Foto: © Monika Rittershaus
Theater an der Wien, 28. Dezember 2018
Carl Maria von Weber: Euryanthe
Arnold Schoenberg Chor
ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Constantin Trinks, Dirigent
Christof Loy, Regisseur
Johannes Leiacker, Bühne
Stefan Cerny, König Ludwig VI.
Norman Reinhardt, Adolar
Jacquelyn Wagner, Euryanthe
Andrew Foster-Williams, Lysiart
Theresa Kronthaler, Eglantine
von Herbert Hiess
Carl Maria von Weber schaffte es in seinem allzu kurzen Leben (er wurde knapp 40 Jahre alt!) nicht, bis auf „Der Freischütz“ Opern zu komponieren, die sich im Dauerrepertoire eines Opernhauses befinden. Trotzdem war die aktuelle Produktion von „Euryanthe“ ein echtes Erlebnis. Dank der großartigen Besetzung und vor allem der musikalischen Leitung konnte man ein Ereignis miterleben – auch wenn sich hier der Regisseur auf gewissen Abwegen befand…
Webers „Euryanthe“ ist ein Spätwerk des Komponisten; die Oper wurde 1823 im Wiener Theater am Kärntnertor uraufgeführt. Der Zeitbezug ist recht interessant, da das Werk offensichtlich der Wegbereiter für Wagners „Lohengrin“ war, der erst 1850 vorgestellt wurde.
Die Protagonisten des Stückes sind Euryanthe und Adolar (Elsa und Lohengrin) als „gutes“ Paar sowie Eglantine und Lysiart (Ortrud und Telramund) als „bösartiges“ Paar.. Vor allem im zweiten Akt sind gewaltige Parallelen zwischen den beiden Deutschen Opern hör- und bemerkbar. Auch Verdi holte sich hier seine Anleihen; bei seinem 1847 uraufgeführten „Macbeth“ hat er sich hörbar vor allem bei dem Duett Eglantine und Lysiart und bei Eglantines „Wahnsinnsszene“ im dritten Akt bedient.
Das Libretto der Oper ist ein veritables Unglück ; ein Wunder, dass Weber über den oft stumpfsinnigen Text eine so geniale Musik legen konnte. Wenn manche Leute über Wagners Texte lachen; gegen Helmina von Chéziys Texten sind Wagners Wortschöpfungen reine Poesie schlechthin. Da ist es geradezu ein Unglück, wenn man Deutsch versteht. Letztlich ist das Libretto ein Grund, warum sich „Euryanthe“ nirgendwo ständig im Repertoire hielt.
Der deutsche Regisseur Christof Loy tat sich offenbar auch recht schwer mit dem Libretto – trotzdem gelang ihm die bestmögliche Umsetzung des hypersperrigen Textes. Warum er allerdings spezielle sexuelle Auslegungen in manchen Szenen zeigt – da können nur spezielle Psychoanalytiker darüber diskutieren. Auf Wienerisch hätte man vielleicht gesagt: „Der Freud hätt‘ sei Freud‘ damit.“ Sonderbar, dass er zu Beginn der Oper Euryanthe und Eglantine als fast lesbisches Pärchen darstellt und noch sonderbarer, dass Lysiart im zweiten Akt lange Zeit splitternackt herumagiert. Warum sich der Sänger Andrew Foster-Williams dafür hergibt, ist seine Sache. Entwürdigend für ihn war es allemal. Der Rest der Szenerie ist sehr ansprechend; bei der Lichtregie und bei der Personenführung zeigen sich die Stärken von Christof Loy.
Webers Dreiakter ist zu Beginn fast oratorienhaft statisch; erst im zweiten und dritten Akt kommt echtes Leben auf die Bühne und in den Orchestergraben. Die Sänger waren durchaus spitzenmäßig – allen voran der allzu unterschätzte Wiener Stefan Cerny mit seinem profunden Bass. Jacquelyn Wagner als Euryanthe, Theresa Kronthaler als Eglantine und Herr Foster-Williams bestätigten das hohe künstlerische Niveau des Theaters an der Wien. Auch Norman Reinhardt war ganz hervorragend; er brauchte halt einige Zeit, bis er in Hochform kam.
Constantin Trinks, mit dem man 2017 beim Ring-Projekt im Theater an der Wien Bekanntschaft machen konnte, bewies auch bei Webers „Euryanthe“ seine exzellenten kapellmeisterlichen Fähigkeiten. Der Maestro ließ Webers einzige durchkomponierte Oper im Luxusklang schwelgen, wobei ihn das ORF-Orchester fulminant unterstützte. Vor allem die Holzbläser waren hier das große Atout.
Diese Produktion endet mit dem Sylvestertag 2018; man hat leider nicht den Eindruck, dass sich diese Oper irgendwo in einem Repertoirehaus halten könnte. Einerseits ist das Libretto schwach und andererseits braucht man fünf hervorragende Sänger. Da orientieren sich die Intendanten lieber an Wagner; der verkauft sich wahrscheinlich viel besser als Weber.
Herbert Hiess, 29. Dezember 2018, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Man spürt, dass der Autor vieles gesehen, vieles gehört hat. Darüber schreibt er unaufgeregt und präzise. So sieht eine echte Rezension aus. Danke Herbert Hiess!
Teresa Grodzinska aus Hamburg
Danke, meine Liebe Teresa.
Liebe Grüße aus Wien und die allerbesten Wünsche für 2019
„Die Sänger waren durchaus spitzenmäßig – allen voran der allzu unterschätzte Wiener Stefan Cerny mit seinem profunden Bass“. Sehe ich genauso! Cerny ist meines Erachtens ein Grund um eine Vorstellung zu besuchen: zum Beispiel „Don Giovanni“ an der Volksoper Wien.
Jürgen Pathy