Langes Klassikwelt 7: Monteverdis Ulisse nahm die Fähre nach Ithaka

Vor 30 Jahren lernte ich Odysseus kennen, weil ein Schiff eine andere Route nahm als erwartet. Ein paar Tage später waren einige Klischees zerstört, ich hatte einen unterhaltsamen Einblick in die Opernwelt gewonnen – und musste mir dringend eine teure Monteverdi-Aufnahme beschaffen…

von Gabriele Lange (18. Februar 2020)

Es ist ziemlich windig, als die kleine Fähre im Sommer 1990 schnaufend von Kefalonia nach Ithaka stampft. Ich stehe an Deck, um den Ausblick zu genießen. Und ich bin irritiert. Denn der Kahn fährt nicht wie sonst die Küste entlang Richtung Vathi. Nachdem das nicht mein erster Besuch auf der Insel ist, geht mir ein Licht auf: Der Kapitän hat sich bei dem Wetter für den kürzesten Weg entschieden und steuert direkt den Anleger auf der westlichen Inselseite an. Wir werden also nicht wie geplant im Hauptort landen, wo es ein paar Quartiere gibt. Wie kommen wir da rüber…? Ob der Fahrer des einen Inselbusses weiß, dass es Leute einzusammeln gilt? Ich hole meine Reisegefährtin und stelle mich mit ihr an den Bug. Irgendeine Fahrgelegenheit in Sicht? Hmmmm. EIN Taxi ist aus der Ferne zu erspäen. Da steht bestimmt keine Telefonzelle… (Handys sind noch kein Thema.)

Wir schauen uns um. 20, 30 Leute machen sich fertig. Das heißt: Gleich runter zum Ausstieg. Und dann – rennen! Währenddessen ist ein junges Paar nach vorn gekommen. Ihnen wird klar, dass wir uns Ithaka nähern. Sie sprechen uns auf Englisch an und erkundigen sich nach Transportmöglichkeiten. Passt. In Griechenland hat man sich damals immer Taxis geteilt. Zu viert wird das angenehmer fürs Budget. Ich erkläre ihnen die Lage. Wir vier wuchten unsere Rucksäcke auf die Schultern, sind die ersten am Ausgang, die Heckklappe knarzt auf – und wir sausen los. Drei quetschen sich hinter, eine neben den Fahrer, Gepäck halb in den Kofferraum, halb irgendwie mit rein. Ein Blick auf die verwirrten Mit-Touristen – und los geht’s über die Insel. „Langes Klassikwelt 7: Monteverdis Ulisse nahm die Fähre nach Ithaka,
klassik-begeistert.de“
weiterlesen

Ladas Klassikwelt 71: Der Oma von der Bühne winken – oder ein Chor-Savoir-vivre nach dem Auftritt

Klassik-begeistert-Autorin Jolanta Łada-Zielke singt Brahms’ Requiem. Foto: Joanna Stich

„Unmittelbar nach dem Konzert, während der Ovation, fingen unsere Gastgeber an, einfach miteinander zu plaudern. Einer der Tenöre rief sogar aus: „Ach, meine Oma sitzt da!“ Dann winkte er Richtung Publikum.“

von Jolanta Łada-Zielke

Die letzten Töne des Stücks sind gerade verklungen und nach ein paar Sekunden der Stille beginnt das Publikum zu applaudieren. Der Dirigent wendet sich an die Zuschauer und verbeugt sich vor ihnen; dann – wenn das Konzert mit einem Orchester stattfand – reicht er dem Konzertmeister die Hand und zeigt auf die Musiker, die die Solopartien gespielt haben. Natürlich weist er oder sie auch auf die Solisten und den Chor hin. Der Applaus ist manchmal kürzer, manchmal länger, und falls das Konzert gefallen hat, fordert das Publikum eine Zugabe. Wenn die ersten Zuschauer hinausgehen, ist dies ein Signal für die Musiker, die Bühne Schritt für Schritt zu verlassen. „Ladas Klassikwelt 71: Der Oma von der Bühne winken – oder ein Chor-Savoir-vivre nach dem Auftritt“ weiterlesen

