Grange Park Opera, West Horsley Place, Großbritannien, 26. Juni 2022
Die Grange Park Opera – nicht zu verwechseln mit dem Grange Festival (aber wie es zu dieser Beinahe-Namensgleichheit kam, ist eine andere, eher komplizierte Geschichte) wagte sich an Leoš Janáčeks „The Excursions of Mr. Brouček“: Ein turbulenter Spaß – und wie die Direktorin des Opernhauses im Grünen vor dem Vorhang erklärte, eine der wenigen Opern bei denen es keine Toten gibt… Nun, Tote zwar nicht, aber die Musik (zumindest in den ersten beiden Akten) mit ihren Dissonanzen ist ebenso wenig Jedermanns Sache wie die oftmals sehr krude Inszenierung dieser musikalischen Farce: Da sitzt Brouček, der literweise Pilsner Bier in sich hinein gießt mitten auf der Bühne in einem Klo und rechts am Bühnenrand taucht eine riesige Klobürste auf, an der er schnuppert. Besonders geschmackvoll ist das nicht und soll es wohl auch nicht sein. Originell hingegen die historischen Gestalten aus der tschechischen Geschichte, die auf bunten Plastic-Bierflaschengestellen auf die Bühne gefahren werden. Und Václav Havel hinter Gittern – ein Anachronismus, denn der Prager Frühling ereignete sich vier Jahrzehnte nach Janáčeks Tod – war schon sehr beeindruckend.
Leoš Janáček, The Excursions of Mr Brouček (gesungen in englischer Sprache, Übersetzung von David Pountney)
von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Fotos)
Herr Brouček ist ein kleiner, dicker Mann mit hochfliegenden Träumen: So möchte er auf den Mond fliegen und die Mondfahrer kommen in dieser Inszenierung gebührend zu Ehren in weiß-silbernen Raumanzügen. Aber Broučeks Träume enden in Bierdunst und Suff; meistens schläft er sich seinen Rausch aus. Eine Art Schwejk, aber ganz ohne Heroismus.
David Pountney ist immer gut für originelle, intelligente Inszenierungen – als Intendant der Bregenzer Festspiele hatte er sich einen exzellenten Namen gemacht und Janáčeks wunderbares „Füchslein“, das ich mit Genuss an der Welsh National Opera sah, war einfach meisterhaft. So auch hier das großartige Bühnenbild, das aus gigantisch vergrößerten Kitsch-Objekten aus Prager Souvenirshops bestand.
Das BBC Concert Orchestra unter der souveränen Stabführung von George Jackson umschiffte souverän die Klippen der zahlreichen schwierigen Dissonanzen im ersten Teil vor der großen Picnic-Pause und widmete sich danach subtil der feineren Musik, wie man sie bei Janáček so sehr liebt. Die gesanglichen Leistungen waren durchwegs beachtlich, namentlich die Málinka der walisischen Sopranistin Fflur Wyn (ja, die Waliser können singen… auch der fantastische Bryn Terfel hat schon in der Grange Park Opera gesungen) mit ihrer weit tragenden, lyrischen Stimme und der Brouček, des britischen Sängers Peter Hoare – mit einem weichen, warmen und doch überragend-raumfüllenden Tenor.
Ein anspruchsvolles und doch zugleich höchst amüsantes Opern-Erlebnis in diesem erst vor fünf Jahren fertiggestellten, kleinen Opernhaus, das mit seiner Backsteinarchitektur an das berühmtere Glyndebourne erinnert. Hier wie dort wird das Picnic im herrlichen Garten des wunderbaren alten Landhauses in der großen Pause zelebriert – doch lockerer und weit weniger formell als in Glyndebourne
Dr. Charles E. Ritterband, 27. Juni 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Regie: David Pountney
Bühne: Leslie Travers
Musikalische Leitung: George Jackson
Mr. Brouček: Peter Hoare
Málinka/Ethera/Kunka: Fflur Wyn
Würfl/Paycek/Rat: Andrew Shore
Sakristan/Dudcek/Domšík: Clive Bayley
Kedruta: Anne-Marie Owens
Spotcek/Vojta/Raincek/Miroslav: Adrian Thompson
BBC Concert Orchestra
Georg Friedrich Händel, “Tamerlano“ The Grange Festival, 18. Juni 2022
17. St.Galler Festspiele, Giuseppe Verdi, „Giovanna d’Arco“ 24. Juni 2022 PREMIERE