43 Minuten Mittelmaß im Großen Saal

Thomas Hampson & The Philharmonics: Golden Times,  Elbphilharmonie Hamburg

Foto: Claudia Höhne (c)
Thomas Hampson & The Philharmonics: „Golden Times“
Elbphilharmonie Hamburg, 25. Januar 2017

Das war der musikalisch bislang dürftigste Abend in der Elbphilharmonie: Thomas Hampson & The Philharmonics brachten am Mittwochabend im Großen Saal Stücke vom Wiener fin de siècle ins New York der 1930er Jahre auf die Bühne. Die Instrumentalmusiker überzeugten. Der Weltstar Thomas Hampson blieb weit unter seinen Möglichkeiten. Das Publikum war von dem gefälligen Programm überwiegend angetan.

Das Programmheft hatte den Bogen vom Wiener „Walzerkönig“ Johann Strauß (Sohn, 1825 – 1899) zu amerikanischen Musik-Ikonen des 20. Jahrhunderts: dem Songwriter Irving Berlin, dem Komponisten von Klassik, Jazz, Musicals und der Folk-Oper „Porgy and Bess“ George Gershwin sowie dem Musical-Komponisten Cole Porter sehr mühsam konstruiert. Aber der US-Amerikaner Thomas Hampson sang nun einmal mit der europäischen Formation „The Philharmonics“ – den „Glorreichen Sieben“: vier Wiener Philharmonikern, einem Berliner Philharmoniker, einem österreichischem Pianisten und einem improvisatorisch äußerst versierten Violinisten.

Und da „The Philharmonics“ gerne arrangieren, passen ein ganz wenig Wiener Walzer aus der Strauss-Operette „Die Fledermaus“ und ein wenig Jazz halt zusammen. Das Repertoire des Ensembles reicht vom Strauss-Walzer über Tango und Klezmer bis hin zum Gypsy und Latin-Jazz. Der Bariton Thomas Hampson wiederum liebt sein Liedprojekt „Song of America“, mit dem er zum „Botschafter des amerikanischen Liedes“ avanciert ist. Aber er ist ja auch einer der bedeutendsten und gefragtesten Opern-, Konzert und Liedsänger der Gegenwart, der regelmäßig auf den führenden internationalen Opern- und Konzertbühnen zu Gast ist.

Nun wurden aber die Zuhörer, die auf Wiener Fin de Siècle gesetzt hatten, arg enttäuscht. Denn nach nur einem Wiener Arrangement zur Ouvertüre der „Fledermaus“ ging es über „Feliz Navidad“ und dem „Elefant“ aus dem „Karneval der Tiere“ von Camille Saint-Saens zu Berlin, Gershwin und Porter. Thomas Hampson moderierte zwischendurch am Mikrofon in perfektem Deutsch. Der 61-Jährige ist Vater einer Tochter aus erster Ehe und lebt seit 1986 (mit Unterbrechungen) mit der Österreicherin Andrea Herberstein zusammen, mit der er verheiratet ist. Sein Schwiegersohn ist der italienische Bassbariton Luca Pisaroni.

Yes, Mr. Hampson, Ihre Moderation war wirklich unterhaltsam. Aber sie verdeckte, dass Sie sich überwiegend recht einfach zu singende Titel ausgesucht hatten, die die Stimme nicht übermäßig strapazieren. Zwar wurde deutlich, dass sie über eine sehr schöne Mittellage verfügen, über einen warmen, weichen, väterlichen Klang. Aber im höheren Bereich waren Sie nicht immer ganz bei voller Stimme. Und im tiefen Bereich fehlte Ihnen die Durchschlagskraft.

Insgesamt wirkte die Stimme des 61-Jährigen ein wenig verbraucht, es fehlte die Strahlkraft, und leider saßen auch einige Töne nicht ganz richtig.

Tja, und dann war Thomas Hampson auch recht geizig, was sein Zeitbudget anging. Strauss sang er gar nicht, das überlies er dem phantastischen Ensemble. Dann sang er vor der Pause 20 Minuten und nach der Pause noch einmal 20 Minuten. Nach einer Zugabe von „The Philharmonics“ sang der Bariton dann noch eine Zugabe, drei Minuten auf Deutsch: „Komm, Zigany“ aus der Operette Gräfin Mariza von Emmerich Kálmán.

Wer Thomas Hampson am Mittwoch live erlebt hat, möge einmal mit dieser YouTube-Einspielung vergleichen. Da liegen Welten zwischen dem Hampson in Hamburg und dem Hampson im Internet…

https://www.youtube.com/watch?v=pOUUAnph7FU

Bei Hampsons mittelmäßiger Leistung (insgesamt 43 Minuten) bestach die formidable Darbietung von „The Philharmonics“ umso mehr. Die erste Violine von Tibor Kovác berührte zutiefst, vor allem in den warmen, lyrischen Stücken. Sebastian Gürtler kann auf der zweiten Violine famos improvisieren. Thilo Fechner spielt einfühlsam Viola. Stephan Koncz ringt seinem Violoncello magische, berührende Töne ab. Ödön Rácz am Kontrabass ist die Ruhe in Person und gibt einfühlsam den Takt an. Gerald Preinfalk am Saxofon sowie Daniel Ottensamer an der Klarinette brillierten mit Spielfreude und Klarheit. Christoph Traxler am Steinway-Flügel war eine einfühlsame Begleitung. Und Matheus Jardim brachte mit seinem Schlagwerk Stimmung in den Großen Saal.

Unter Strich waren „Golden Times“ für das Eröffnungsfestival ein etwas zu dürftiges Programm, das aber viele Freunde – und somit seine Berechtigung – hat. Thomas Hampson sollte lieber Edward Elgar singen: https://klassik-begeistert.de/edward-elgar-the-dream-of-gerontius-philharmonie-berlin/. Und „The Philharmonics“ sollen ihre Spielfreude behalten.

Andreas Schmidt, 26. Januar 2017
klassik-begeistert.de

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