Neujahrskonzert 2025 © Dieter Nagl für die Wiener Philharmoniker
von Herbert Hiess
„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“ … das hat Hermann Hesse schon treffend gedichtet, und es wird meist irgendwie und irgendwann Realität.
So jetzt auch mit dieser neuen Kolumne, in der regelmäßig mehr oder weniger aktuelle kulturell-musikalische Ereignisse kommentiert und ausgeleuchtet werden.
Und wie könnte man besser beginnen als mit der am weitesten reichenden und publikumsträchtigen österreichisch-wienerischen Tradition des Neujahrskonzertes. Das Wort „Neujahrskonzert“ ist mittlerweile sowas wie eine „Trade-Mark“; die Wiener Philharmoniker haben mit www.neujahrskonzert.at für sich eine eigene Domäne beansprucht.
2025 ist das Johann-Strauss-Jahr, das in Österreich und vor allem in Wien groß zelebriert wird. Hier hat die Gemeinde Wien sogar den ehemaligen Intendanten des Theaters an der Wien, Roland Geyer, reaktiviert und ihn für diese Initiative als künstlerischen Leiter eingesetzt.
Unter www.johannstrauss2025.at lassen sich jede Menge interessanter Veranstaltungen finden. Auch die Wiener Philharmoniker kommen
am 25. Oktober 2025 unter Tugan Sokhiev mit Johann Strauss wieder zu Wort. Das wird sicher ein interessanter Antipode zu Riccardo Muti, der mehr als beeindruckend das Neujahrskonzert 2025 leitete.
Blättern wir doch etwas in der Geschichte des Neujahrskonzerts:
1940 gab es unter Clemens Krauss das erste Konzert in diesem „Format“; später leitete der Konzertmeister der Philharmoniker, Willi Boskovsky, dieses Konzert.
Boskovsky war ein exzellenter Musiker und verzauberte das Publikum als „Stehgeiger“, jedoch fehlte ihm das dirigentische tiefgehende Können und die echte Arbeit mit einem Orchester als musikalischer Leiter.
Was war das dann für eine Überraschung, als 1980 Lorin Maazel für dieses Konzert das Podium betrat. Ich konnte schon bei den Proben anwesend sein und war mehr als fasziniert von der orchestralen Brillanz, die der großartige Maestro mit dem Orchester lieferte. Unvergessen damals Offenbachs Ouvertüre zu „Orpheus in der Unterwelt“.
Maazel leitete bis 1986 diese Konzerte und 1987 kam als unvergessliches Ereignis Herbert von Karajan aufs Dirigentenpult. Schon bei den Proben verspürte man Gänsehaut. Unvergessen schon bei der ersten Probe die Einleitung zu Joseph Strauss‘ „Sphärenklänge“ – von diesem Konzert spricht man heute noch – und das völlig zu Recht.
Daraufhin wechselten dann die Dirigenten in regelmäßigen Abständen.
Es gab immer wieder einen Wechsel zwischen beispielsweise Claudio Abbado, Showdirigent Zubin Mehta, Mariss Jansons – und auch wieder Lorin Maazel, der meiner Meinung nach 1996 eines der besten Neujahrskonzerte dirigierte. Lorin Maazel spielte wieder auf seiner Geige – unvergessen von Josef Strauss „Die Nasswalderin“.
Das war Elegie und Süße pur!
Dann hörte man (leider nur) zweimal Nikolaus Harnoncourt mit seiner akribischen Probenarbeit und vor allem Carlos Kleiber 1989 und 1992,
der für den leider zu früh verstorbenen Leonard Bernstein (1918 – 1990) eingesprungen ist. So toll das Konzert unter Kleiber war – wie gerne hätte man Bernstein noch gehört und gesehen.
Nach dem traumhaften Konzert 2025 unter Riccardo Muti begrüßen die Philharmoniker 2026 Yannick Nézet-Séguin. Der kanadische Dirigent ist sicher aus marketingtechnischen Gründen interessant – deckt er doch nicht zuletzt auch als Met-Direktor den US- und amerikanischen Raum ab.
Natürlich bedeutet sein Engagement auch, wie massiv ausgedünnt die „Dirigentenszene“ weltweit ist. Und als Dirigent ist da nicht nur ein Taktschläger gemeint, sondern eine Persönlichkeit von Format. Diese gibt es tatsächlich kaum mehr.
Der gehypte Klaus Mäkelä ist zwar ein sympathischer junger Mann – bis in die Tiefen der Partituren ist er noch nie vorgedrungen.
Zur Musik der Strauss-Familie gehört weit mehr als „Taktschlagen“. Hier muss man in Phrasen, Betonungen denken, und auch der historische Kontext gehört berücksichtigt. Und dieses Gesamtkunstwerk haben nicht wirklich viele Dirigenten verstanden. Da gehört leider auch Zubin Mehta dazu, mit dem Klaus Mäkelä (leider!) Ähnlichkeiten hat. Dazu einmal mehr in einer anderen Kolumne.
So hat das Jahr 2025 mit Riccardo Muti phantastisch in Wien begonnen. Der Jänner 2025 ist auch das Jahr mit außergewöhnlichen politischen Turbulenzen in Österreich. Warten wir ab, womit uns Herr Yannick Nézet-Séguin 2026 überraschen wird.
HH hört weiter.
Herbert Hiess, 6. Jänner 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Das Arena di Verona Opera Festival ist ein No-Go klassik-begeistert.de, 2. Januar 2025
Neujahrskonzert (Vol. 2), Wiener Philharmoniker, Riccardo Muti klassik-begeistert.de, 1. Januar 2025
Mir ist schon klar, dass eine persönliche Glosse den subjektiven Geschmack eines Autors wiedergibt, aber eine Formulierung wie „bis in die Tiefen der Partituren ist er noch nie vorgedrungen“ zeugt doch von einiger Hybris.
Ernst Kopica