Verdi-Festival für alle Sinne: Publikumsliebling Plácido Domingo verzaubert Wien

Klassik vom Feinsten: Die 25 meistgelesenen Beiträge auf Klassik begeistert (10)

3600 Beiträge haben wir als größter Klassik-Blog in Deutschland, Österreich und der Schweiz (google-Ranking) in den vergangenen viereinhalb Jahren veröffentlicht. Jetzt präsentieren wir die 25 meistgelesenen Opern- und Konzertberichte, Interviews, Klassikwelten und Rezensionen – jene Beiträge, die Sie seit Juni 2016 am häufigsten angeklickt haben. Wir wünschen viel Freude beim „Nachblättern“.

10 – Verdi-Festival für alle Sinne: Publikumsliebling Plácido Domingo verzaubert Wien

Ein Domingo, den man in dieser stimmlichen Verfassung vermutlich nur mehr selten, wenn überhaupt jemals wieder erleben können wird. Opernherz, was willst du mehr?!

Foto: Plácido Domingo als Simon Boccanegra in der Wiener Staatsoper, Foto: Michael Pöhn

Giuseppe Verdi, Simon Boccanegra
Wiener Staatsoper, 18.
September 2020

von Jürgen Pathy

Bravo Plácido! Ein Altstar erlebt seinen zweiten Frühling. Obwohl Plácido Domingo, der letzte echte Opernstar von Weltrang, seinen Zenit schon länger überschritten hat, bewies er gestern Abend mal wieder, weshalb er noch immer zurecht auf der Bühne der Wiener Staatsoper steht. Der Spanier, der seit Jahren als Bariton durch die Welt tourt, brilliert in der Titelpartie von Giuseppe Verdis „Simon Boccanegra“. In diesem – zu Unrecht – unterschätzten Meisterwerk, das musikalisch als auch dramaturgisch großes Kino bietet, feiert der Publikumsliebling einen sensationellen Erfolg.

Bereits 2009, als er mit Simon Boccanegra sein internationales Debüt als Bariton aufs Parkett zauberte, war der Lobgesang hoch. Jetzt, elf Jahre später, einige Skandale und Jährchen mehr am Buckel – offiziell ist er 79 Jahre alt, man munkelt, er hätte die 80 jedoch schon überschritten – kann er es noch immer. Und wie! „Klassik vom Feinsten: Die 25 meistgelesenen Beiträge auf Klassik begeistert (10)“ weiterlesen

Philippe Jordans Klangvorstellung

Foto: Philippe Jordan im Orchestergraben der Wiener Staatsoper, wo er als Generalmusikdirektor seit dieser Saison tätig ist © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

von Jürgen Pathy

„Ja, meins ist des alles net!“, wie es bei uns in Wien so schön heißt. Was genau? Erstens: Das Kasperletheater rund um Jonas Kaufmann, das dieser Tage wieder herrscht, wie selten zuvor. Und zweitens, was mich als Wiener viel mehr tangiert und direkt betrifft: die Klang-Vorstellung Philippe Jordans, der seit Beginn der Saison als Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper agiert. „Philippe Jordans Klangvorstellung“ weiterlesen

Der Weltstar Tomasz Konieczny wünscht allen LeserInnen von Klassik begeistert Frohe Weihnachten!

Foto: Tomasz Konieczny als Wanderer in Richard Wagners Oper „Siegfried“ in der Wiener Staatsoper

Ein ganz Großer seines Fachs sendet den LeserInnen von Klassik begeistert ganz herzliche Weihnachtsgrüße und schenkt Ihnen ein polnisches Weihnachtslied: der Bass und Bassbariton Tomasz Konieczny, einer der weltweit führenden Wotan-/ Wanderer- sowie Alberich-Darsteller. Viele Opernfreunde erinnern sich noch gerne an die bedrückend schöne und packende „Walküre“ von Richard Wagner im Mai 2015 – mit Tomasz Konieczny als Wotan und Evelyn Herlitzius als Brünnhilde. Selten wurde diese wundersame Vater-Tochterliebe eindringlicher aufgeführt als unter dem Dirigat von Sir Simon Rattle in der Wiener Staatsoper. 2018 debütierte Konieczny bei den Bayreuther Festspielen als Friedrich von Telramund im Lohengrin unter Christian Thielemann. 2019 erfolgte das Debüt an der Metropolitan Opera New York als Alberich (Dirigat Philippe Jordan). 2020 konnte Tomasz Konieczny wegen der Pandemie zu seinem allergrößten Bedauern zahlreiche Verpflichtungen nicht wahrnehmen – so an der Wiener Staatsoper und an der Metropolitan Opera in New York. Der Sänger ist am 10. Januar 1972 in Łódź (Lodsch) geboren, der mit knapp 700.000 Einwohnern drittgrößten polnischen Stadt nach Warschau und Krakau.

