Ein Freude und Lebenslust hinterlassendes Ereignis: John Neumeiers Bernstein Dances beim Hamburg Ballett

Hamburg Ballett, John Neumeier, Bernstein Dances 22. Oktober 2021

Staatsoper Hamburg, 22. Oktober 2021
Hamburg Ballett, Bernstein Dances

Foto: Nach der Aufführung: Sebastian Knauer (Klavier), Félix Paquet , Dorothea Baumann (Sopran), Bosse Vogt (Bariton), Garrett Keast (musikalische Leitung), Hélène Bouchet, Christopher Evans, Emilie Mazoń, Jacopo Bellussi, Tai Murray (Violine), David Rodriguez

Aber nicht nur die Protagonisten glänzen in dieser vor Tanz überquellenden Ballettrevue, auch aus der zweiten Reihe kommt Beeindruckendes, wie ein kleines Solo am Bühnenrand von Artem Prokopchuk dargeboten oder von Atte Kilpinen, der sich mit hoher Drehkraft wie ein kleiner Tornado in die Doppeldrehung wirft.

von Dr. Ralf Wegner (Text und Fotos)

Neumeier nennt sein Stück Ballettrevue. Es beginnt mit der unter Garrett Keast vom Philharmonischen Staatsorchester mitreißend gespielten Candide-Ouvertüre, während der Aufnahmen vom Komponisten und Dirigenten Leonard Bernstein wechselnd aufleuchten. Bernsteins Candide-Ouvertüre wird nach der Pause wiederholt, unter Begeisterung auslösendem Einsatz des gesamten Ballettensembles.

Eine stringente, quasi biographische Handlung gibt es nicht: Ein junger Mann (Christopher Evans) kommt nach New York, findet Freunde, lernt ein junges Mädchen (Emilie Mazoń) und eine Frau (Hélène Bouchet) kennen, gibt sich ganz der Lebensfreude und der Aura dieser Riesenstadt hin. Später, beruflich arriviert, treten wechselnde Paarbeziehungen, wie das Leben sie schreibt, hinzu; immer sinnlich-verführerisch begleitet von Love (David Rodriguez), der als Eros und Muse die Fäden knüpft.

Wo soll man anfangen? Christopher Evans ist als Tänzer großartig, zudem ein charismatischer Darsteller eines jungen Mannes aus der Provinz, der die Welt für sich gewinnen will.

Emilie Mazoń tanzt mit einer gewissen kecken Scheu das junge Mädchen; aber nicht sie, sondern Hélène Bouchet erobert und verliert ihn wieder. Einer Königin gleich tritt sie auf. Unauffällig, dennoch die Blicke auf sich ziehend, zelebriert sie mit hinreißender Eleganz ihre raumgreifende Kunst; sie erinnert an die im Filmgewerbe als Rita Hayworth bekannt gewordene US-amerikanische Tänzerin Margarita Cansino.

Die dritte im Bunde ist Madoka Sugai. Wie sie die moderne Tanztechnik im Stück A Little Bit in Love beherrscht, ist einfach umwerfend, ebenso beeindruckt ihr Tanzpartner Félix Paquet mit einem großen Solo zu Bernsteins Wrong Note Rag. Der erst kürzlich mit dem italienischen Tanzpreis „Premio Nazionale Sfera d’Oro per la Danza“ ausgezeichnete Jacopo Bellussi, dem sich Evans alias Bernstein zeitweilig verbunden fühlt, fügte sich nahtlos in das Terzett der miteinander verbundenen Paare ein.

Foto: Christopher Evans

Aber nicht nur die Protagonisten glänzen in dieser vor Tanz überquellenden Ballettrevue, auch aus der zweiten Reihe kommt Beeindruckendes, wie ein kleines Solo am Bühnenrand von Artem Prokopchuk dargeboten oder von Atte Kilpinen, der sich mit hoher Drehkraft wie ein kleiner Tornado in die Doppeldrehung wirft. Aber auch alle anderen Tänzerinnen und Tänzer zeigen Außerordentliches und lassen diese Ballettrevue zu einem großen Ereignis werden. Die meisterhaft für das gesamte Ensemble durchchoreographierte Candide-Ouvertüre wurde beim Schlussapplaus erneut unter Jubel des enthusiasmierten Publikums wiederholt.

Zum Gelingen der Aufführung trugen auch Dorothea Baumann (Sopran) und Bosse Vogt (Bariton) sowie Sebastian Knauer am Flügel und die Violinistin Tai Murray bei, nicht zu vergessen die großartigen, von Giorgio Armani entworfenen Kostüme und die New York Fotos von Reinhart Wolf, darunter das beeindruckende Bild der von Brooklyn aus aufgenommene Brooklyn Bridge mit den Twin Towers im Hintergrund.

Dr. Ralf Wegner, 22. Oktober 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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