Genius Weber: Bei den Brixen Classics schöpft man aus dem Vollen

Foto: Brixen Classics 2022 © Brixen Tourismus / Marko Paunović

Brixen, Hofburg, 17. Juni 2022

Der Freischütz, Carl Maria von Weber

von Jürgen Pathy

Um die Wette singen mit der Amsel. Wer bei den Brixen Classics eine Opernvorstellung besucht, dem präsentiert man zwar nicht die vollständige Oper, dafür aber Sänger von Weltklasseformat und ein einzigartiges Naturschauspiel vor atemberaubender Kulisse. Der Ort: Der Innenhof der Hofburg in Brixen, der mit Hilfe von Lichtprojektionen märchenhaft in die Szene einbezogen wird. Das Werk: Carl Maria von Webers „Der Freischütz“ – gekürzt auf eine Art „Best of“. Halbszenisch dargeboten, mit zwei Erzählern, die den Strang der Geschichte vorantreiben. Zweisprachig natürlich – deutsch und italienisch –, immerhin befinden wir uns in Südtirol.

Klassikstars bei den Brixen Classics

Dass man dabei nicht nur sprichwörtlich aus dem Vollen schöpft, sondern auch in der Tat, ist dem künstlerischen Leiter Tim Decker zu verdanken. Der Bayreuther, der im Frankfurter Raum aufgewachsen ist, pflegt beste Verbindungen zur Klassikszene. Dadurch ist es ihm gelungen, Weltstars nach Brixen zu laden.

Zugpferd dieser Produktion: Wagnerveteran Michael Volle, der bereits an allen wichtigen Häusern dieser Welt gesungen hat. Wiener Staatsoper, Bayreuther Festspielhaus oder Met. Überall ist Volle gern gesehener Gast, wenn es darum geht, seine Partien aufgrund profunder Kenntnisse der musikdramaturgischen Gestaltung zu Leben zu erwecken.

Bei den Brixen Classics gibt Volle den Kaspar. Eine Partie, die in der Tessitura eines Basses oder auch Bassbaritons angesiedelt ist. Auch wenn der gebürtige Freudenstädter im tiefen Register nicht immer bis zum Kern vordringt, tendiert der Rest der Interpretation schon stark in Richtung Weltklasse. „Das war phantastisch“, bestätigt eine Konzertbesucherin rechts neben mir.

Foto: Michael Volle © Gisela Schenker

Was Volle vor allem auszeichnet, ist seine innere Durchdringung der Partie. Das Dämonische, das Hinterlistige, das Dramatische dieser Partie. Das alles präsentiert Volle mit einer enormen Textverständlichkeit und über weite Strecken mit Durchschlagskraft und Virilität. Dabei verliert Volle niemals auch nur einen Augenblick die gestalterischen Kräfte seiner geschmeidigen Stimme aus den Augen.

„Der Freischütz, Carl Maria von Weber
Brixen, Hofburg, 17. Juni 2022“
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