Pathys Stehplatz (21) – „Fidelio“an der Wiener Staatsoper: Die Unruhe ist zurück

Foto: Brandon Jovanovich als Florestan © Michael Pöhn / Wiener Staatsoper

Die Touristen sind zurück. Ein zweischneidiges Schwert. Einerseits benötigt man sie, um die Wiener Staatsoper zu füllen. Auf der anderen Seite stören sie, was das Zeug hält. Teils unkultivierte Horden, die husten, reden und nicht checken, dass ein Klappsessel nun mal hoch schnellt, wenn man ihn nicht dämpft. Beim „Fidelio“ am 25. Februar ging es mal wieder richtig rund.


Fidelio, Ludwig van Beethoven

Otto Schenk, Inszenierung
Axel Kober,
Musikalische Leitung

Wiener Staatsoper, 25. Februar 2023

von Jürgen Pathy

Schattenseiten des Tourismus

„Stop it!“, ruft eine Frau. Nachdem sie bereits knapp davor war, das Handtuch zu werfen. Damit hatte sie nicht Brandon Jovanovich gemeint, der zwar mit seiner Auftrittsarie des Florestan zu kämpfen hatte. Ziel der Attacke war eine Gruppe von Touristen. Fünf Damen in Begleitung eines einzigen Herren. Auf der Galerie, 2. Reihe ganz rechts, wo sich Opernbesucher einen günstigen Sitzplatz erhoffen. Stattdessen sehen sie nichts. Fühlen sich dadurch ermuntert, ständig herumzuwandern und sich schamlos zu unterhalten.

Leidtragende sind der Rest. Publikum, das sich auf einen ungestörten Opernabend gefreut hat. Auf zwei Stunden, um der Realität zu entfliehen. Am Plan steht Beethovens „Fidelio“. Die Freiheitsoper schlechthin. Die Regie stammt noch aus den 1970er-Jahren. Altmeister Otto Schenk zeichnet für die verantwortlich.

„Pathys Stehplatz (21) – „Fidelio“an der Wiener Staatsoper: Die Unruhe ist zurück“ weiterlesen

Pathys Stehplatz (20) – Rettet das ORF Radio-Symphonieorchester Wien

Foto: Marin Alsop © Grant Leighton

von Jürgen Pathy

Platzhirsch gibt es in Wien nur einen. Neben den Wiener Philharmonikern zu bestehen, ist sowieso schon eine Herausforderung. Dass man dem ORF Radio-Symphonieorchester Wien nun aber alle Förderungen streichen will, gleicht einem Knockout. ORF Generaldirektor Roland Weißmann plant dem österreichischen Symphonieorchester den Hahn zuzudrehen. Ein fatales Zeichen. Überhaupt in einer Kulturnation wie Österreich. „Pathys Stehplatz (20) – Rettet das ORF Radio-Symphonieorchester Wien
klassik-begeistert.de, 24. Februar 2023“
weiterlesen

Pathys Stehplatz (19) - Antonello Manacorda: So sollte "Don Giovanni" nicht mehr klingen

Philippe Sly und Kyle Ketelsen in »Don Giovanni« © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Don Giovanni, Wolfgang Amadeus Mozart

Barrie Kosky, Inszenierung
Antonello Manacorda, Musikalische Leitung

Wiener Staatsoper, 1. Februar 2023

von Jürgen Pathy

So langweilig kann Mozart klingen. Bereits nach den ersten Takten war klar, das wird sich ziehen wie Kaugummi. Das zu „überstehen“ wird eine Herausforderung – nicht die einzige vielleicht, die größte aber bestimmt. Mit so einem Gedanken bereits bei der Ouvertüre von Mozarts „Don Giovanni“ konfrontiert zu sein, sollte heutzutage eigentlich nicht mehr passieren. Viele Dirigenten beweisen das Gegenteil. Antonello Manacorda schafft es leider nicht. An der Wiener Staatsoper leidet die ganze Inszenierung an seiner Auslegung der Partitur. „Pathys Stehplatz (19): Don Giovanni, Wolfgang Amadeus Mozart
Wiener Staatsoper, 1. Februar 2023“
weiterlesen

Pathys Stehplatz (18) – Friedrich Gulda: Ein Unangepasster in einem angepassten System

Foto: Friedrich Gulda – Ein Leben für die Musik, Portrait – Bilder und Texte von Ursula Anders (c)

Vor 23 Jahren, am 27. Januar 2000, ist Friedrich Gulda in Steinbach am Attersee verstorben. Am gleichen Tag, an dem Mozart geboren wurde. Ein Versuch, meine ambivalenten Gedanken zu diesem einzigartigen Musiker, Pianisten und Komponisten zu ordnen.

von Jürgen Pathy

„Der Gulda, das war der Größte“, erzählen mir viele und geraten dabei nicht selten ins Schwärmen. Beethoven, Bach oder Mozart. Auf die Frage, wer denn da so das Nonplusultra sei, fällt einfach oft nur sein Name – der Gulda sei’s. Der habe den Ton da so getroffen, wie man sich das vorstelle. Das mal vorweg erwähnt. Nur um festzuhalten, welchen Stellenwert Friedrich Gulda noch immer genießt, dieser exzentrische Musiker, der im Wien der Zwischenkriegszeit aufgewachsen ist. Mein Verhältnis zum Pianisten hingegen ist etwas ambivalent.