Liebe Klassik-Begeisterte,

Ich sende Ihnen allen einen frommen Weihnachtsgruß, in diesen speziellen Zeiten.

Unter normalen Umständen würden wir zu dieser Zeit Weihnachtskonzerte besuchen oder gemeinsam singen. Vor allem bei uns in Polen singen wir traditionell an Heiligabend im Familien- und Bekanntenkreis unsere wie ich finde wunderschönen Weihnachtslieder, von denen wir sehr viele haben. „Weihnachtsgrüße vom Weltstar Tomasz Konieczny für die LeserInnen von Klassik begeistert“ weiterlesen

Schweitzers Klassikwelt 24: Heinz Zednik – ein Opernleben

Durch den Jahrhundertring 1976 in Bayreuth zum hundertjährigen Bestehen der Bayreuther Festspiele ist Heinz Zednik mit seinem Loge und seinem Mime weltberühmt geworden.

von Lothar Schweitzer
Foto: Heinz Zednik als Gottesnarr © Foto Fayer

Die Lektüre dieser Biografie unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt von der Lektüre anderer einschlägiger Bücher. Ich erlebte den Opernhelden bewusst fast vom Anfang seiner Wiener Zeit, ja ich kann nahezu von einem empathischen Mitgehen sprechen. Ich freute mich über jeden seiner Karriereschritte nach vorne.

Die Wiener Staatsoper kann eine große Tradition an Charaktertenören vorweisen. Ein Programmheft der Wiener Staatsoper brachte in den Fünfzigerjahren ein Porträt über William Wernigk (Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper von 1919 bis 1963). Ich selbst erlebte in meinen „Lehrjahren“ als unverwechselbare Stimme Peter Klein, eingeprägt in meinem Gedächtnis sein Goro – ich habe nie wieder einen Sänger gehört, der ihn in dieser Rolle erreichte – und sein Franz in „Les Contes d ́Hoffmann“, wo er einen dilettantischen Sänger mit dünner Stimme zu mimen hatte, was einer ebenso großen Artistik bedarf wie die eines Clowns am Reck. Monatelang ließ mich beim Vorbeigehen sein Abbild als unheimlicher Zwerg Mime im Schaufenster des Fotostudios Fayer nächst der Oper am Ring immer wieder kurz anhalten. Doch als ersten Mime erlebte ich das Hausdebut von Gerhard Stolze in dieser Rolle am 31. Mai 1960, dessen Stimme eine eigene Charakteristik besaß, die mich auf weitere Partien neugierig machte.

Diese beiden Charaktertenöre spielten in Zedniks Leben eine sehr konträre Rolle. Unser junger Tenor studierte am Konservatorium bei Kammersänger Peter Klein. Die beiden harmonierten ganz und gar nicht. Zednik ist jedoch in seiner Biografie so fair zu sagen, dass Peter Klein für andere Schüler ein guter Lehrer gewesen ist, auch wenn er persönlich ihm kaum etwas verdanke. Zednik scheint überhaupt ein Skeptiker, was Methoden betrifft, zu sein und sein Wahlspruch, der Ausspruch Mephistos in Goethes „Faust“: „Grau, mein Freund ist alle Theorie“.

Während der Mime der Jahre 1942 bis 1969 dem Mime der Siebzigerjahre bis zu den ersten Jahren des neuen Jahrtausends jegliches Talent absprach, war Gerhard Stolze, wie oben schon angedeutet Konkurrent und Nachfolger des „Schaufenstermodels“, Zedniks Protegée für Bayreuth. Mit seinem Mime im „Jahrhundert-Ring“ 1976 wurde Heinz Zednik weltberühmt, obwohl er diesen schon 1974 oder Anfang 1975 zum Beispiel in Nizza gesungen hat, wie ich aus einem Telefonat zwischen einer Bekannten des Tenors und ihm mitbekam.

