klassik-begeistert.de wünscht allen Leserinnen und Lesern ein warm-wohliges, wonniges Weihnachtsfest. Mögen unsere täglichen Sorgen und Nöte an diesem Abend verschwinden durch liebe Gespräche, gute Musik sowie Frieden und Froh-Sinn auf unserem wunderschönen Erdball.
Bitte lesen Sie diesen wunderbar-humorvoll-heiteren Bericht unserer Autorin Dr. Petra Spelzhaus (Text und Fotos). Frohe Weihnachten wünscht Ihnen
Andreas Schmidt
Herausgeber
Wer erinnert sich nicht gerne an den großen Loriot mit seinen Weihnachtsepisoden der Familie Hoppenstedt aus dem Jahre 1978? Wie oft habe ich über die Sketche Tränen gelacht? Mittlerweile hat der Erdball schon unzählige weitere Male die Sonne umrundet, und auch Familie Hoppenstedt ist im 21. Jahrhundert angekommen.
Schalten wir uns also via Livestream in das Reihenmittelhaus der gutbürgerlichen Familie in einer mittelgroßen deutschen Großstadt. Mutter Lilo Hoppenstedt schmückt im Wohnzimmer liebevoll den Tannenbaum, 21 Amazon-Pakete werden sorgsam der Größe nach drapiert. Ihre Frau Muddi Wally Hoppenstedt werkelt derweil fleißig in der Küche. Ihr gemeinsames Kind Dicki, etwa 6 bis 10 Jahre alt, blondgelockt und mit runden Pausbacken, hockt im Kinderzimmer vor der Playstation und gibt Baller-Geräusche von sich. Im Gästezimmer lümmelt sich Opa Hoppenstedt, ein etwas krummes, hageres Männlein mit schief verrutschter Maske über dem weißen Bart, vor seinem alten Bildröhrenfernseher und beschallt das ganze Haus mit „Drei Nüsse für Aschenbrödel“.
„Früher war mehr Lametta“ tönt es aus dem Gästezimmer. „Och nee, Opa, nicht wieder die alte Leier!“ Mutter Hoppenstedt verzieht das Gesicht. „Das Zeug konnte ich schon in den 70er-Jahren nicht leiden. Denk an die ganzen Schwermetalle. Da haste gleich die Greta mit ihren „Fridays for Future“ am Hals. Und sieh doch, der Baum ist mit hübschen goldenen FFP 2-Masken geschmückt. Alles wieder verwertbar. Wenn du eine brauchst, kannst du sie dir einfach aus dem Baum pflücken.“ Opa energisch: „Ich will meine Geschenke!“ „Die gibt es, wenn wir alle beieinander sind.“ Mutter Hoppenstedt schaut sich fragend um: „Muddi, wo steckst du denn?“ „Iiii…Ich bin… hicks… in der Kirche… äh nein…. Küche… rülps…“
Mutter eilt im Stechschritt ins Nebenzimmer. Muddi sitzt – oder sollte man korrekterweise sagen: hängt – über dem Küchentisch vor ihrem Laptop inmitten eines Meeres an bunten Flaschen und halb gefüllten Gläsern. „Herrrrr Blümchen… von der Firma… wie hieß die noch…hicks?“ Muddi starrt fragend in den Rechner. „Palhuber und Söhne“ antwortet es aus dem Gerät: „Blümel mein Name. Wir zelebrieren gerade ein Online Gin Tonic Tasting, alles abgepackt, verkorkt und verschickt von der Firma Palhuber und Söhne. Möchten sie vielleicht auch probieren? Wir hätten da noch ein paar äußert erlesene Tröpfchen.“ „Danke, ich bin heute anders verplant. Muddi, komm endlich, wir wollen Bescherung machen!!!“ „Nur… noch einen… Cock…hicks…tail… Muss noch den Avo…cado-Gin… mit Toma…maaaten-Tonic prooo…bieren.”
