Frauenklang 7: „In der Orgelmusik spielt das Geschlecht keine Rolle“

Ein Gespräch mit der Organistin Hyunjoo Na 

Während eines einfachen Taufgottesdienstes in St. Ansgarii in Bremen habe ich wieder herausgefunden, wie klein die Musikwelt ist. Zunächst bin ich, wie es häufig heute vorkommt, auf Corona-Einschränkungen gestoßen, diesmal hinsichtlich der musikalischen Begleitung der Zeremonie. Ein Mitglied der Pfarrgemeinde sang allein am Altar und die übrigen Gläubigen durften das nicht mitmachen, obwohl alle Masken trugen. Als ich bei dem Lied „Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen“ anfing, die Melodie eine Terz höher zu summen, hörte ich seitlich sofort: „Bitte nicht mitsingen!“ Ich wollte diese Person fragen, warum wir überhaupt Liederbücher bekommen hatten, wenn wir nur zuhören sollten.

von Jolanta Łada-Zielke

Das unangenehme Gefühl verflog jedoch schnell, als ich die Organistin spielen hörte. Während des Gottesdienstes führte sie zwei klassische Musikstücke aus dem Frühbarock auf. Sie spielte die kleine Orgel am Altar, ich konnte also ihre Hände sehen, wie effizient und mit welchem Gefühl sie sich über das Manual bewegten. Und dieser wunderschöne Klang! Nach dem Gottesdienst ging ich sofort auf sie zu, um ihr gegenüber persönlich meine Begeisterung auszudrücken. Und hier traf mich eine riesige Überraschung; mit freudigem Erstaunen erfuhr ich, dass diese Organistin eine ehemalige Studentin von meinem Professor Joachim Grubich ist. Ihm habe ich einst mein Lied über das Orgelpfeifchen gewidmet. „Frauenklang 7: Interview mit der Organistin Hyunjoo Na “ weiterlesen

Der Schlauberger 55: Lieber Gott, lass Hirn regnen! – Spannende Nachrichten

Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer und Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.

von Reinhard Berger

Haben Sie das auch gelesen? Die Facebook-Bosse wollen eine Software entwickeln, mit deren Hilfe Menschen direkt mit dem Gehirn schreiben können. Dabei sollen die elektrischen Ströme aus dem Kopf in den Computer geleitet werden. „Der Schlauberger 55: Lieber Gott, lass Hirn regnen! – Spannende Nachrichten“ weiterlesen

Daniels Anti-Klassiker 22: Bedřich Smetana – „Moldau“ aus „Mein Vaterland“ (1882)

Höchste Zeit, sich als Musikliebhaber neu mit der eigenen CD-Sammlung und der Streaming-Playlist auseinanderzusetzen. Dabei begegnen einem nicht nur neue oder alte Lieblinge. Einige der „Klassiker“ kriegt man so oft zu hören, dass sie zu nerven beginnen. Andere haben völlig zu Unrecht den Ruf eines „Meisterwerks“. Es sind natürlich nicht minderwertige Werke, von denen man so übersättigt wird. Diese sarkastische und schonungslos ehrliche Anti-Serie ist jenen Werken gewidmet, die aus Sicht unseres Autors zu viel Beachtung erhalten.

von Daniel Janz

Die Moldau – einer der zeitlosen Hits tschechischer Orchesterkompositionen, die Bedřich Smetanas Stellung als Nationalkomponist noch einmal unterstrich. Kaum ein anderes Werk dieses Komponisten ist so nachhaltig wirksam und von keinem Spielplan wegzudenken. Dazu kommt die ihm zugeschriebene Mystifizierung – Smetana, zum Zeitpunkt dieser Komposition selbst bereits komplett ertaubt, wird ob dieses Umstandes nicht selten auch mit Beethoven verglichen. Und doch – diese Geschichte des vermeintlichen Meisterstücks hat einen Knick. „Daniels Anti-Klassiker 22: Bedřich Smetana – „Moldau“ aus „Mein Vaterland“ (1882)“ weiterlesen

Rising Stars 11: Anna Handler, Dirigentin und Pianistin – die junge Maestra mit eigenem Orchester

Die Entwicklung und Karriere vielversprechender NachwuchskünstlerInnen übt eine unvergleichliche Faszination aus. Es lohnt sich dabei zu sein, wenn herausragende Talente die Leiter Stufe um Stufe hochsteigen, sich weiterentwickeln und ihr Publikum immer wieder von neuem mit Sternstunden überraschen. Wir stellen Ihnen bei Klassik-begeistert jeden zweiten Donnerstag diese Rising Stars vor: junge SängerInnen, DirigentInnen und MusikerInnen mit sehr großen Begabungen, außergewöhnlichem Potenzial und ganz viel Herzblut sowie Charisma.

