Der Bassbariton offenbarte endgültig, warum sein Name in aller Munde ist. Genauso graziös und samtweich, wie sich seine Gestalt zur Musik bog und schmiegte, umwarb Matthias Goerne auch die ferne Geliebte.
Foto: Matthias Goerne © Marie Staggat
Wiener Konzerthaus, Großer Saal, 26. Juli 2021
Matthias Goerne, Bariton
Alexander Schmalcz, Klavier
von Jürgen Pathy
Höhen und Tiefen. Obwohl er große Teile des Beethoven-Liederabends enorm einfühlsam interpretiert hat, war nicht alles feinste Sahne, was Matthias Goerne gestern Abend im Wiener Konzerthaus geboten hat. Vor allem zu Beginn des Abends, an dem sich Goerne und der Pianist Alexander Schmalcz weniger populären Stücken widmeten. Da griff Goerne einige Male daneben, wie man so schön sagt. Erst ab den sechs Liedern nach Gellert konnte Goerne, der zu den besten Liedsängern seiner Generation zählt, seinem Ruf gerecht werden.
Woran das gelegen hat, ist allerdings schwer zu beurteilen. Vielleicht am Großen Saal, der mit seinen Dimensionen nicht unbedingt den idealen Rahmen bietet für intime Lieder. Oder an anderen Umständen, die Goerne, der 10 Minuten verspätet die Bühne betrat, anfangs unrund erscheinen ließen. Man weiß es nicht. Auf jeden Fall wirkte es, als sei da etwas Sand im Getriebe.
Die Wonnen des Klaviers
An seinem langjährigen Begleiter am Klavier, Alexander Schmalcz, lag es mit Sicherheit nicht. Der bot seinem sonst so genialen Konterpart, mit dem ihn eine enge musikalische Partnerschaft verbindet, schon zu Beginn eine perfekte Unterlage. Bereits mit dem ersten Ton, den der profunde Liedbegleiter aus dem schwarzen Steinway-Flügel entlocken konnte, wurde klar, dass hier ein extrem feinfühliger Musiker zu Werke schritt. Einen derart innigen und süßen Ton hört man selbst bei erstklassigen Solisten äußerst selten. Nur, wenn es robuster zur Sache ging, wenn Beethoven mehr Kraft und Vehemenz fordert, wie bei einigen Akkorden im Forte-Bereich, entglitt dem Deutschen der schöne Ton ein wenig. Daran lag es aber nicht.
Am Publikum genauso wenig. Das scheint seit den coronabedingten Strapazen und unentwegten Gefahren einer Absage, noch kultivierter zu Tage zu schreiten als vor den Lockdowns. Selbst wenn es mal Szenenapplaus schenken mochte, wie nach »Adelaide«, einem der schönsten Lieder, die jemals vertont wurden, reagierte es brav auf Goernes Handzeichen, der den Applaus sofort im Keim erstickte. Zurecht. Folgte doch mit »Wonne der Wehmut« ein Lied, das sich in derselben Atmosphäre bewegt. Eine Unterbrechung des Flusses wäre hier nicht nur Goernes Meinung völlig unangebracht gewesen.
Goernes samtweicher Gruß an die ferne Geliebte
Der offenbarte hier allerdings endgültig, warum sein Name in aller Munde ist. Genauso graziös und samtweich, wie sich seine Gestalt zur Musik bog und schmiegte, umwarb Goerne auch die ferne Geliebte. Vermutlich der erste Liederzyklus, der je komponiert wurde. Soweit man weiß, ein Auftrag des Fürsten Lobkowitz an Beethoven, um der verstorbenen Fürstin zu gedenken. Das sind allerdings nur Vermutungen.
Ebenso, woran die Spätzündung Goernes gelegen hat. Auch wenn es generell an der Textverständlichkeit zu feilen gäbe, letztendlich scheint es, dass die Anlaufprobleme der Tagesform geschuldet waren. Dem Publikum schien es zu gefallen. Lang anhaltender Schlussapplaus bestätigt zumindest diese Annahme.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 27. Juli 2021, für klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at