Dieser Tage spielt sich das soziale Leben der Wienerinnen und Wiener nicht wie üblich in der Oper, im Konzerthaus oder im Theater ab, sondern in den eigenen vier Wänden. Dass dies zu Problemen führt, muss gar nicht ausgeführt werden. Man „pickt“ aufeinander, raunzt noch mehr als sonst; diesmal sogar zu recht, und beim ein oder anderen wird vielleicht still und heimlich bereits vor 16 Uhr das erste „Glaserl“ oder „Krügerl“ getrunken – ganz gegen die übliche Regel „Kein Bier vor vier“.
Doch die Ausnahmesituation bringt eben auch sonst unübliche Verhaltensmuster zum Vorschein. Im nachmittäglichen Rausch der Musikliebhaber tauchen Bilder vor dem geistigen Auge auf von Familien, die sich um das Klavier versammeln und gemeinsam musizieren. Die Mutter und der Vater an den Instrumenten – die Kinder üben sich im Gesang. Das Musizieren in den eigenen vier Wänden wie es im biedermeierlichen Bürgertum üblich war, aber auch die sogenannten Leiermänner und Harfinisten, die das einfachere Volk in den Buschenschanken der Vorstadt (denn dort galt die eingeführte Verzehrsteuer nicht und machte Speis und Trank um einiges leistbarer) unterhielten, werden oft mit dem Polizeistaat in Verbindung gebracht. Wer konnte zog sich in die eigene Wohnung zurück, und die anderen vertrieben sich die Sorgen in wohliger Umgebung bei Wein und Musik.
Auch in diesen Tagen, die von sozialer Isolation geprägt sind, hat das private Musizieren im schönen Wiener Bezirk Margareten (5. Gemeindebezirk) wieder Einzug gefunden. Die vier Hauswände der Zentagasse, Vogelsanggasse und Jahngasse bilden die Bühne für Mario Mairhofer alis „Herr Leopold“, der täglich um 18 Uhr seine Nachbarinnen und Nachbarn mit ausgewählten Wienerliedern erfreut. Ich habe mich mit Herrn Leopold per Videotelefonat unterhalten.
von Anna Ploch
klassik-begeistert.de: Lieber Herr Leopold, seit 18. März gibst du täglich um 18 Uhr für deine Nachbarinnen und Nachbarn ein Hofkonzert, wie ist dir diese Idee gekommen?
Mario Mairhofer: Ehrlicherweise muss man sagen, dass es eines Abends nach zwei, drei Gläschen Wein dazu gekommen ist. Davor habe ich schon Wohnzimmerkonzerte in einer Whatsapp-Gruppe veranstaltet und hatte überlegt, ob ich nicht für die Nachbarschaft live singen könnte. An dem besagten Abend habe ich es dann beschlossen und am nächsten Abend einfach gemacht. Es war mir wichtig die Leute in dieser Zeit zum Lachen zu bringen, aber auch zum Nachdenken. Das Wienerlied bietet sich hier sehr gut an.
Das Wienerlied ist ja kein besonders populäres Genre, schon gar nicht bei den jungen Leuten. Du bist nicht unbedingt alt. Was gefällt dir so daran?
Naja, nicht alt ist Ansichtssache. In den 1980e- Jahren hat es jeden Samstagnachmittag die sogenannten Heimatfilme auf ORF gespielt. Da bin ich sehr schnell mit Hans Moser, Peter Alexander und wie sie alle heißen in Kontakt gekommen, auch mit Operetten. „Interview: Herr Leopold – mit Wienerlied durch Coronakrise“ weiterlesen