Martina Serafin, Andreas Schager © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn
Wiener Staatsoper, 1. Mai 2022
Richard Wagner
Tristan und Isolde
von Jürgen Pathy
Muss man den Tristan überhaupt inszenieren? Eine Frage, die Marcel Reich-Ranicki mal provokativ in den Raum geworfen hatte. In Wien fiele die Antwort ziemlich eindeutig aus: Nachdem das Premierenpublikum noch lautstark seinen Unmut verkündet hatte, haben sich die Wogen mittlerweile allerdings geglättet. Immerhin war Regisseur Calixto Bieito Sonntagabend nicht mehr anwesend. Da lief bereits die letzte Vorstellung dieser Serie – und der Spanier war vermutlich längst schon über alle Berge. Nächstes Jahr gibt es ein Wiedersehen, zumindest mit seiner Inszenierung, dann mit Nina Stemme als Isolde.
Philosophisches Gemetzel À la Stephen King
Calixto Bieito ist bekannt dafür, dass seine subversiven Inszenierungen nicht immer auf Anklang stoßen. Als Hassfigur konservativer Kulturfreunde hat er sich einen Namen gemacht. Nackte, Rotlichtmilieu und rohe Gewalt. All das sind Mittel, zu denen der 58-jährige als „Skandalregisseur“ gebrandmarkte Spanier regelmäßig greift. In Wien veranstaltet Bieito ein Blutbad. Harakiri oder Seppuku würden es die Japaner nennen. Den Suizid, durch den die Samurai ihre Ehre wiederherstellen konnten. Bei Tristan ist es eher die pure Verzweiflung, die ihn in den Tod treibt. Nichts für schwache Nerven.
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