„Pathys Stehplatz (18): Friedrich Gulda: Ein Unangepasster in einem angepassten System
klassik-begeistert.de, 29. Januar 2023“
weiterlesen

Pathys Stehplatz (17) – Zwischen Tyrannei, Regietheater und Tradition: Staatsoperndirektor Bogdan Roščić lotet in Wien die Grenzen aus

Foto: Bogdan Roščić ©

von Jürgen Pathy

Wenn das Wort Regietheater fällt, stellt es vielen die Zehennägel auf. Drehende Bühnen, vor lauter Symbolik kaum zu entschlüsselnde Sujets und als Höhepunkt der Entgleisungen: Ein Lohengrin, der ohne Schwan in Brabant auftaucht. Hätten viele vor Jahrzehnten kaum für möglich gehalten. Seit den 1980er Jahren ist alles anders. Da hatte sich das Wort „Regietheater“ bereits etabliert.

„Pathys Stehplatz (17) – Zwischen Tyrannei, Regietheater und Tradition
klassik-begeistert.de, 17. Januar 2023“
weiterlesen

Pathys Stehplatz (16) – Philippe Jordans vermeintlicher Zwist mit den Wiener Philharmonikern: Beim „Rosenkavalier" ist davon nichts zu spüren

Foto: Philippe Jordan © Johannes Ifkovits

von Jürgen Pathy

Zu meiner Schande, ich gebe es zu: Ich hab den „Rosenkavalier“ noch nie zuvor gesehen. Der Grund ist ganz einfach – weil die „Salome“ oder eine „Elektra“ eher meinen Geschmack zu treffen scheinen. Ein Irrtum, wie sich nun herausstellen sollte. An der Wiener Staatsoper hat ein Staraufgebot für volle Reihen gesorgt. Meister im Graben: Philippe Jordan, der, seitdem er angezählt ist, das Publikum mit absoluter Mehrheit hinter sich zu scharen weiß. 2025 verlässt Jordan die Wiener Staatsoper. Sein Vertrag als Musikdirektor wurde nicht verlängert.

„Pathys Stehplatz (16) – Philippe Jordans vermeintlicher Zwist mit den Wiener Philharmonikern: Beim „Rosenkavalier“ ist davon nichts zu spüren“ weiterlesen

Pathys Stehplatz (15) – Wer in Wien untergeht, herrscht eben woanders: John Lundgren als Wotan

Foto: John Lundgren © Moklos Szabo

von Jürgen Pathy

Der Star sitzt im Graben. Nachdem sich der Ring-Zyklus letzten Sonntag fulminant zu Ende geneigt hat, ist wieder eines klar geworden: Wer an der Wiener Staatsoper reüssieren will, der muss sich mit dem Staatsopernorchester arrangieren. Eine Sache der Konstitution und Erfahrung. Dass man diese Routine nicht über Nacht erlangt, musste selbst Lise Davidsen erkennen – wenn auch nicht in der Art und Weise wie der gescholtene Herrscher von Walhall.

Wien ist anders

Das merkt man nicht nur daran, dass man den Kellner im Kaffeehaus noch immer mit „Herr Ober, bitte zahlen“ zum Tisch ordert. Oder, dass einem in der Millionenstadt noch immer der Flair eines Dorfes entgegenweht. An jeder Ecke der viel zitierten Musikhauptstadt trifft man auf Personen, deren Wege man schon lange nicht mehr gekreuzt hat. Auch an der Wiener Staatsoper herrschen eigene Gesetze.

Da wäre zum einen das enorm kritische und fachkundige Publikum, das sich regelmäßig auf den Stehplätzen versammelt. Kaum eine Vorstellung, die man nicht mit Argusaugen verfolgt und in den Pausen bis ins kleinste Detail zerlegt und kritisiert. Dabei geht man teilweise hart ins Gericht.

Wie oft habe ich schon gehört, dass eine Aufführung schrecklich sei, zum Vergessen – generell sei überhaupt alles schlecht. Seit Roščić das Ruder übernommen hat, sowieso. Dennoch steht der Herr, vermutlich um die 60, immer wieder in der Schlange. Meist schon Stunden vorher, um die besten Plätze auf der Stehplatzgalerie zu ergattern. Bei Wagner spitzt sich das alles noch zu.

