Foto: Christian Thielemann. © Matthias Creutziger
Musikverein Wien, Goldener Saal, 30. Mai 2022
Sächsische Staatskapelle Dresden
Christian Thielemann
Felix Mendelssohn-Bartholdy: Symphonie Nr. 3 in a-moll op. 56 “Schottische”
Alexander Zemlinsky: Lyrische Symphonie für Sopran, Bariton und Orchester op. 18
Julia Kleiter, Sopran
Adrian Eröd, Bariton
von Herbert Hiess
Im Rahmen einer Europatournee können auch die Wiener Musikfreunde und Thielemann-Fans an einer Lehrstunde der deutschen Romantik teilhaben. Christian Thielemann, der Kapellmeister der Sächsischen Staatskapelle Dresden, wie er sich (fast zu bescheiden!) gerne nennen lässt, ist nicht nur ein exzellenter Musiker, sondern noch dazu ein charismatischer Erzähler von Meisterwerken.
Es ist gerade mal eine Woche her, wo sich der juvenile Dirigent Klaus Mäkelä im Wiener Konzerthaus bei einer Gesamtwiedergabe aller Symphonien Jean Sibelius präsentierte (https://klassik-begeistert.de/oslo-philharmonic-klaus-maekelae-dirigent-wiener-konzerthaus-grosser-saal-22-mai-2022/). Hier hatte der junge Mann zwar jede Menge Vorschusslorbeeren kassiert, die er absolut nicht einhalten konnte. Gerade Thielemann hat hier aktuell im Wiener Musikverein bewiesen, was eine Interpretation ist und wie man musikalische Ideen in Klänge umsetzen kann.
Das Programm der Tournee umfasst zwei Konzerte; eben dieses mit Werken Mendelssohns und Zemlinskys und dann Bruckners letzte ultimative Symphonie im anderen Konzert.
Mendelssohns „Schottische“ ist ein Ergebnis der Inspiration des Komponisten durch eine Schottland-Reise als junger Mann. Neben der berühmten „Hebriden“-Ouvertüre vertonte der Komponist hier alle Eindrücke der Highlands, der Menschen dort. Alle vier Sätze sind liedhaft komponiert und immer im Wechselspiel zwischen einer düsteren, schwermütigen Stimmung und heiteren, tänzerischen Einlagen. Genial, wie Thielemann mit dem Meisterorchester aus Dresden Pointen setzt (da hört man plötzlich eine Bratschensequenz, dort wieder die grandiosen Holzbläser; in der Durchführung des ersten Satzes die Wogen der See). Und das macht einen tatsächlichen Stardirigenten aus, der aus einer nicht allzu häufig gespielten Symphonie ein Ereignis macht.
Wie erklärt man einer nicht so kundigen Person Zemlinskys „Lyrische Symphonie“ – ein äußerst selten gespieltes Werk? Diese Komposition ist eine siebensätzige Symphonie mit Gesängen, die genial in die Musik eingebunden sind. Man merkt sofort, dass Zemlinsky vom Aufbau und Struktur von Gustav Mahlers „Lied von der Erde“ inspiriert worden sein musste. Vertonte Mahler hier Gedichte aus der Sammlung „Die chinesische Flöte“ (von Hans Bethge), setzte Zemlinsky Gedichte des Inders Rabindranath Tagore für die Sänger und großes Orchester. Man hört hier immer wieder Ähnlichkeiten zu eben Mahlers „Lied von der Erde“ und zeitweise auch zu Arnold Schoenbergs „Gurreliedern“. Manchmal glaubt man auch, Passagen aus Richard Strauss’ „Die Frau ohne Schatten“ zu hören. Die „Lyrische Symphonie“ ist im spätromantischen Stil verschwenderisch instrumentiert; in der Orchesterbesetzung sind alle Instrumente vorgesehen, die man sich da nur wünschen kann.
Richard Wagner bezeichnete einst das Dresdner Orchester als „Wunderharfe“; dem kann man sich nach der „Lyrischen Symphonie“ nur anschließen. Thielemann und das großartige Orchester machen auch aus diesem Werk einen gewaltigen Klangrausch. Der Maestro versteht es, auch eine Hundertschaft an Musikern kammermusikalisch klingen zu lassen. Noch dazu muss er zwei Solisten begleiten; den großartigen Sopran Julia Kleiter und den für Christian Gerhaher eingesprungenen Bariton Adrian Eröd. Dieser hatte es manchmal schwer, sich gegen die Orchestermassen zu behaupten, obwohl Thielemann immer wieder Rücksicht auf ihn nahm.
Ist der erste Abend schon so genial gelungen, kann man sich nur auf den zweiten Abend am 31. Mai 2022 mit Bruckners 9. freuen.
Wobei Thielemann und Bruckner sind das, was man heute als „Dreamteam“ bezeichnet. Und mit der Dresdner Staatskapelle kann das nur ein Fest werden.
Herbert Hiess, 31. Mai 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
CD-Rezension: Anton Bruckner, Dritte Sinfonie, Christian Thielemann, Wiener Philharmoniker
Christian Thielemann, Wiener Philharmoniker, Anton Bruckner, 8. Symphonie klassik-begeistert.de