Mozart KV 488, 1. Allegro – Anna Handler, Klavier und Leitung, Orchester Enigma Classica

von Lorenz Kerscher

Beim Eröffnungskonzert der hochinteressanten Konzertserie Stars & Rising Stars München am 8. Juli 2021 stellte die berühmte Klarinettistin Sabine Meyer zwei ihrer talentiertesten Studenten vor und bot ein sehr schönes Programm von Solo- und Duostücken. Dafür gab es begeisterten Applaus, doch die eigentliche Attraktion des Abends war die junge Dirigentin Anna Isabella Handler mit dem von ihr gegründeten Kammerorchester „Enigma Classica“. Da stand eine energiegeladene junge Frau vor einer Gruppe begeisterter junger Musiker und gab mit präzisen Schlägen den Takt und die Inspiration für den packenden Konzertabend. „Sie hat alles, um sich in dieser immer noch von Männern beherrschten Domäne durchzusetzen“, war da mein erster Gedanke. „Rising Stars 11: Anna Handler, Dirigentin und Pianistin – die junge Maestra mit eigenem Orchester“ weiterlesen

Sommereggers Klassikwelt 97: 100 Jahre „Pippo“ Giuseppe Di Stefano

Wenn die Opernwelt in dieser Woche den 100. Geburtstag des Tenors Giuseppe Di Stefano feiert, lohnt ein Rückblick auf ein Leben, das keineswegs nur eine Geschichte von Triumphen und Erfolgen war.

von Peter Sommeregger

Der am 24. Juli 1921 in der Nähe von Catania auf Sizilien geborene Giuseppe besuchte ein Priesterseminar und überlegte ernsthaft, Priester zu werden. Die Freude am Gesang und sein offenkundiges Talent führten aber zielstrebig in Richtung einer Gesangsausbildung. Der Zweite Weltkrieg machte erst einmal alle Pläne zunichte, Giuseppe wurde Soldat, wurde aber schnell für Gesangsauftritte freigestellt, mit denen er die Truppe erfreute. Noch vor Kriegsende floh er in die Schweiz, wo er kurz interniert wurde, danach aber erste erfolgreiche Auftritte im Rundfunk hatte. Danach entwickelte sich seine Karriere geradezu  rasant. „Sommereggers Klassikwelt 97: 100 Jahre „Pippo“ Giuseppe Di Stefano“ weiterlesen

Frauenklang 6: Joana Mallwitz – kompetent und voller Elan am Dirigentenpult

Foto:© Nicolas Kroeger

Dirigentin Joana Mallwitz | Kurzporträt in titel thesen temperamente vom 24. Mai 2020

von Lorenz Kerscher

Noch bis vor kurzem war das Dirigentenpult eine der letzten Bastionen des Patriarchats. Diese wurde, wenn es sein musste, auch schon mal mit der steilen These verteidigt, dass Frauen die Orchester mit ihrer erotischen Energie zu sehr verstören würden. Doch inzwischen sind die Pultpatriarchen, die alles nach ihrem Willen formen wollen, aus der Zeit gefallen. Der zweifellos exzellente, aber dem Vernehmen nach ziemlich autokratische Christian Thielemann muss das gerade schmerzlich erfahren. Sein vielbeachteter jüngerer Kollege Jakub Hrůša steht dagegen für einen neuen Stil: er begegnet dem eigenen Charakter eines Orchesters mit großer Wertschätzung und sieht seine Aufgabe darin, es zu einer idealen Interpretation des Werks zu inspirieren. Eine derart fürsorgliche Einstellung gilt nach alter Klischeevorstellung als weibliche Tugend, aus aktueller Sicht jedoch als der bessere Weg. Deshalb bewähren sich auch immer mehr Frauen bei der Leitung bedeutender Orchester. „Frauenklang 6: Joana Mallwitz – kompetent und voller Elan am Dirigentenpult“ weiterlesen

Daniels Anti-Klassiker 21: Ludwig van Beethoven – Tripelkonzert (1804)

