„Fliegender Holländer“ an der Volksoper Wien: Daland und eine Senta überzeugen, der Holländer schwankt

Richard Wagner, Der fliegende Holländer,  Volksoper Wien, 22. und 25. März 2019

Foto: Markus Marquardt als Fliegender Holländer, © Johannes Ifkovits
Volksoper Wien, 
22. und 25. März 2019
Richard Wagner, Der fliegende Holländer

von Jürgen Pathy

„Bei bösem Wind und Sturmes Wut umsegeln wollt er einst ein Kap; er flucht‘ und schwur mit tollem Mut: In Ewigkeit lass‘ ich nicht ab!“ Und so wandelt „Der fliegende Holländer“ in Richard Wagners Oper seit undenklich langer Zeit in ruheloser Fahrt auf den Weltmeeren herum. Nur alle sieben Jahre ist es ihm vergönnt an Land zu gehen und ein bis in den Tod getreues Weib zu finden, das ihn von seinem Leid befreit.

Nicht nur sieben Jahre, ganze 81 Jahre strichen durchs Land, ehe der geplagten Seele an der Volksoper Wien wieder der Landgang gewährt wurde. Diesen mühevollen, kräfteraubenden Weg vermittelt der deutsche Regisseur Aron Stiehl bereits während der langen Ouvertüre. In der Person des deutschen Baritons Markus Marquardt, 49, schleppt sich der Holländer im Schneckentempo eine Rampe empor, an deren Ende in kräftig blauen Farben das erlösende Ziel immer näher rückt.

Kräftige Farben sind es auch, die das sonst recht karge Bühnenbild dominieren. Das erlösende Blau steht im stetigen Kampf mit einem satten Rot, das vermutlich die aussichtslose Lage des Holländers symbolisieren dürfte. Aussichtslos scheint teilweise auch die sängerische Darbietung des Holländers, dessen langjährige Strapazen sich auf Markus Marquardt abzufärben scheinen. Wenn feine Phrasierungen und tiefsinniges Modellieren gefragt sind, abwechslungsreiche Töne in stilleren Gewässern, gerät der Heldenbariton etwas in Seenot. Sind raue Töne gefragt, ein durchschlagskräftiges Forte im tiefen Register, scheint er hingegen richtig aufzublühen. Eine durchwachsene Reise!

Keine Spur von jeglicher Mühe bei dem wieder einmal phänomenalen Stefan Cerny, dessen sonorer, tiefenwirksamer Bass einem Statement gleicht: Hier bin ich, hier steh ich, nehmt euch in Acht und vergrault mir meine Tochter nicht, mein lieber Holländer!  Einzig und allein beim Handschlag, der den Deal Liebe gegen Geld besiegelt, zeigt der österreichische Edelbass erstmals Unsicherheiten – jedoch gewollt. Beeindruckend wie er Dalands Zweifel zu vermitteln mag, wie er zu verspüren scheint, dass der Holländer unkoschere Absichten mit sich führt. Steht der Name Stefan Cerny am Programm, kann man getrost eine Vorstellung besuchen – egal welche Oper!

Senta, deren berühmte Ballade musikalisch den thematischen Kern der Oper enthält, hinterlässt zwiespältige Eindrücke. Als Gast zweier Aufführungen, mit teils unterschiedlicher Besetzungsliste, konnte ich zwei Damen als Dalands Tochter erleben.

Welche Darstellung, die überzeugendere gewesen ist, steht für mich felsenfest: Auch wenn Meagan Miller, 45, als indisponiert angekündigt wurde – der Grippeteufel hatte zugeschlagen – und somit mit Glacéhandschuhen angefasst werden sollte, gibt’s in der Kritik keinen Welpenschutz.

Die dramatische Stimme der österreichischen Sopranistin Kristiane Kaiser hat hier deutlich das Rennen gemacht, das Herz des Holländers und meines im Flug erobert. Durchschlagskräftig, das ganze Haus erfüllend im Forte, und voller hinreißender Energie im Piano. Aufpassen sollte die Drama-Queen nur in einigen Forte-Passagen, da forciert die talentierte Österreicherin manchmal zu stark, sodass es einen selbst in der Galerie in die Sitze drückt. Definitiv eine Stimme für größere Häuser!

Meagan Miller gestaltet ihre Senta hingegen vorsichtiger, beginnt zaghafter, lyrischer, und versucht in ihrer differenzierten Gestaltung der Partie eher einen fortschreitenden Prozess zu vermitteln. Sicherlich eine ausgeklügelte Zeichnung, lediglich einige stimmliche Schwächen kreuzen ihren Weg. Ob des Grippeteufels Schuld oder generell ein Problem der amerikanischen Sopranistin liegt mir fern zu beurteilen. Dennoch, da sie gegen Ende hin immer überzeugender wurde, der dramatische Kulminationspunkt letztendlich schwer ins Mark ging, wird der Verdacht recht laut, es könnte sich um letzteres handeln.

Das Steuer an beiden Abenden fest im Griff haben sowohl Szabolcs Brickner, 38, als auch JunHo You. Lyrischer, herzergreifender, und feiner gemalt wird die Sehnsucht nach der Heimat, nach einer Brise Wind, der das Schiff wieder in Bewegung setzen soll, jedoch vom südkoreanischen Tenor JunHo You.

Im Gesamteindruck durchaus positiv zeigt sich auch das Ensemblemitglied Vincent Schirrmacher, 41, dessen stupende Höhen verblüffen, der in der jugendlich-dramatischen Partie des Erik hin und wieder jedoch den Anschein erweckt, die Stimme würde in den leiseren Passagen bald wegbrechen. Sei’s drum, jammern auf hohem Niveau!

Der Chor der Volksoper, der im Fliegenden Holländer eine gewichtige Rolle übernimmt, überzeugt. Das Orchester unter der Leitung des Franzosen Marc Piollet, 57, wirkt nicht immer so harmonisch wie im dritten Akt, überzeugt in dieser typischen Sturm-und-Drang-Partitur vor allem, wenn’s so richtig kracht, wenn’s gewaltsam sein darf. Einige Schwächen bei den Holzbläsern und den berüchtigten Wiener Hörnern sollen dem Orchester zugestanden werden, haben doch selbst die berühmten Wiener Philharmoniker an der Wiener Staatsoper diesbezüglich bei Wagner regelmäßig ihre Probleme.

Man darf gespannt sein, wie lange es dauern wird, bis der Holländer an der Volksoper Wien wieder seines Fluchs entledigt wird, wann es wieder „Hohohoe! Johohoe! Traft ihr das Schiff im Meere an, blutrot die Segel, schwarz der Mast?“ heißen wird. Zwei Vorstellungen folgen noch gewiss.

Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 26. März 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Marc Piollet,Dirigent
Aron Stiehl,Regie
Frank Philipp Schlößmann,Bühnenbild
Franziska Jacobsen,Kostüme
Holger Kristen,Choreinstudierung

Stefan Cerny/ Andreas Mitschke, Daland, ein norwegischer Seefahrer
Meagan Miller/ Kristiane Kaiser, Senta, seine Tochter
Vincent Schirrmacher, Erik, ein Jäger
Annely Peebo,Mary, Sentas Amme
Szabolcs Brickner / JunHo You, Der Steuermann Dalands
Markus MarquardtDer Holländer

Ein Gedanke zu „Richard Wagner, Der fliegende Holländer,
Volksoper Wien, 22. und 25. März 2019“

  1. Stefan Cerny fiel uns schon vor fünf Jahren in kleineren Partien besonders auf.

    Lothar und Sylvia Schweitzer

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