DVD-Rezension: In Schönheit sterben

DVD-Besprechung, Charles Gounod, Faust, Royal Opera House London  klassik-begeistert.de

Charles Gounod
Faust
Royal Opera House London
Opus Arte  0A1330D

von Peter Sommeregger

Der Zufall wollte es, dass fast zeitgleich mit dem Erscheinen dieser DVD zwei neue Faust-Inszenierungen an großen Opernhäusern herauskamen. Paris hatte den Shooting-Regiestar Tobias Kratzer verpflichtet, der seit seinem Erfolg mit dem Tannhäuser in Bayreuth 2019 hoch gehandelt wird. Die Wiener Staatsoper dagegen kaufte die schon längere Zeit in Stuttgart laufende Inszenierung Frank Castorfs (lesen Sie bitte unten) ein.

Da ist die neu einstudierte, aber schon ältere Inszenierung der Londoner Oper doch von sehr verschiedener Art. Der Schotte David McVicar hatte sie 2004 in Covent Garden herausgebracht, neu einstudiert und in neuer Besetzung erlebte sie 2020 ein Revival. So konventionell der Charakter dieser Produktion auch ist, als verstaubt möchte man sie wirklich nicht bezeichnen. McVicar hat ein stimmiges Konzept, für das ihm Charles Edwards stimmungsvolle Bühnenbilder und Brigitte Reiffenstuel elegante Kostüme beigesteuert haben. Es ist wohltuend, ein Werk wie Faust einmal wieder befreit von Verfremdungen und Umdeutungen erleben zu können.

Dabei mischt der Regisseur die Szene ganz schön auf, die Choreographie von Michael Keegan-Dolan ist pointiert und wird virtuos ausgeführt. Im finalen fünften Akt erleben wir ein Handlungsballett, das Marguerites und Valentins Unglück tänzerisch und pantomimisch wiedergibt. Dadurch gerät der Akt aber insgesamt ein bisschen zu lang, die Proportionen verschieben sich zu sehr zu Gunsten des Schlussaktes. Dabei bekommen wir zur Walpurgisnacht aber viel Originelles geboten, so z.B. Mephisto in Abendrobe mit Diadem.

In dieser Produktion liegt der Fokus eindeutig  auf der teuflischen Figur. Erwin Schrott leiht ihm seinen sehr geschmeidigen, farbenreichen Bass und bietet ein wahres Feuerwerk vokaler Raffinessen. Der Titelheld Faust, von Michael Fabiano gesungen, ist ihm ein ebenbürtiger Gegenspieler. Sein kräftiger Tenor, mit schönem Timbre ausgestattet, hat sich endgültig zum Spinto entwickelt und gibt seiner Figur stimmliches wie darstellerisches Gewicht. Den gefürchteten Spitzenton seiner Arie singt er im Falsett, aber grandios sicher.

Irina Lungu, die moldawische Sopranistin, ist Marguerite. Sie kann im Spiel durchaus überzeugen, ihr kräftiger, etwas körniger Sopran kommt mit der Rolle gut zurecht, nur gegen Ende und im Finale scheint die Sängerin an ihre Grenzen zu kommen. Insgesamt aber eine ansprechende Leistung. Mit baritonalem Wohlklang erfreut Stéphane Degout als Valentin, Marta Fontanals-Simmons gibt einen stimmlich sicheren, jugendfrischen Siébel, Carole Wilson gibt eine üppige, herbe Marthe Schwertlein. Insgesamt kann man die Sängerbesetzung als sehr ausgewogen bezeichnen.

Dan Ettinger bringt Frische und Temperament für diese Oper mit, sein Dirigat ist straff, lässt aber auch den lyrischen Passagen des Werkes genügend Raum zur Entfaltung. Orchester, Chor und Ballett des königlichen Opernhauses präsentieren sich auf gewohnt hohem Niveau. Eine absolut sehens- und hörenswerte Aufführung!

Peter Sommeregger, 8. Mai 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-.begeistert.at

Charles Gounod, Faust Livestream aus der Wiener Staatsoper am 29. April 2021

CHARLES GOUNOD, FAUST – Premiere per Livestream, 29. April 2021 Wiener Staatsoper

Charles Gounod,  Faust, Aufführung vom 16. März 2021 Opéra Bastille, Paris., gesendet zeitversetzt am 26. März auf France 5

Charles Gounod, Faust, Braunschweiger Staatstheater, 23. Oktober 2019

Charles-Francois Gounod, Faust, Royal Opera House Covent Garden, 30. April 2019

Charles Gounod, Faust, Deutsche Oper Berlin

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert