Schweitzers Klassikwelt 56: Korngolds „DIE TOTE STADT“ am 12. Januar 2017 in der Wiener Staatsoper

Schweitzers Klassikwelt 56: Korngolds „DIE TOTE STADT“ am 12. Januar 2017 in der Wiener Staatsoper,  klassik-begeistert.de

Bühne: Pier Luigi Pizzi  –  Fondazione Teatro La Fenice di Venezia

Als wir (noch) nicht „Merker“ und „Blogger“ waren – Erinnerungen an schöne musikalische Erlebnisse

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Am 27. Dezember 1985 erlebte ich meine erste „Tote Stadt“ in der Übernahme von Bühne und Kostümen der DOB an die Wiener Staatsoper und dreizehn Jahre später genau auf den Tag, dieses Mal schon gemeinsam mit meiner Frau, das zweite szenische Erlebnis in Köln. Dann wurden die Abstände zwischen den Aufführungen kürzer, fünf, ein, zwei Jahre, meist in Opernhäusern außerhalb von Österreich, Berlin, New York City Opera, Teatro La Fenice.

Bühne: Pier Luigi Pizzi – Fondazione Teatro La Fenice di Venezia

Doch nach Venedig vergingen acht Jahre, eine zu lange Zeit für ein Werk, das allmählich eine unsrer Lieblingsopern wurde. Es war uns jetzt ein Anliegen, Karten für einen Abend der nur vier Aufführungen zählenden Staffel, nach fast acht Jahren Aufführungspause an der Wiener Oper, zu besorgen. Im persönlichen Archiv die siebente Aufführung, die wir je gesehen haben, nach dem Archiv der Wiener Staatsoper die 21. Aufführung der Neuinszenierung vom 12. Dezember 2004.

Klaus Florian Vogt war als Paul angesagt – und musste absagen. Herbert Lippert durfte wieder einmal Retter in der Not sein. Als Bacchus war er uns nicht göttlich in Erinnerung. Und trotzdem, als wir die Hiobsbotschaft erfuhren, dachten wir spontan: „Diese Rolle liegt ihm bestimmt, als Paul können wir ihn uns gut vorstellen.“

Herbert Lippert als Paul, Wiener Staatsoper Foto: Michael Höhn

Neugierig waren wir auf Camilla Nylund. Für uns war die Künstlerin ein Debüt. Ein großartiger Eindruck! Besonders berührte uns ihre Erscheinung Mariens. Zugute kommt ihr, dass sie eine Strauss-Sängerin ist und auch mit Wagner Erfahrung besitzt, denn „filmmusikalische“  Anklänge an beide Komponisten findet man in dieser Korngold-Oper so manche.

Camilla Nylund als Marietta, Wiener Staatsoper Foto: Michael Pöhn

Warum so spät die erste Begegnung mit der Sopranistin? Unglücklich formulierte, zu wenig emphatische Rezensionen über ihre Salome wirkten auf uns nicht anziehend. „Camilla Nylund erfüllt die Anforderungen in einem hohen Maß.“ „Camilla Nylund gelingt es von Mal zu Mal besser.“ „… gerät aber in den insistierenden Extremhöhen an ihre stimmlichen Grenzen. Geschickt weicht sie des Öfteren in eine Art Sprechgesang aus.“

Adrian Eröd (Frank) Wiener Staatsoper Foto: Michael Pöhn

Für Adrian Eröds Karriere sind wir Zeugen der ersten Stunde. Sein Liederabend in der Kammeroper, sein Billy Budd der Neuen Oper Wien, Odeon 1997, sein Pelléas 1999 im Linzer Landestheater, … und dann einer seiner Sternstunden der Valentin 2008. Enttäuschender war sein Liederabend im Brahmssaal 2010 und der Eisenstein zu Silvester 2015 war auch noch nicht seine spätere Glanzrolle geworden. Jetzt konnten wir aufatmen, als Frank und Fritz wieder der „alte“ Eröd, seine Stimme ist etwas kräftiger geworden und von vorbildlicher Wortdeutlichkeit, was durch die Gesangslinie der Rolle mit bedingt ist. Das Pierrot-Lied brachte keine Steigerung, hier überdeckt Markus Brück (DOB 25.01.2004), der nur in der Rolle des Fritz eingesetzt war, in der Erinnerung „unseren“ Eröd.

Monika Bohinec © Lois Lammerhuber

Erwartet haben wir laut Vorankündigung Janina Baechle als Brigitta und waren dann hocherfreut am Abend im Aushang die hübsche Slowenin Monika Bohinec zu lesen, von der wir als Die fremde Fürstin („Rusalka“) einen ersten und nachhaltigen Eindruck gewonnen hatten. Entweder verklärt die Erinnerung oder vielleicht hat sie in dieser Rolle zu wenig Erfahrung, denn im Opernrepertoire ihrer Agentur Lore Bluemel ist die Partie nicht angeführt. Im Gegensatz zu Lippert las man in den Medien nichts von einem Einspringen. In den letzten beiden Vorstellungen der vierteiligen Staffel soll dann die Baechle singen. Am Dirigat des Mikko Franck, unter dessen Leitung einige MitbesucherInnen das Orchester als viel zu laut kritisierten, kann es nicht gelegen sein, da alle anderen SängerInnen sich gegenüber dem Orchester durchsetzen konnten. Übrigens das Gürzenich-Orchester in Köln klang ebenso lautstark.

Wieder verstand es „Die tote Stadt“, emotionell von uns Besitz zu ergreifen. Auch wenn die gefürchteten tenoralen Höhen vielleicht strahlender und leichter gesungen werden könnten, was bei den letzten zwei Vorstellungen mit Klaus Florian Vogt vielleicht der Fall sein wird, wir konnten mit Herbert Lippert mitfühlen und das ist das Wichtigste.

Sylvia hatte eine gute Idee. Bei der modernen Reproduktionstechnik könnte man die Bilder der Marie der jeweiligen Sängerin der Marietta anpassen.

Lothar und Sylvia Schweitzer, 22. Februar 2022 für
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Lothar und Sylvia Schweitzer

Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk  im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“

Schweitzers Klassikwelt 47: Benjamin Britten, Peter Grimes, Theater an der WienKlassik-begeistert.de 23. Oktober 2021

Erich Wolfgang Korngold „Die tote Stadt“, Wiener Staatsoper,  11. Februar 2022

DVD-Rezension: Erich Wolfgang Korngold, „Die tote Stadt“, Jonas Kaufmann, Marlis Petersen, Kirill Petrenko

 

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