Der Schlauberger 47: Vom Winde verweht – Mal was zum Lachen

Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer und Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.

von Reinhard Berger

Fast hätte ich mich kaputt gelacht, vorigen Sonntag, am Welttag des Lachens. Zufall. Denn ich hatte etwas über die Deutsche Rasengesellschaft e.V. gelesen und wollte wissen, ob das ein Scherz ist. Aber die gibt es wirklich. Ihr Thema im Mai lautet: „Messungen und Bonitur der Gräservitalität.“ Jetzt weiß ich es genau. „Der Schlauberger 47: Vom Winde verweht – Mal was zum Lachen“ weiterlesen

Daniels Anti-Klassiker 11: Johannes Brahms – Sinfonie Nr. 1 (1876)

Höchste Zeit, sich als Musikliebhaber neu mit der eigenen CD-Sammlung oder der Streaming-Playlist auseinanderzusetzen. Dabei begegnen einem nicht nur neue oder alte Lieblinge. Einige der sogenannten „Klassiker“ kriegt man so oft zu hören, dass sie zu nerven beginnen. Andere haben völlig zu Unrecht den Ruf eines „Meisterwerks“. Es sind natürlich nicht minderwertige Werke, von denen man so übersättigt wird. Diese sarkastische und schonungslos ehrliche Anti-Serie ist jenen Werken gewidmet, die aus Sicht unseres Autors zu viel Beachtung erhalten.

von Daniel Janz

Jugendsünde oder meisterliche Nachfolge? Bahnbrechendes Kunstwerk oder plattes Epigonentum? Nicht selten werden diese und ähnliche Fragen bei Musikstücken gestellt, die in einer gewissen Tradition erscheinen. Modernen Musikern und Komponisten geht es da nicht anders, wie den sogenannten großen Altmeistern ihrer Zeit. Einer dieser Fälle, an denen sich solche Diskussionen gut nachvollziehen lassen, ist Brahms erste Sinfonie. „Daniels Anti-Klassiker 11: Johannes Brahms – Sinfonie Nr. 1 (1876)“ weiterlesen

Sommereggers Klassikwelt 86: Die unvergessliche Elisabeth Söderström

von Peter Sommeregger

Der 7. Mai ist der Geburtstag der schwedischen Sopranistin Elisabeth Söderström, die 2009 im Alter von 82 Jahren starb.

Söderström hatte einen schwedischen Vater und eine russische Mutter, ihr slawisches Erbteil prädestinierte sie für die Interpretation von Musik dieses Kulturkreises. Aber zunächst nahm sie privat Gesangsunterricht, ehe sie zwei Jahre an der Königlichen Musikakademie in ihrer Heimatstadt Stockholm studierte. Ihr erstes Engagement erhielt sie unmittelbar nach dem Abschluss ihrer Studien direkt an die Königliche Oper Stockholm. „Sommereggers Klassikwelt 86, Elisabeth Söderström,
klassik-begeistert.de“
weiterlesen

Schweitzers Klassikwelt 34: Kirill Serebrennikovs „Parsifal“ theologisch betrachtet

Foto: M. Pöhn ©

In der Online-Ausgabe der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ lautet die Überschrift  der Rezension in dicken und großen Lettern Was ist der Gral? Und gleich anschließend triumphierend des Rätsels Lösung: Die Freiheit!

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Wir können der liberalen Linie des Blatts in dem Punkt beipflichten, wenn drei Absätze darunter Frau Christine Lemke-Matwey schreibt, dass Wagners letzte Oper „von Kunstreligiösem und Pseudo-Liturgischem umwölkt“ ist. Ähnlich Joachim Lange, der in der renommierten Neuen Musikzeitung von einem pseudoreligiösen Stück spricht. „Schweitzers Klassikwelt 34: Kirill Serebrennikovs „Parsifal“ theologisch betrachtet“ weiterlesen

Der Schlauberger 46: Playboy ohne Gender-Gaga – oder ist das Stuss?

Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer und Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.

von Reinhard Berger

Die Gästerin. Nee, damit macht sich keiner Freunde. Obwohl Freunde wichtig sind, wie das Zeitungszitat aus dem Playboy beweist: „Männer haben mehr Freunde als Frauen.“ Besser als umgekehrt. „Der Schlauberger 46: Playboy ohne Gender-Gaga – Oder ist das Stuss?“ weiterlesen

Frauenklang 2: „Das Problem von Musikerinnen ist kein Kompetenzmangel, sondern dass wir uns zu oft einschüchtern lassen“

Das schöne Geschlecht war in der Musikwelt nicht immer so präsent wie heute. Von Frauen komponierte Musik existiert weitaus länger als Frauenfußball oder Frauenparkplätze. Jedoch sprach man kaum über sie – es sei denn, dass sie die Kunst ihrer männlichen Zeitgenossen weit übertraf. In der Musikgeschichte gab es nicht nur Frauen, die sangen oder Pianoforte spielten; klassik-begeistert-Autorin Jolanta Łada-Zielke weckt sie aus ihrem Schattendasein: die Komponistinnen und Dirigentinnen, bedeutende weibliche Künstlerpersönlichkeiten, über die man zu Unrecht nichts oder zu wenig weiß. Sie präsentiert hervorragende Musikerinnen verschiedener Nationalitäten und Kulturen – aus Vergangenheit und Gegenwart. Höchste Zeit, dass Frauenklang ertönt!

Fotos: Andrej Grilc (c)

Die Pianistin Jui-Lan Huang im Gespräch mit Jolanta Łada-Zielke.

Ihr Klavierspiel hat etwas Mystisches in sich, besonders ihre Interpretation des Stückes „Metamorphoses“ in der Slovenská filharmónia. Sie kann die Dynamik bei Mozarts Sonaten hervorragend schattieren, sie mit der entsprechenden Leichtigkeit aufführen und man kann sehen, dass es ihr gleichzeitig Spaß macht. Mit Beethovens Sonaten geht sie aufmerksam um, fast erhaben, aber auch stellenweise leidenschaftlich und dynamisch.

Jui-Lan absolvierte ihre musikalische Ausbildung an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover bei den Professoren Einar Steen-Nøkleberg und Matti Raekallio. Sie bekam Stipendien des DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst), der GSSA (Government Scholarships for Study Abroad, Taiwan), von ERASMUS und von „Musik braucht Freunde Hannover“. Heute leitet sie eine Hauptfachklasse am Franz Schubert Konservatorium Wien und gibt Meisterkurse in Europa und Asien.

Als vielseitige Pianistin gibt Huang häufig Soloabende, Klavier- und Kammermusik-Konzerte. Sie ist auf vielen renommierten Bühnen wie dem Konzerthaus Berlin, Gasteig München, Slovenská filharmónia, Auditorio Ciudad de León, Mozarteum Salzburg aufgetreten und nahm an namhaften Musikfestivals teil. Eines ihrer eigenen Projekte ist die gleichzeitig von westlicher Kunst und asiatischer Philosophie inspirierte Konzertreihe „Art of Silence“, in der sie Literatur, Fotografie und eigene bildende Kunst mit Musik verbindet. 

Die bisherigen bedeutenderen Auszeichnungen der Pianistin sind die ersten Preise des Taiwan Trinity College, der London First Piano Competition, der Taipeh County Music Competition, der Taiwan National Music Competition of Baroque sowie der National Victory Trophy. Sie erhielt auch den Sonderpreis der Oscar und Vera Ritter-Stiftung. Jui-Lan beschäftigt sich aktiv mit dem Thema der Stellung von Frauen in der Welt der Musik und fördert Komponistinnen. Kürzlich hielt sie an der Musikuniversität Wien einen Vortrag: „Wenn das Weiterkommen erschwert wird… Hindernisse für Frauen in der klassischen Musikbranche“. „Frauenklang 2, Interview mit der Pianistin Jui-Lan Huang
klassik-begeistert.de“
weiterlesen

