Foto: von Franz Johann Morgenbesser from Vienna, Austria, wikipedia.org
Als am 18. Oktober 2021 die Nachricht vom plötzlichen Tod der slowakischen Koloratursopranistin Edita Gruberová um die Welt ging, waren weltweit die zahlreichen Bewunderer dieser Ausnahmekünstlerin zutiefst geschockt. Die vitale 74-jährige Künstlerin zog sich bei einem unglücklichen Sturz in ihrem Zürcher Heim tödliche Kopfverletzungen zu.
von Peter Sommeregger
Gruberovás Karriere entwickelte sich von bescheidenen Anfängen im heimatlichen Bratislava zu einer der erstaunlichsten und konstantesten des 20. und 21. Jahrhunderts.
Die am 23. Dezember in Bratislava als Tochter eines Deutschen und einer Ungarin geborene Edita, die ursprünglich Krankenschwester werden wollte, studierte in ihrer Heimatstadt bei Mária Medvecká Gesang; ihre Lehrerin vermittelte ihr ein Vorsingen an der Wiener Staatsoper. Davor hatte sie aber bereits als Rosina im Barbier von Sevilla am Opernhaus von Bratislava debütiert.
Nach ihrem Wechsel an die Wiener Staatsoper vervollständigte sie ihre Studien bei der Wiener Gesangspädagogin Ruthilde Boesch, der sie nach eigener Aussage ihre fulminante Technik verdankte. Wurde die Sängerin in Wien anfangs nur in kleineren Nebenrollen eingesetzt, so erlebte sie mit ihrem Debüt als Zerbinetta in Strauss’ Oper „Ariadne auf Naxos“ unter Karl Böhm 1976 einen sensationellen Durchbruch.
Ihre internationale Karriere war nun nicht mehr aufzuhalten, bereits 1977 sang Gruberová erstmals an der Metropolitan Opera New York, den Salzburger Festspielen, in den folgenden Jahren eroberte sie nahezu sämtliche bedeutende Opernhäuser der Welt, wie die Bayerische Staatsoper, das Teatro Liceu in Barcelona, die Mailänder Scala.
Ihr Repertoire hatte sie stufenweise in Richtung der großen Belcanto-Opern Donizettis und Bellinis erweitert.
Ihre fulminante Technik ermöglichte es der Künstlerin, noch jenseits ihres 70. Geburtstages in großen Partien erfolgreich aufzutreten, sie musste nie von der Substanz ihrer Stimme zehren. Auch dem Kunstlied widmete sich die Sängerin mit Erfolg. Ihre Liederabende wurden für sie ebensolche Erfolge, wie ihre Opernauftritte.
Ihre Stimme war nicht im eigentlichen Sinne schön, verfügte aber doch über ein großes Spektrum interessanter Farben. Nicht zu Unrecht verglich man die Gruberová mit ihren berühmten Vorgängerinnen Maria Callas und Joan Sutherland, deren Repertoire sie in Teilen übernommen hatte.
Bereits vor ihrem Umzug nach Wien hatte die Sängerin den Musikwissenschaftler Štefan Klimo geheiratet, mit dem sie zwei Töchter hatte. Nach der Scheidung des Ehepaares 1983 nahm sich Klimo das Leben, eine Tragödie, die mit Sicherheit Spuren hinterließ.
Seit den 1980er Jahren unterhielt Gruberová eine enge künstlerische und private Beziehung mit dem Dirigenten Friedrich Haider, die 2007 endete.
Obwohl von der Tonträger-Industrie durchaus wahrgenommen, produzierte sie verstärkt unter einem eigenen Label, Nightingale Classics.
Ihre zahlreichen Aufnahmen setzen bis heute einen hohen Standard. Ihr Thron als Königin des Belcanto ist bis heute verwaist.
Peter Sommeregger, 20. Dezember 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Riccardo Muti und Anna Netrebko. Seit 26 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der deutschen Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de.
Edita Gruberová, Peter Valentovič, Schleswig-Holstein Musik Festival, Kieler Schloss, 23. Juli 2019
Gala Edita Gruberova, Münchner Opernfestspiele 2018, Bayerische Staatsoper