokaler Glanzlichter im Grau der Bühnenbilder. Selten hat man diese große Oper als so langatmig empfunden.

Peter Sommeregger, 3. April 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Don Giovanni
Michael Volle

Donna Anna
Slávka Zámečníková

Don Ottavio
Bogdan Volkov

Commendatore
Peter Rose

Donna Elvira
Elsa Dreisig

Leporello
Riccardo Fassi

Masetto
David Oštrek

Zerlina
Serena Sáenz

Inszenierung
Vincent Huguet

Bühnenbild
Aurélie Maestre

Kostüme
Clémence Pernoud

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