Heinz Zednik als Loge © Bayreuther Festspiele

Das Schöne an Biografien sind die schicksalshaften Fügungen, von denen man erfährt. Zednik schreibt: „Die Szene spielte in einem Zugabteil irgendwo zwischen Düsseldorf und Köln.“ Der designierte Direktor des Grazer Opernhauses berichtete dem bekannten Operettentenor Erwin Gross, dass er auf der Suche nach einem jungen Tenorbuffo ist, und weil Gross und Zednik beide Schüler von Frau Prof. Wissmann waren, nannte Gross den jüngeren Schüler. Und als bei der Wiederaufnahme der „Meistersinger“ im Grazer Opernhaus der unsrem jungen Tenor versprochene David dem Haustenor überlassen wurde und er den Augustin Moser übernehmen musste, war das ein Glücksfall. Denn im November 1964 erreichte ein panischer Anruf aus dem Betriebsbüro der Wiener Staatsoper Graz: Der Sänger für den Augustin Moser ist ausgefallen! Zednik sprang ein und dieses Einspringen brachte ihm einen Dreijahresvertrag an die Wiener Staatsoper.

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Anna Netrebko und Yusif Eyvasov in der Wiener Staatsoper: Ist es klug ein Ehepaar als Liebespaar auftreten zu lassen?

Giacomo Puccini, Tosca
Wiener Staatsoper, 13. Dezember 2020

Livestream am 13. Dezember 2020

von Dr. Ralf Wegner, Hamburg

Inszenierung und Bühnenbild haben mir gefallen. Es war alles so, wie man sich eine Tosca-Aufführung vorstellt. Gleiches gilt für die Bildregie, die alles unaufgeregt auf den Bildschirm brachte. Allerdings bleibt es schwierig, eine Opernaufführung, ob live übertragen oder als Filmkonserve, hinreichend zu beurteilen. Auf keinen Fall ist es möglich, die Atmosphäre und Aura einer selbst erlebten Aufführung per Bildschirm auch nur annähernd einzufangen. Das gilt etwa für die nicht einfangbare, schiere Größe der Stimme; aber auch ein ausuferndes Vibrato kann im Saal bei entsprechender darstellerischen Potenz immer vergessen werden. Gwyneth Jones war hierfür während ihrer letzten Bühnenjahre ein Beispiel.

Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht. Anna Netrebko verfügt als Tosca zweifellos über eine prachtvolle große und in der Höhe aufblühende, dunkel timbrierte, schöne Stimme ohne jede Schärfe oder störendes übermäßiges Vibrato. Der Stimme mangelt es aber in meinen Ohren an Ausdrucksvermögen, an Beseelung. Gefühle wie hingebungsvolle Liebe, Verzeihen, schiere Verzweiflung und abgrundtiefer Hass werden von der Sängerin zwar gespielt, aber nicht stimmlich transportiert.  „Giacomo Puccini, Tosca, Anna Netrebko, Yusif Eyvazov, Wolfgang Koch
Wiener Staatsoper, 13. Dezember 2020“
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Weltklasse! Anna Netrebko ist eine Tosca bis in die Fingerspitzen

Giacomo Puccini, Tosca
Wiener Staatsoper, 13. Dezember 2020 (Live-Aufführung)

 Anna Netrebko Fotos: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Renate Wagner bespricht den Stream:

Man kann an Anna Netrebko vieles bewundern; auf jeden Fall das ungemein konsequente Arbeiten an einer Karriere (denn geschenkt wird einem ja bekanntlich gar nichts). Bewundernswert ist nicht zuletzt ihr Fleiß. Man könnte schwindlig werden angesichts der Schnelligkeit, mit der sie sich in den letzten Jahren ein Riesenrepertoire von Riesenpartien angeeignet hat.