Mutter rennt ins Weihnachtszimmer. „Dicki, wo bleibst du denn?“ „Kann nicht, mache Hausaufgaben.“ „Papperlapapp, du machst nie Hausaufgaben. Komm runter!“ Das Kind stapft missmutig die Treppe hinab ins hell erleuchtete Wohnzimmer. Die Gästezimmertür öffnet sich. Opa stolpert heraus. „Geh sofort wieder zurück! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du in Quarantäne bist, seit du auf dieser Corona-Demo die ganzen Idioten umarmt hast? Lass Dich endlich impfen, dann kannst Du auch mit uns feiern.“ „Aber dann werde ich doch unfruchtbar, hat dieser Wissenschaftler auf der Demo erzählt!“
Opa läuft weiß an und stampft trotzig zurück ins Gästezimmer. Er lugt aus dem Türrahmen: „Ist Dicki eigentlich ein Junge oder ein Mädchen? Wollte die Verkäuferin im Spielwarenladen wissen.“ Opa, das spielt doch keine Rolle. Das kann Dicki selbst entscheiden, wenn es volljährig ist. Nicht wahr, Dicki?“ Das Kind verdeckt mit seinen Händen die Augen und streckt die Zunge heraus. Muddi torkelt mit einer grünen Gin Flasche in der Hand aufs Sofa. „Jetzt, wo wir alle beieinander sind…“ proklamiert Mutter feierlich: „… kann Dicki endlich das Weihnachtsgedicht aufsagen. Was habt ihr denn in der Schule gelernt?“ „Weiß nicht. Das war im Online-Unterricht. Da war ich auf Klo.“ „Dann spiel uns doch was auf der Blockflöte vor.“ Dicki verzieht das Gesicht, als Mutter ihm den löchrigen Holzstab in die Hand drückt. „Fiep, fiiiiieeeps…!“ „Danke Dicki, das war wunderschön. Und jetzt gibt es die Geschenke. Was hast Du Schönes für Opa gebastelt?“
Dicki wirft ein knittriges Paket in den Türrahmen des Gästezimmers. Opa zerreißt ungeduldig das Papier. Seine Augen leuchten: „Lametta?“ Dicki: „Nee, Aluhut“. Mutter zeigt sich begeistert: „Oh wie schön, der schmückt dich besser als jede Wollmütze! Aber jetzt du, Dicki. Das große Paket ist von Opa.“ Das Kind zerfetzt das Papier. „Ein Windkraftwerk… Ich hatte mir doch das Atomkraftwerk gewünscht, das „Puff“ macht.“ Mutter beschwichtigt: „Die Atomkraftwerke sind seit Fukushima vom Spielzeugmarkt. Aber Windräder sind doch viel schöner und umweltfreundlicher. Wenn du ordentlich Wind machst, bewegen sich die Rotor-Blätter. Und hier sind ein paar hübsche Plüschvögelchen. Wenn die in den Windrädern landen, macht es „flappflappflapp“. Ist das nicht entzückend?“
Dicki pustet gegen die Blätter, nichts passiert. Da schaltet sich Opa im Nebenzimmer ein: „Unten im Keller liegt doch noch so‘n alter Heinzelmann Blassauger rum. Wie war das noch: Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutter sonst nur blasen…“ „Danke, Opa das reicht! In unserem Smarthome Programm ist ein Ventilator integriert, den man per App bedienen kann. Mit dem kann man wunderschön die Vögelchen in die Windräder pusten. Aber nun das Geschenk von Muddi und mir für dich.“
Mutter Hoppenstedt reicht Opa lächelnd sein Handy. „Was soll das? Da ist nichts zum Auspacken! Außerdem habe ich mir einen Plattenspieler gewünscht, mit dem ich meine Marschmusik hören kann!“ Opa stampft zornig auf. Mutter beruhigt ihn: „Das ist viel besser, ein Spotify-Abo. Damit kannst du deine ganze Lieblingsmusik hören. Wir haben dir schon ein paar Playlisten zusammengestellt.“
Opa drückt hektisch auf seinem Smartphone herum. „Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael…!!!!!“ tönt es aus sämtlichen Smarthome Lautsprechern. Alle zucken zusammen, nur Opa lauscht aufmerksam. „Was ist denn das für ein neumodischer Kram?“ „Das ist die Playlist Zapfenstreiche. Die hörst du doch so gerne.“ „Ich geh fernsehen. Gleich müsste doch die Weihnachtsansprache mit der ollen Merkel kommen.“ Mutter korrigiert: „Die Bundeskanzlerin spricht an Silvester. Die Weihnachtsansprache hält der Bundespräsident. Außerdem hat die Merkel ihr Amt abgegeben.“ Dicki ungläubig: „Und wer ist jetzt Kanzlerin?“ „Olaf Scholz.“ Dicki hält die Hände vor die Augen und streckt die Zunge raus.
Inzwischen ist Muddi unter einem Berg von Paketen und Geschenkpapier zusammengebrochen. Mutter Hoppenstedt und Dicki bauen das Windkraftwerk auf. „So Dicki, jetzt müssen sich nur noch die Windräder drehen. Hey Alexa, starte den Ventilator!“ Das Gerät heult auf, die Plüschvögel wehen wild durch den Raum „flappflappflapp“, das Geschenkpapier hinterher, der Thermomix in der Küche dreht durch, der Saugroboter flitzt durch sämtliche Zimmer, „Du hast den Farbfilm vergesssen…!!!!“ dröhnt es in Überschalllautstärke, die Rollläden knallen rauf und runter, Lichter flackern, werden grell, mit einem Knall erlischt der Tannenbaum, alles wird zappenduster. Unter dem Paketberg hört man Muddi andächtig lallen: „Sti…hille Naacht“.
In diesem Sinne wünschen wir allen Lesern frohe, besinnliche Weihnachten!
Dr. Petra Spelzhaus, Heiligabend, 24. Dezember 2021, für
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Dr. Spelzhaus Spezial 8: Musik und Medizin – Weihnachtsedition klassik-begeistert.de