Beifallsstürme für einen magischen „Midsummer Night’s Dream“ an der Wiener Staatsoper

Benjamin Britten, A Midsummer Night´s Dream, Wiener Staatsoper, 17. Oktober 2019

Fotos:  © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn
Benjamin Britten, A Midsummer Night´s Dream,
Wiener Staatsoper, 17. Oktober 2019

 Von Charles E. Ritterband

 Beifallsstürme begrüssten diese Neuinszenierung von Benjamin Brittens „Midsummer Night´s Dream“ – die erste Produktion der beginnenden Spielzeit 2019/2020. Ein guter Start. Das Stück wurde erstmals 1962 in Wien aufgeführt – nur zwei Jahre nach der Uraufführung am Aldeburgh Festival. Der 47jährige Britten stand damals zweifellos auf dem Höhepunkt seines Schaffens – wenige Jahre nach „Billy Budd“ und „Gloriana“. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Wiener Erstaufführung erklingt das Werk nun wieder an der Staatsoper – und zwar mit großem Erfolg. Irina Brook, die Regisseurin dieser Produktion kommt aus einem illustren Theaterhaus: Ihr Vater war der legendäre Peter Brook – einer meiner bevorzugten Regisseure und ein großer Theoretiker des Theaters („Der leere Raum“).

Dass die Tochter eine gute Hand hat, merkt man sofort – das ist nicht das verpönte Regietheater, was sie auf die Bühne bringt, sondern solide, subtile und vor allem feinsinnige und zugleich humorvolle Regiearbeit. Das Resultat ist so, wie man es von einer ausgezeichneten Midsummer Night Inszenierung erwarten würde: Magie und Märchenzauber, hemmungsloser Kitsch statt falsche Modernität und irritierendem High Tech, Heiterkeit statt Düsterkeit. Ebenso wie der Text jener von Shakespeares Stück ist (mit Kürzungen), bleibt auch diese Opern-Inszenierung dem Geist des großen Meisters verpflichtet.

Irina Brook und ihre Bühnenbildnerin Noelle Ginefri-Corbel versetzen die Handlung in einen romantisch vergammelten Palast, der schon teilweise nur noch Ruine ist und sinnigerweise von der Natur übernommen wird – eine Metapher für die zwei Sphären dieses Stückes: Jene des irdischen athenischen Herzogs Theseus mit Hippolyta und die Feen- und Geisterwelt von Oberon und Tytania. Die Sphären vermischen sich, als die zwei jungen Paare in den Zauberwald eindringen – und dann später die schauspielernden Handwerker eine Waldlichtung als Probebühne für ihr skurriles Theaterstück wählen.

Darstellerisch einer der beiden Stars des Abends war eindeutig der phänomenale Puck des französischen Artisten Théo Touvet, der einfach alles kann: Schwerelos und blitzschnell durch den Raum huschen, virtuos Räder schlagen und halsbrecherische Saltos vollführen, dann wieder der Schwerkraft trotzend über die Bühne fliegen, wie ein Insekt an der Wand kleben und dann wie ein Reptil den Boden entlang robben. Schalkhaft ist er und zugleich maliziös. Er hat in dieser Inszenierung zugleich als Akrobat und als Schauspieler zu wirken – und er kann einfach alles. Manche stießen sich an seinem unüberhörbaren französischen Akzent, vor allem im (für den einen oder anderen nur schwer verständlichen) berühmten Epilog: Aber auch in England sind ja inzwischen regionale Akzente völlig akzeptiert, ja gelten geradezu als Vorzug – die Zeiten des monopolisierend-dominanten BBC-English oder Oxford-English sind wohl endgültig vorbei. Deshalb war dieser Akzent Touvets mehr als nur akzeptabel – er war außergewöhnlich und, wie sich das für einen französischen Akzent gehört, ausgesprochen charmant.

Schauspielerisch ebenso an der Spitze in seinen komödiantischen Fähigkeiten war der großsprecherische und doch so sympathische Bottom (Peter Rose) – vor allem als herzensbrechender Esel und Liebhaber der bezaubernden Tytania (Erin Morley). Sie schwingt sich mit ihrer hellen Stimme ebenso schwerelos und präzise wie Puck mit seinem gelenkigen Körper in extreme Höhen der Koloraturen. Der Oberon des Amerikaners Lawrence Zazzo bot den seltenen Glücksfall eines sehr wohlklingenden und nicht schrillen Countertenors.

Das Dirigat von Simone Young ist hochmusikalisch und hebt die Leichtigkeit dieses zweifellos (in musikalischer Hinsicht) zugänglichsten Werk Brittens hervor. Sie lässt die Inventionen des Komponisten gleichsam aufblühen und mit einer breiten Palette von Klangfarben geistergleich durch den Bühnenraum huschen – herrlich! Doch da ist weit mehr als nur konventionelle Musik – da sind Tierlaute im Orchester, da ist ein Flirren und Raunen und Aufbrausen.

Charles Ritterband, 18.10.2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Dirigentin: Simone Young
Regie: Irina Brook
Bühne: Noelle Ginefri-Corbel
Puck: Théo Touvet
Tytania: Erin Morley
Oberon: Lawrence Zazzo
Theseus: Peter Kellner
Hippolyta: Szylvia Vörös
Hermia: Rachel Frenkel
Helena: Valentina Nafornita
Lysander: Josh Lovell
Demetrius: Rafael Fingerlos
Quince: Wolfgang Bankl
Bottom: Peter Rose
Orchester der Wiener Staatsoper, Opernschule der Wiener Staatsoper, Wiener Staatsballett

 

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