Staatsoper Hamburg, 23. Mai 2023
Georges Bizet, Carmen
Fotos: Maria Kataeva ©
von Andreas Schmidt
Diese Carmen sollten sie letztmalig in dieser Saison nicht verpassen: Am Samstag, 27. Mai 2023, 19.30 Uhr singt, spielt, tanzt, gestikuliert die Jahrhundert-Carmen Maria Kataeva um ihr Leben. In der Staatsoper Hamburg an der Dammtorstraße.
Ich liebe diese Oper. So eine gute Carmen habe ich nach rund 40 Aufführungen noch nicht gehört. Die Russin Maria Kataeva, Absolventin des berühmten St. Petersburger Konservatoriums, stellt Carmen nicht dar.
Sie ist Carmen.
Ihre Stimme ein Vulkan. Bombensicher, eh klar. In der Tiefe eine Macht, voll, bernsteinfarben und weiblich. Im mittleren Register ein Traum, voll und intensiv. Ja, und wenn diese Carmen dann mal die Spitzentöne serviert,
geht es einem immer wieder krass unter die Haut.
Gänsehautfeeling am Gänsemarkt.
Selbst beim frenetischen Schlussapplaus ist noch die Energie und Präsenz dieser Ausnahmekünstlerin zu spüren. Bis in die Haarspitzen.
Die Inszenierung ist Weltklasse wie die Carmen, tolle Farbwechsel, tolle echte Riesenbilder, man würde sie am liebsten zu Hause (auf SEHR große Wände) aufhängen. Die Personenführungen, die Choristen, immer am Spielen, immer in Bewegung. Die Kostüme, bunt, positiv, leuchtend.
Feurig wie Carmen.
Ein heller Wahnsinn, diese Kostüme von José Luna. Sie allein sind schon den Eintritt wert.
Die Musik eh ein Traum, selbst mit geschlossenen Augen. Von lyrischen Passagen bis zu temperamentvoller spanischer Musik.
„Carmen“ beseelt.
„Carmen“ belebt.
„Carmen“ löst Herzhüpferungen aus – bis zum Mond und wieder zurück.
„Carmen“ ist eine Oper für Anfänger und Fortgeschrittene. Hier findet jeder seine Nahrung.
Der Chor und die Alsterspatzen singen hervorragend an diesem Abend! Die Tenöre und Baritone an der Pole Position. Die Kinder und Jugendlichen echt super, in Gesang und Darstellung. Großes Kino.
Großartig der Dirigent Yoel Gamzou, fantastische Tempiwechsel. Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg folgte dankbar und sorgte für ein facettenreichen musikalisches Fundament.
Fast alle anderen Solisten sind gut, aber nicht sehr gut. Negativ fällt der Gesang der Sopranistin Guanqun Yu als Micaëla auf, der mit einem vollkommen unangebrachten Dauertremolo nervt. Bei Frasquita in persona Narea Son fragt sich der Zuschauer, in welcher Sprache die Dame singt. Französisch war nicht herauszuhören. Hier wäre ein Sprach-Coach bis Samstag zu empfehlen.
Traurig ist an diesem Dienstagabend, dass von den 1690 Plätzen nur ca. 1500 besetzt sind. Noch vor wenigen Jahren wäre eine nicht ausverkaufte „Carmen“ ein Gesprächsthema gewesen. Von den ca. 1500 Zuschauern waren etwa 100 Schüler – super! super! –, die sich bei einem Eintrittspreis von 10 Euro auf sehr guten Parkettplätzen hervorragend benahmen und auch modemäßig vielen mit gammeligen Turnschuhen, Schlabberjeans und Schlabber-T-Shirts „gekleideten“ Herren den Rang abliefen.
Sehr traurig, wie einige Männer sich da gehen ließen. Peinlich! Manche verwechseln die Staatsoper halt mit einem Dart-Club.
Buchen Sie unbedingt einen schönen Platz bis Samstag. Es sind leider noch die Hälfte !!! der Karten nicht verkauft worden – traurig, traurig, traurig… was macht der Kopf der Hamburgischen Staatsoper eigentlich so?
Andreas Schmidt, 24. Mai 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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