„Così fan tutte“ in Salzburg: Frenetischer Jubel für ein kleines Theaterwunder

Mozart, Così fan tutte  Salzburger Festspiele, 2. August 2020, Livestream

Foto: Elsa Dreisig (Fiordiligi), Johannes Martin Kränzle (Don Alfonso), Marianne Crebassa (Dorabella) © SF / Monika Rittershaus

„Hochkarätige Aufführungen von Così fan tutte haben in Salzburg eine lange Tradition. Die letzten Inszenierungen fielen allerdings eher unbefriedigend aus, aber das ist ab sofort Geschichte. Vielleicht waren es gerade die kurze Vorlaufzeit und die problematischen Arbeitsbedingungen, die dieses kleine Theaterwunder begünstigten.“

Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 2. August 2020 (Arte Livestream)

Wolfgang Amadeus Mozart, Così fan tutte

Libretto von Lorenzo Da Ponte

von Peter Sommeregger

Deutlich über zwei Stunden agieren sechs Personen vor einer weißen Wand mit zwei ebenfalls weißen Türen. Den größten Teil der Zeit tragen sie unauffällige Alltagskleidung. Möbelstücke, Requisiten? Fehlanzeige.

Was wie der Alptraum eines Opernbesuchers klingt, löste an diesem Abend im Salzburger Haus für Mozart frenetischen Jubel aus. Man erlebte die Premiere einer der besten Inszenierungen der letzten Jahre, nicht nur der delikatesten Oper Mozarts. Aus der Not einer durch Corona notwendig gewordenen Einschränkung der traditionsreichen Salzburger Festspiele machte man in diesem Fall eine Tugend. Für diese ursprünglich gar nicht geplante Così-Inszenierung konnte Christof Loy gewonnen werden, der diese Arbeit buchstäblich wie das sprichwörtliche weiße Kaninchen aus dem Hut zauberte. Aber welch ein Hut! Welch ein Kaninchen!

Bogdan Volkov (Ferrando), Marianne Crebassa (Dorabella), Andrè Schuen (Guglielmo) © SF / Monika Rittershaus

Es ist kein Geheimnis unter Opernfans, dass dieser Regisseur ein Meister der subtil erarbeiteten Personenregie ist. Darin besteht ja das eigentliche Regie-Handwerk, die Fachkollegen, die mit kruden Umdeutungen ganzer Werke punkten wollen, dabei aber gleichzeitig ödestes Rampentheater abliefern, entlarvt Loy hier als Scharlatane. Ja, man kann eine Geschichte ohne Kulissen, ohne aufwendige Kostüme erzählen, wenn man den tieferen Sinn einer Handlung begriffen hat und ihn mit Hilfe der Körpersprache der Akteure illustriert.

Hochkarätige Aufführungen von Così fan tutte haben in Salzburg eine lange Tradition. Die letzten Inszenierungen fielen allerdings eher unbefriedigend aus, aber das ist ab sofort Geschichte. Vielleicht waren es gerade die kurze Vorlaufzeit und die problematischen Arbeitsbedingungen, die dieses kleine Theaterwunder begünstigten.

Bogdan Volkov (Ferrando), Elsa Dreisig (Fiordiligi) © SF / Monika Rittershaus

Durch das Fehlen optischer Ablenkungen liegt die ganze Verantwortung für das Gelingen auf den Schultern der sechs Protagonisten, bei deren Auswahl man mehr als nur eine glückliche Hand hatte. Così fan tutte ist eine Ensembleoper, Stimmen und Temperamente müssen zusammen passen, um die dringend notwendige Harmonie innerhalb des Ensembles zu gewährleisten. In einem homogenen Ensemble entsteht im günstigen Fall eine Art von Gruppendynamik, bei der sich die einzelnen Künstler an der Leistung des jeweils anderen hochschaukeln. So entstehen Sternstunden, und man ist geneigt, den heutigen Opernabend als solche einzustufen.

Joana Mallwitz © Nicolas Kroeger

Befeuert von der jugendlichen Dirigentin Joana Mallwitz entfalten die Wiener Philharmoniker ihre Mozart-Kompetenz in eindrucksvoller Weise. Mallwitz’ Interpretation ist spritzig, flott, spart aber auch die schwermütigen Elemente der Partitur keineswegs aus, schließlich ist diese Komödie doch eher eine der bitteren Art.