Nachdem sie Mozart, Bellini und Donizetti hinter sich gelassen hatte und 2014 in die Lady Macbeth gesprungen war, kamen die Troubadour-Leonora und die Giovanna d’Arco, es folgte die Adriana Lecouvreur, dann die Aida. 2017 eröffnete sie die Scala mit der Madeleine im „Andrea Chénier“ (die sie dann auch in Wien gesungen hat), 2018 folgten die „Tosca“ an der Met (mit der sie die Scala 2019 eröffnete) und die Forza-Leonora (in London mit Kaufmann), dann sang sie – die Zusammenarbeit mit Thielemann stand dahinter, wenn auch diesbezügliche Pläne bisher nur teilweise verwirklicht werden konnten – die Elisabetta und die Turandot. Und wenn man sie ließe, hätte sie demnächst an der Met als Abigaile debutiert, aber wie man sie kennt, holt sie das noch nach. „Giacomo Puccini, Tosca, Anna Netrebko, Wiener Staatsoper, 13. Dezember 2020 (Live-Aufführung)“ weiterlesen

Piotr Beczala hat für die Rolle alles, die Biegsamkeit der Stimme, die Kraft, die Höhen, nur eines nicht: die Eleganz der französischen Phrasierung.

Wiener Staatsoper / STREAM: WERTHER

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WIEN / Wiener Staatsoper / STREAM: WERTHER von Jules Massenet, 10. Dezember 2020

von Dr. Renate Wagner, Wien

Foto: Bogdan Roščić, Wiener Staatsoper © Foto: M. Pöhn

Nein, Bogdan Roščić ist nicht Peter Gelb (man kann ja schließlich auch einmal Glück haben), er sperrt sein Haus nicht a priori zu (weil das die bequemste Lösung ist), er spielt – und wenn er Corona-bedingt nicht mehr vor Publikum spielen darf, dann produziert er dennoch für die digitalen Medien, damit Leistungen nicht verloren gehen.

Ehrlich, wenn die Netrebko, der Beczała, unser Groissböck ihre wichtigen Wiener Rollendebuts geben wollen, gehörte schon gewaltige Gefühllosigkeit dazu, sie ihnen zu verweigern. Und das Publikum ist ja auch noch da, das seine Lieblinge lieber am Computer oder Bildschirm als gar nicht sieht…

So lief also als erste von im ganzen fünf geplanten Produktionen für den Dezember (die Henze-Premiere und die Silvester-„Fledermaus“ kommen auch noch dazu), der „Werther“.

Die 15 Jahre alte Inszenierung von Andrei Serban (die hat damals übrigens Philippe Jordan dirigiert, der sich – wie er in seinen Memoiren vermerkt – nie hätte vorstellen können, dass er einmal an diesem Haus Musikdirektor sein würde…), ist nicht besser geworden. Man weiß, dass dieser romantischen Tragödie die Gewänder der Goethe-Zeit am besten stehen (Aufführungen mit Kaufmann / Koch haben das bewiesen), und warum man die bürgerliche Beengtheit der fünfziger Jahre da mit inszenieren muss, wissen die Götter – sie machen die Geschichte nur reizlos, und keine Charlotte mit scheußlicher blond-ondulierter Lockenfrisur, kein Werther im Mantel kann die Wirkung erzielen, die schon von der Optik her genuin in der Geschichte steckte. Aber vermutlich ist diese Diskussion längst abgeschlossen, und wer so etwas wie „Respekt“ vor dem Werk postuliert, ist ohnedies verloren.

Werther Beczala 2020 Xx
Fotos: Wiener Staatsoper / Pöhn

Außerdem lieben die Wiener (nicht nur sie, aber sie besonders) das Startheater, und der Pole Piotr Beczała (mit Wiener Wohnung und zweifellos besonderer Verbundenheit mit der Stadt, wenn er auch in Linz begonnen hat, wo’s ja bekanntlich beginnt…) ist ein solcher. In der ersten Hälfte seiner 50er Jahre ist ein Tenor, wenn er seine Stimme gepflegt hat, auf der Höhe seiner Kunst. Nun hat Beczała (ideal in Rusalka, in Onegin) bekanntlich vor allem die Italiener gesungen, sich die Franzosen nur partiell einverleibt – in Wien war er Faust und Roméo sowie der dramatische José. Den Hoffmann hat er sich allerdings überlegt (angeblich, weil die Rolle nichts hergibt, womit er sicher unrecht hat).