„Pathys Stehplatz (15): John Lundgren als Wotan in Wien
Klassik-begeistert.de“
weiterlesen

Pathys Stehplatz (14): Axel Brüggemann rüttelt am Currentzis-Bollwerk

Foto: Teodor Currentzis © Nadia Rosenberg

von Jürgen Pathy

Keine einfachen Zeiten. Wie auch anderen russischen Klassikstars weht Teodor Currentzis zurzeit ein eisiger Wind entgegen. Dem Klassikrebellen, wie man ihn gerne nennt, wirft man folgendes vor: Er und sein eigens gegründetes Orchester musicAeterna werden von einer russischen Bank finanziert, die von den aktuellen Sanktionen der EU betroffen ist. Deshalb fordern einige, Currentzis müsse sich öffentlich von Putin distanzieren. Hat er bislang nicht. Das schlägt teils große Wogen.

Korrelation bedingt noch keine Kausalität

Da wären zum einen die Zuschauerzahlen. Ob und wie diese mit den Entwicklungen in Russland zusammenhängen, lässt sich zwar nicht nachvollziehen, der Verdacht darf allerdings oder muss sogar gehegt werden. Normalerweise gehen Currentzis-Karten weg wie warme Semmeln – und zwar im Vorfeld, teils Tage oder Wochen zuvor. Aktuell sieht die Lage anders aus.

Blickt man Montagabend hinunter ins Parkett des Wiener Konzerthauses, sticht nämlich eines hervor – teils erhebliche Lücken in den Zuschauerreihen. Für Currentzis-Verhältnisse ein Novum. Zumindest im Wiener Konzerthaus, wo seine Konzerte sonst immer ausverkauft waren. Hier gastiere der polarisierende Pultstar am Montag mit dem SWR Symphonieorchester, das er seit 2018 als Chefdirigent leitet.

„Pathys Stehplatz (14) – Brüggemann rüttelt am Currentzis-Bollwerk,
klassik-begeistert.de“
weiterlesen

Pathys Stehplatz (13): Leere Ränge in der Wiener Staatsoper

La Cenerentola 2, 10. Januar 2022, Wiener Staatsoper/Foto: © privat

An der Wiener Staatsoper kämpft man aktuell mit enorm geringen Auslastungszahlen. Mit Corona ist natürlich schnell ein Schuldiger gefunden. Dennoch muss man sich den Umständen stellen und neue Lösungsansätze probieren.

von Jürgen Pathy

Ein Anblick, der wirklich schmerzt. Was man sich vor wenigen Jahren nicht Mal in den schlimmsten Träumen hätte vorstellen können, scheint nun Realität: Es ist Montagabend, 10. Januar 2022, kurz vor 19:00, an der Wiener Staatsoper steht „La Cenerentola“ am Programm – Rossinis Belcanto-Feuerwerk, das mit akrobatischen Gesangseinlagen lockt – und keiner geht hin. Mit geschätzten 300 Besuchern herrscht in einem der bedeutendsten Opernhäuser dieser Welt gähnende Leere.

Einige Besucher wollen einfach nicht mehr

Wie es dazu kommen konnte, mag für viele auf der Hand liegen: Corona ist schuld. Immerhin gelten seit 26. Dezember 2021 nicht nur die bereits gewohnten Beschränkungen wie FFP2-Maske und 2G, sondern eine extrem verschärfte 3G-plus-Regelung. Heißt so viel wie: 3 Mal geimpft, FFP2-Maske und oben d’rauf noch ein negativer PCR-Test, der zum Zeitpunkt des Vorstellungsendes nicht älter als 48 Stunden sein darf. Sonst gibt es keinen Einlass. Es zählt der Zeitpunkt der Abnahme. „Booster“ oder „Booster-Plus“ nennen das einige, manche sogar „1G plus“. Ein grammatikalisches Wirr-Warr, bei dem man schnell einmal den Überblick verlieren kann.

„Pathys Stehplatz (13): Leere Ränge in der Wiener Staatsoper,
klassik-begeistert.de“
weiterlesen

Pathys Stehplatz (12) – Premiere von „Don Giovanni" an der Wiener Staatsoper – Worin liegen Barrie Koskys Stärken?

Foto: © Michael Pöhn

Wiener Staatsoper, 6. Dezember 2021
Wolfgang Amadeus Mozart, Don Giovanni,

von Jürgen Pathy

Eigentlich wollte ich nichts schreiben zur Premiere vom Wiener „Don Giovanni“. Allerdings fällt es mir schwer, die Finger ruhig zu halten. Das hat zwei Gründe: Erstens die unterschiedlichen Rezensionen, die ich gelesen habe. Zweitens: Das Interesse, wieso Barrie Kosky teilweise so gefeiert wird. „Kritik“, im herkömmlichen Sinn, soll es allerdings keine werden. Dazu hätte ich den kompletten Stream von Anfang bis Ende verfolgen müssen. Daran scheitert es bereits. Das liegt aber nicht daran, dass Koskys Inszenierung mich ziemlich kaltgelassen hat, sondern generell am Umstand der Livestreams, denen ich nichts abgewinnen kann.

„Pathys Stehplatz (12) – Premiere von „Don Giovanni“ an der Wiener Staatsoper – Worin liegen Barrie Koskys Stärken?“ weiterlesen