Daniels Anti-Klassiker 10: Arnold Schönberg, Orchestervariation op. 31 (1928)

Höchste Zeit, sich als Musikliebhaber neu mit der eigenen CD-Sammlung oder der Streaming-Playlist auseinanderzusetzen. Dabei begegnen einem nicht nur neue oder alte Lieblinge. Einige der sogenannten „Klassiker“ kriegt man so oft zu hören, dass sie zu nerven beginnen. Andere haben völlig zu Unrecht den Ruf eines „Meisterwerks“. Es sind natürlich nicht minderwertige Werke, von denen man so übersättigt wird. Diese sarkastische und schonungslos ehrliche Anti-Serie ist jenen Werken gewidmet, die aus Sicht unseres Autors zu viel Beachtung erhalten.

von Daniel Janz

Neue Klangwelten, Ausreizen der Mittel, Brechen von Grenzen, sogar die Krönung aller musikalischen Schöpfungen… nicht weniger versprach Schönberg mit seiner neu entwickelten Technik. Als er endlich das erste Orchesterwerk präsentierte, das diese Superlative erfüllen sollte, erreichte die Spannung ihren Höhepunkt. Für die Uraufführung stellte sich niemand Geringeres als Wilhelm Furtwängler persönlich zur Verfügung. Alles deutete auf Erfolg! Und trotzdem – das Konzert endete in einem Desaster. Kritiker überschlugen sich in Denunziationen, von einem Skandal war die Rede, niemand hatte Schönbergs Musik verstanden. Wen wundert’s!? „Daniels Anti-Klassiker 10: Arnold Schönberg, Orchestervariation op. 31 (1928)“ weiterlesen

Rising Stars 5: Selene Zanetti, Sopran – bereit für den Absprung

Foto: © Lorenz Kerscher, 2020

Die Entwicklung und Karriere vielversprechender NachwuchskünstlerInnen übt eine unvergleichliche Faszination aus. Es lohnt sich dabei zu sein, wenn herausragende Talente die Leiter Stufe um Stufe hochsteigen, sich weiterentwickeln und ihr Publikum immer wieder von neuem mit Sternstunden überraschen. Wir stellen Ihnen bei Klassik-begeistert jeden zweiten Donnerstag diese Rising Stars vor: junge SängerInnen, DirigentInnen und MusikerInnen mit sehr großen Begabungen, außergewöhnlichem Potenzial und ganz viel Herzblut sowie Charisma.

von Lorenz Kerscher

Im Dezember 2019 stellte Selene Zanetti die Mimì in La Bohème dar, im Januar 2020 die Marie in der Verkauften Braut und im Februar die Liù an der Seite der Turandot-Debütantin Anna Netrebko – all das auf der Bühne der Bayerischen Staatsoper. Das sah nach einem perfekten Karrierestart aus. Mit Engagements an Opernhäusern von Weltruf in der Tasche beendete sie ihr Festengagement. Voll Optimismus blickte sie in eine erfolgversprechende Zukunft. Doch dann kam Corona wie eine Windböe, die einen Skispringer genau beim Absprung trifft und seinen Traum vom gelungenen Flug zunichtemacht. Da galt es nun, einen Sturz ins Bodenlose einigermaßen unbeschadet zu überstehen und alle Hoffnung auf den zweiten Versuch zu setzen, auch wenn dieser über ein Jahr lang auf sich warten ließ. In diesem Zeitraum ermöglichte ihr der Notbetrieb ihrer bisherigen Bühne nur die Darbietung von Toscas Arie „Vissi d’arte“ in der von Marina Abramović produzierten Performance The 7 Deaths of Maria Callas und von einer erste Dame in der Zauberflöte. Alle anderen Engagements waren abgesagt. „Rising Stars 5: Selene Zanetti, Sopran – bereit für den Absprung“ weiterlesen