Foto: Anna Agathonos © Marie-Laure Briane
Kammeroper von Gian Carlo Menotti
Deutsch von Werner Gallusser
Staatstheater am Gärtnerplatz, Premiere am 02. November 2021
von Barbara Hauter
Rechtzeitig zur Halloween-Zeit öffnet uns das Gärtnerplatztheater München die Tore zur Anderwelt. Wir steigen hinab in die Katakomben des Hauses, flankiert von dunkel-livrierten Theaterdienern, nehmen Platz mitten im schummrig abgedunkelten Wohn- und Arbeitszimmer von Madame Flora, dem Medium, einer Meisterin des Spiritismus.
Rote Lämpchen an den Wänden, über dem großen runden Holztisch ein plüschiger Lampenschirm mit Kordeln und Troddeln, ein sakral anmutender Kelch. Die Atmosphäre ist intim, wir 87 Zuschauer im Kreis um die Studiobühne sitzend werden Zeugen einer Seance. Madame Flora empfängt verwaiste Eltern, fällt in Trance, beschwört die Geister der früh verstorbenen Kinder. Das ist ihr Geschäftsmodell, sie macht vor uns Zuschauern keinen Hehl daraus, dass ihre spirituellen Sitzungen eine Show sind. Der Tisch hebt sich genauso auf Knopfdruck wie die Lämpchen zu flackern beginnen und Rauch aus dem Kelch steigt. Ihre beiden Kinder, Monica und der angenommene, stumme Zigeunerjunge Toby assistieren ihr fleißig.


Madame Flora tut alles für das Überleben ihrer kleinen Familie, pragmatisch und fest in der Realität verankert. Doch während der Seance spürt sie plötzlich eine kalte Hand an ihrem Hals. Sie gerät in Panik. Die Wirklichkeit scheint nicht mehr fest gefügt. War es ein Geist? Oder doch Toby, dem sie plötzlich nicht mehr traut? Oder entstammt die Sensation ihrem Alkoholrausch? Halb wahnsinnig schreit sie Toby an: Warst Du es? Doch der Junge bleibt stumm.