Von SpreeTom – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=20726513
von Dr. Petra Spelzhaus
„Guten Morgen, guten Morgen, guten Morgen Sonnenschein…“ Mit diesem musikalischen Kleinod von Nana Mouskouri sowie einem dampfenden koffeinhaltigen Heißgetränk versuche ich wochenends gerne, meinen Lieblingsmenschen aus den Federn zu locken.
Meist bin ich damit erfolgreich. Schöner Nebeneffekt: Spotify bastelt uns dann gleich eine passende Playlist fürs Frühstück zusammen, Stil „heiter, Retro, Schlager interpretiert von Menschen aller Herren Länder“. Immer wieder tauchen Interpretationen von Nana Mouskouri auf.
Ich kenne sie alle. Fragt man mich nach dem Soundtrack meiner Kindheit, fällt sofort der Name der griechischen Schlagerbardin. Meine Mutter hatte eine verblüffende Ähnlichkeit mit der Sängerin und hätte sich ein beachtliches Zubrot als Double verdienen können – nicht nur wegen der beeindruckend dimensionierten Sehhilfe. Ich weiß, das hörte sie nicht gerne, war die Interpretin doch mehr als anderthalb Jahrzehnte älter als sie.
Meine Mutter besaß jede Nana Mouskouri-Schallplatte und beglückte uns in Heavy Rotation mit all ihren Gassenhauern. Ich gebe zu, ich wusste diese Art der Dauerberieselung wenig zu würdigen, empfand ich ihre Stimme damals als zu dünn und war höchst erfreut, wenn es mal ein Intermezzo mit Demis Russos oder Harry Belafonte gab.
Auf jeden Fall wurde ich in Kindertagen durch den musikalischen Passiv-Konsum zu einer Mouskouri-Expertin und konnte alle ihre Liedchen mitträllern. Mittlerweile weiß ich das Werk der beeindruckenden Künstlerin und Europapolitikerin durchaus zu würdigen und drehe den Verstärker lauter, wenn ich einen Schlager der Griechin vor die Ohren bekomme.
So auch bei den „Weißen Rosen aus Athen“, dem Nummer 1- Hit des Jahres 1961, den mir der Schwedische Streamingdienst beim Frühstück vorspielt. Nach einer weiteren halben Stunde decke ich einen veritablen Skandal auf. Gleiche Interpretin, gleiche Melodie, andere Sprache: „Roses blanches de Corfou“ tönt es frankophon aus dem Lautsprecher.
Mein Weltbild zerbröselt in Sekundenschnelle. Wurde ich über Jahrzehnte an der Nase herumgeführt? Kamen die verdammten Blumen gar nicht aus der griechischen Hauptstadt, sondern von der Insel? Alles nur Fakenews? So kann das mit Europa nichts werden, wenn wir noch nicht einmal Einigkeit in der Herkunft dieser Gewächse erzielen können.
Ich begebe mit auf investigative Recherche: Die „Weißen Rosen“ wurden auch noch ins Englische, Italienische und Spanische übersetzt. Hier ist man sich einig, sie kommen aus Athen. Uff, Glück gehabt, es steht 4:1.
Doch mein Misstrauen ist geweckt. Was ist, wenn die Blumen weder aus Athen noch von Korfu stammen? Ich erinnere mich an das kürzliche Gespräch mit meiner griechischen Änderungsschneiderin, in dem sie mir stolz mit leuchtenden Augen von der Historie und den Errungenschaften ihrer Heimat berichtete. Es fielen der Name Pythagoras, Odysseus und sogar Kleopatra. Von weißen Rosen war keinerlei Rede. Auch die Blumenhändlerin meines Vertrauens berichtete von Holland als größtem europäischen Umschlagsplatz, an dem die Pflanzen versteigert würden. Griechenland spielte auch hier keine Rolle. Bemühen wir die Statistiken. Beim Importvolumen wichtiger Lieferländer von Rosen nach Deutschland im Jahr 2022 war wiederum die Niederlande führend vor Kenia, Sambia, Äthiopien, Equador und Italien. Sie ahnen schon… In der Statistik taucht die Heimat von Demis Roussos, Vicky Leandros und Vangelis nicht auf.
Geschockt von dieser tiefen Erschütterung meines über Jahrzehnte aufgebauten Weltbildes, köpfe ich erstmal eine Flasche griechischen Wein. Dieses von Udo Jürgens besungene Getränk gibt es zumindest tatsächlich!
Auch die morgendliche Wochenendzeremonie bedarf einer dringenden Nivellierung. Nächsten Samstag gibt es zwei Bund Frühlingsblumen aus den Niederlanden ans Bett mit dem Song „Tulpen aus Amsterdam“ von Mieke Telkamp. Versprochen!
Dr. Petra Spelzhaus, 27. März 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Spontan sprang Dr. Petra Spelzhaus, Jahrgang 1972 und wohnhaft in München, bei der Jazzahead 2019 für eine erkrankte Kollegin ein und berichtete vom Partnerland Norwegen für klassik-begeistert.de. Ehe sie sich versah, war sie Autorin. Sie qualifizierte sich schon früh für die Musiksparte, kannte sie doch bereits alle Komponisten ihres Quartett-Kartenspiels auswendig, noch bevor sie richtig sprechen konnte. Schweißtreibende Jahre folgten beim Versuch diverse Instrumente spielen zu lernen. Als Jugendliche traf sie ihre große Liebe, die Trompete. Nach zunächst klassisch geprägter Ausbildung stieß sie auf Jazz- und Weltmusik. Es fiel ihr wie Schuppen von den Ohren: „Ich will musikalisch frei sein und improvisieren.“ Namhafte Professoren unterstützen sie bei dem nahezu unmöglichen Unterfangen. Getreu ihrem Motto „Life is Jazz“ möchte die ganzheitlich tätige Ärztin Auge und Ohr auf Klassik-begeistert für die Jazzmusik öffnen. In der 14-tägig erscheinenden Kolumne „Dr. Spelzhaus Spezial“ informiert sie jeden zweiten Samstag über Medizin und Musik.
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Eine kleine Korrektur von mir als Mutter: Ich besaß nicht nur sämtliche Schallplatten von Nana Mouskouri, ich besitze sie immer noch und schwelge gerne in Erinnerungen!!
Carmen Spelzhaus