Lea Desandre
© Christine Ledroit-Perrin

Der Strippenzieher der verhängnisvollen Wette, Don Alfonso, hat in Johannes Martin Kränzle einen Darsteller, der auch die Nachdenklichkeit und Traurigkeit des alten Zynikers abzubilden weiß. Mit seiner warm timbrierten Stimme schafft er quasi den sonoren Unterbau für die Ensembles. Seine Gegenspielerin, die schnippische Magd Despina wird von Lea Desandre abseits des Klischees des oberflächlichen Kammerkätzchens verkörpert. Diese Despina ist nicht frei von Skrupeln und zeigt am Ende durchaus so etwas wie ein schlechtes Gewissen. Auch die Stimme bietet mehr, als das oft in dieser Partie zu hörende Zwitschern.

Die beiden betrogenen Betrüger, Ferrando und Guglielmo sind bei Bogdan Volkov und Andrè Schuen in guten Händen. Schuèns geschmeidiger Bariton mischt sich vortrefflich mit dem schönen und lyrischen Tenor Volkovs.

Das Schwesternpaar Fiordiligi und Dorabella finden in Elsa Dreisig und Marianne Crebassa wunderbar harmonierende Stimmen und kontrastierende Temperamente. Kann Elsa Dreisig nicht nur mit der grandios gesungenen Felsenarie, sondern auch insgesamt fein ziselierten Details ihrer Gesangslinie punkten, steuert das deftigere Temperament Crebassas die etwas handfesteren dunkleren Passagen bei.

Lea Desandre (Despina), Marianne Crebassa (Dorabella), Elsa Dreisig (Fiordiligi)
© SF / Monika Rittershaus

Alle sechs verschmelzen stimmlich optimal zu einem Mozart-Ensemble der selten gehörten Extraklasse. Loy weiß auch klug die darstellerischen Talente seiner Sänger zu nutzen, ihre beredte Mimik und ihre Spielfreude sind mehr Farbe und Illustration, als es die aufwendigsten Kulissen oder Kostüme sein könnten. Ein berührender Moment bleibt besonders in Erinnerung. Während Ferrandos Arie „Un Aura amorosa“ stellen sich Despina und Alfonso neben den Sänger und blicken nachdenklich und eher traurig ins Weite. Dieses kleine Detail gibt der Geschichte einen durchaus so gewollten Zug ins Melancholische.

Von vorgenommenen Strichen ist eigentlich nichts zu bemerken. Dass die Aufführung keine Pause hat, trägt zur Erhaltung des Spannungsbogens positiv bei. Am Ende ist das Publikum begeistert und erkennt, dass weniger manchmal sehr viel mehr sein kann.

Peter Sommeregger, 2. August 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Richard Strauss, Elektra, Salzburger Festspiele, 1. August 2020

  • Elsa Dreisig (Fiordiligi)
  • Andrè Schuen (Guglielmo)
  • Johannes Martin Kränzle (Don Alfonso)
  • Marianne Crebassa (Dorabella)
  • Bogdan Volkov (Ferrando)
  • Lea Desandre (Despina)

Wiener Philharmoniker
Dirigentin Joana Mallwitz

3 Gedanken zu „Mozart, Così fan tutte
Salzburger Festspiele, 2. August 2020, Livestream“

  1. Elsa Dreisigs überirdisch schöne Stimme klingt sowohl in höchsten Lagen nie schrill (!!), als auch in einer für einen Sopran ungewöhnlich vollen und sonoren „Mezzolage“ wundervoll und rein.
    Ich habe die Felsenarie noch nie so vollendet gehört.

    Niels Bleese

  2. Dieses großräumige Bühnenbild zeigt einen Freiraum, in dem die Kunst, die Kreativität und das Leben Platz haben sich zu entfalten.
    Großartige Inzenierung.

    Horst D.

  3. Ja, das war einzigartig. Gesang, Orchester,Schauspiel. Glasklare Inszenierung, Mozart als Genie der Menschenkenntnis. Großes Theaterglück beim Zuhörer und Zuschauer.
    Barbara H.

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