Nun also der Werther, der ein junger Mann sein sollte, aber wie genau nimmt man das schon? (Zumal, wenn man ihm auch eine etwas behäbige Charlotte gibt, die nicht den Eindruck eines jungen Mädchens erweckt.) Er hat für die Rolle alles, die Biegsamkeit der Stimme, die Kraft, die Höhen, nur eines nicht – die Eleganz der französischen Phrasierung. Aber wer will sich schon in Stilfragen verheddern? „Pourquoi me réveiller“ gelang ihm prachtvoll, live hätte das, wäre Publikum im Zuschauerraum gewesen, Jubelstürme und Getrampel ergeben. Im übrigen merkt man immer, wie sehr Beczała bemüht ist, seine Figuren auch zu gestalten. Aber vor allem kann er sie singen – so wie er bei Stimme ist, möchte man seinen Radamès, um dessen Debut an der Met er eben gekommen ist, möglichst bald hören…

Werther D5b2999 Fally Arquez Xx~1

Wenn eine Sängerin wie Gaëlle Arquez einst unter Philippe Jordan debütiert hat (das war in der Opéra Bastille in  Hanekes »Don Giovanni« als Zerlina), hat sie gute Karten, aber man muss ehrlich sagen, dass schon Meyer sie als Glucks „Armide“ eingesetzt hat und dass sie auf der Bregenzer Seebühne eine überzeugende Carmen war, überzeugender jedenfalls als diese etwas hausbackene, etwas ungelenke Charlotte, deren dunkel-leuchtender Mezzo immer wieder ziemlich durchdringend klang. Sie hat jedenfalls nicht, wie manche Kollegin, ihren Liebhaber Werther in den Schatten gestellt.

Die beiden „großen“ Nebenrollen sind dankbar genug, dass Daniela Fally noch immer – mit etwas Forcement – das junge Mädchen singt, und Clemens Unterreiner lässt sich von der Erinnerung an seinen Kollegen, der zum idealen bösen Gatten dieser Inszenierung wurde, nicht verschrecken und gibt seine Version des bürgerlichen Bösewichts, teils mit gewaltigem Stimmeinsatz. Dazu in den echten Nebenrollen: Peter Kammerer, Andrea Giovannini und Michael Rakotoarivony.

Bertrand de Billy ist nicht der einzige (Welser-Möst kam noch früher), der sich einst mit Dominique Meyer überworfen hat und jetzt an die Staatsoper zurückkehrt. Da ist die düster vibrierende Romantik und die große Tragödie, und sie kommen voll aus dem Orchester.

Offenbar durften doch ein paar Zuschauer in der Oper sitzen, und sie klatschten am Ende in Vertretung für alle, die es vielleicht vor ihren Computern und Fernsehschirmen getan haben. Um das festzuhalten: Man ist sehr dankbar für diese Aufführungen.

Renate Wagner / onlinemerker.com, 11. Dezember 1010

Diese „Werther“-Aufführung wird am 10. Jänner 2021 (20.15 Uhr) in
ORF III gesendet.

klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at, 11. Dezember 2020

Eine "Salome" voller Überraschungen

Foto: Vida Miknevičiūtė © Jerzy Bin Photography

Wiener Staatsoper, 8. Oktober 2020
Richard Strauss, Salome

Regie: Boleslaw Barlog

Orchester der Wiener Staatsoper
Dirigent: Alexander Soddy

Mit: Vida Miknevičiūtė, Marina Prudenskaya, Vincent Wolfsteiner, Tomasz Konieczny

von Herbert Hiess

Die erste besuchte Aufführung unter der neuen Direktion Roščić – und schon kommt man aus dem Staunen nicht raus. Zuerst kann man erfreut registrieren, dass viel junge und jüngere Leute die Aufführung besuchten; das war erstens schon lange nicht der Fall und zweitens ist das in anderen Häusern nicht wirklich zu bemerken. Und vor allem, dass man eine „Salome“ höchstkarätig serviert bekommt, ist sicher nicht alltäglich. Das war zuletzt bei Herbert von Karajan in Salzburg der Fall und ebendort 1992 unter Christoph von Dohnányi. Diese tolle Besetzung von damals (Malfitano, Schwarz, Riegel, Terfel) wird durch die aktuelle von Wien fast übertroffen. „Richard Strauss, Salome,
Wiener Staatsoper, 8. Oktober 2020“
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"Star-Tenor" Jonas Kaufmann in der besten Oper der Welt: Echter Verdi, echte Emotion klingen anders