Höchste Zeit, sich als Musikliebhaber neu mit der eigenen CD-Sammlung und der Streaming-Playlist auseinanderzusetzen. Dabei begegnen einem nicht nur neue oder alte Lieblinge. Einige der „Klassiker“ kriegt man so oft zu hören, dass sie zu nerven beginnen. Andere haben völlig zu Unrecht den Ruf eines „Meisterwerks“. Es sind natürlich nicht minderwertige Werke, von denen man so übersättigt wird. Diese sarkastische und schonungslos ehrliche Anti-Serie ist jenen Werken gewidmet, die aus Sicht unseres Autors zu viel Beachtung erhalten.

von Daniel Janz

Drei Solisten begleitet von einem Orchesterapparat, die mal gegen-, mal miteinander ihre Fertigkeiten demonstrieren – eine spannende Auseinandersetzung voller Möglichkeiten. So ähnlich dürfte wohl Beethovens Gedankengang gewesen sein, als der Bonner Klassik-Meister sein Konzert für Klavier, Violine und Violoncello in C-Dur (opus 56), kurz „Tripelkonzert“ konzipierte. Was er da ersann, war modern, gewagt, fast schon eine kleine Revolution – mit ernüchterndem Ergebnis. „Daniels Anti-Klassiker 21: Ludwig van Beethoven – Tripelkonzert (1804)“ weiterlesen

Pathys Stehplatz (5): Sinn und Unwert der Kritik

„Mögen die Kritiker über uns den größten Blödsinn schreiben. Mögen sie uns verreißen, mögen sie tun, was sie wollen – Hauptsache sie sagen irgendetwas!“ Denn nichts sei schlimmer als das Schweigen der Kritik. Öfters schon sind mir diese Worte, mit denen der berühmte Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki den Schriftsteller Siegfried Lenz zitierte, durch den Kopf geschossen.

von Jürgen Pathy

Vor allem letzten März, wo Simon Stones Inszenierung von „La Traviata“ an der Wiener Staatsoper Premiere feierte. Bis auf Igor Golovatenko, bei dem sich die Kritikerschar überwiegend einig war, dass der im Sommer als Posa in „Don Carlos“ deutlich besser gefiel, beurteilte die Aufführung so gut wie jeder anders. „Pathys Stehplatz (5): Sinn und Unwert der Kritik“ weiterlesen

Sommereggers Klassikwelt 96: Carl Czerny – mehr als nur Etüden

„Klavierschüler, die an seinen Etüden verzweifeln, sollten vielleicht einmal seine großartigen Klavierkonzerte hören, die würden sie mit Sicherheit mit dem Pädagogen Czerny versöhnen!“

 von Peter Sommeregger

Der Nachruhm des in Mozarts Sterbejahr 1791 geborenen und am 15. Juli 1857 in seiner Geburtsstadt Wien verstorbenen Komponisten ist durchaus zwiespältig. Ganze Generationen von Klavierschülern haben schlechte Erinnerungen an das Üben mit Czernys Etüden, die generell als langweilig empfunden wurden. Darüber ist die Person Czerny und sein weit über Klavier-Etüden hinausgehendes Werk weitgehend in Vergessenheit geraten. „Sommereggers Klassikwelt 96: Carl Czerny – mehr als nur Etüden“ weiterlesen

Schweitzers Klassikwelt 39: Oper als Katharsis?

Foto: „Tri Sestri“ (Drei Schwestern), Wiener Staatsoper, März 2016

Anlässlich der Produktion „Tri Sestri“ von Péter Eötvös an der Wiener Staatsoper verfocht der Regisseur Yuval Sharon die These, wenn eine Opernaufführung eine Botschaft bringt, hört sie auf Kunst zu sein. Das erregte meinen Widerspruch und ich begann mit der Assistenz meiner Frau  diese apodiktische Meinung nachzuprüfen.

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Seine These mag bei Werken des Naturalismus gelten. Die Stücke bleiben bei einer allgemein gehaltenen Gesellschaftskritik stecken. Jetzt ein Opernlexikon herzunehmen und Oper für Oper inhaltlich durchzugehen, erschien uns zu umfangreich und wir entschieden uns für die Methode, das Selbsterlebte bzw. unsre Lieblingsopern zu hinterfragen. „Schweitzers Klassikwelt 39: Oper als Katharsis?“ weiterlesen