Jonas Kaufmann wird seines großen Namens zu selten gerecht. Nur gelegentlich, wie zum Beispiel im Abschiedsduett zwischen Don Carlos und Elisabeth, lässt er die Herzen des Publikums höherschlagen. Der Rest ist überwiegend ziemlich ernüchternd. Woran das ganz genau gelegen hat, ist schwierig zu beantworten. Ob einfach nur an der Stimme, die dauerhaft zu wenig differenziert und aufgrund des „voce ingolata“ einschläfernd wirkt oder auch am Dirigat Bertrand de Billys, das ebenso wenig zupacken kann und nur durch oberflächlich, reinen Schönklang in Erinnerung bleibt – vermutlich von allem ein wenig. Echter Verdi, echte Emotion klingen anders.

Foto: Jonas Kaufmann; Wiener Staatsoper © Michael Pöhn
Giuseppe Verdi, Don Carlos

Wiener Staatsoper, 27. September 2020

von Jürgen Pathy

Verdi auf Französisch – nein, danke! Mag es zwar löblich sein, dass Bertrand de Billy das Original mühevoll rekonstruiert hat, die volle Wirkung kann Verdis Meisterwerk im Grunde nur in italienischer Sprache entfachen. Vor allem emotional und musikalisch. Die Rede ist von „Don Carlos“. Nicht umsonst hat Verdi sich die Arbeit angetan, die Grande opéra im klassischen Stil zu kürzen und zu streichen. Für die italienische Neugestaltung, die 1884 an der Mailänder Scala aufgeführt wurde, nahm er nicht nur einige Änderungen vor, sondern eliminierte die Hälfte der Musik und komponierte ein Drittel zur Gänze neu.

Weshalb, das durfte man gestern an der Wiener Staatsoper zur Kenntnis nehmen. „Don Carlo“ als „Don Carlos“, also in der französischen Urfassung von 1867: langweilig! Vor allem der erste Akt, den Verdi in der späteren Fassung komplett gestrichen hatte, ist geprägt von Langatmigkeit und musikalisch gähnender Leere. „Giuseppe Verdi, Don Carlos
Wiener Staatsoper, 27. September 2020“
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Verdi-Festival für alle Sinne: Publikumsliebling Plácido Domingo verzaubert Wien

Ein Domingo, den man in dieser stimmlichen Verfassung vermutlich nur mehr selten, wenn überhaupt jemals wieder erleben können wird. Opernherz, was willst du mehr?!

Foto: Plácido Domingo als Simon Boccanegra in der Wiener Staatsoper, Foto: Michael Pöhn

Giuseppe Verdi, Simon Boccanegra
Wiener Staatsoper, 18.
September 2020

von Jürgen Pathy

Bravo Plácido! Ein Altstar erlebt seinen zweiten Frühling. Obwohl Plácido Domingo, der letzte echte Opernstar von Weltrang, seinen Zenit schon länger überschritten hat, bewies er gestern Abend mal wieder, weshalb er noch immer zurecht auf der Bühne der Wiener Staatsoper steht. Der Spanier, der seit Jahren als Bariton durch die Welt tourt, brilliert in der Titelpartie von Giuseppe Verdis „Simon Boccanegra“. In diesem – zu Unrecht – unterschätztem Meisterwerk, das musikalisch als auch dramaturgisch, großes Kino bietet, feiert der Publikumsliebling einen sensationellen Erfolg.

Bereits 2009, als er mit Simon Boccanegra sein internationales Debüt als Bariton aufs Parkett zauberte, war der Lobgesang hoch. Jetzt, elf Jahre später, einige Skandale und Jährchen mehr am Buckel – offiziell ist er 79 Jahre alt, man munkelt er hätte die 80 jedoch schon überschritten – kann er es noch immer. Und wie! „Giuseppe Verdi, Simon Boccanegra
Wiener Staatsoper, 18. September 2020“
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