WNO-Così fan tutte, Rebecca Evans-Despina © Elliott-Franks
Lorenzo Da Ponte, Mozarts genialer und erfolgreichster Librettist seiner drei Glanzwerke, mit Spitznamen „Mozarts jüdischer Priester“, geboren im Ghetto von Ceneda, noch im Alter von 11 weder des Lesens noch des Schreibens kundig, hätte für diese Oper statt „Così fan tutte“ den umständlichen Titel „Schule der Liebhaber“ vorgezogen. Es blieb aber beim Untertitel.
Wolfgang Amadeus Mozart, Così fan tutte
(„So machen sie’s, oder: Die Schule der Liebhaber“)
Libretto: Lorenzo Da Ponte
Welsh National Opera WNO, 23. März 2024
Gastspiel in Southampton, Mayflower Theatre, italienische Originalsprache
von Dr. Charles E. Ritterband
Die Welsh National Opera – unter Kennern weltweit längst kein Geheimtipp mehr – hat jedoch diesen Untertitel zum Thema ihrer brillanten „Così“-Produktion (Inszenierung: Max Höhn) gemacht: Bühnenbild ist ein nüchternes Schulzimmer, hinter der Wandtafel verbirgt sich die Schulkantine, welche den üblichen englischen Kantinenfrass anzubieten hat – bedient von Despina, die als pfiffige Putzfrau und Faktotum amtiert.
Don Alfonso ist der zynisch-abgeklärte Rektor dieser Schule, in der sinnigerweise gerade das Fach Sexualaufklärung auf dem Stundenplan steht – mit sehr expliziten, mannshohen Farbtafeln von Bienchen, Blüte, riesigen phallischen Pilzen und natürlich Adam und Eva samt Schlange.
Die Schülerinnen und Schüler sind Erwachsene, grotesk in englische Schuluniformen, kurze Hosen und Rugby-Outfits gepresst. Das ist mehr als nur ein Gag: die unsterbliche und alsbald zum neuen Partner wechselnde Verliebtheit über Schwüre bis hin zu Selbstmordphantasien wird hier gnadenlos entlarvt als Teenager-Schwärmerei- allerdings zu Mozarts himmlischer Musik, von der WNO hervorragend dargeboten.
Das geht alles bestens auf – und ist ein köstliches,von intelligenten Regieeinfällen und Musikalität sprühendes Ganzes. Ein Genuss für Ohr, Hirn – und Seele!
Unter sämtlichen Opern Mozarts ist diese wohl am meisten abhängig von der Harmonie, der „Chemie“ zwischen den Sängerinnen und Sängern. Gleichsam streng mathematisch konstruiert (wir kennen Mozarts Begeisterung, ja Obsession mit Zahlen und Mathematik!) lebt dieses Werk von der Symmetrie zwischen den Paaren und den vier Stimmlagen Tenor, Bariton, Sopran, Mezzo und den beiden zynischen Drahtziehern Alfonso und Despina, welche die anfängliche, auf schwärmerischer Verliebtheit beruhende Symmetrie durch eine neue ersetzen.
Die vier Protagonisten verkörpern sängerisch perfekt diese Harmonie: Die Londonerin Sophie Bevan bringt eine herrliche Fiordiligi in dieser vielleicht anspruchsvollsten Sopran-Partie Mozarts: glatt, trittsicher in absolut reinen Spitzentönen schwebend und blumig-duftend in den mittleren Lagen, Strahlkraft im Ganzen. Sie vermittelt geradezu erschütternd ihr moralisches Hin- und Hergerissensein, ihr Dilemma in ihrer Verliebtheit.
Der russisch-ukrainische Tenor Egor Zhuravskii ist mit Schmelz und butterweicher stimmlicher Glätte ein kongenialer Partner.
Der britische Bariton James Atkinson gibt den Guglielmo mit sonoren, edlen Tiefen und die amerikanische Mezzosopranistin Kayleigh Decker gibt die Dorabella mit reif timbriertem Wohlklang. Der portugiesische Bariton José Fardilha verkörpert stimmlich und persönlich Autorität, allerdings mit augenzwinkerndem Humor und einer gehörigen Dosis Zynismus. Als weibliches Gegenstück die komödiantisch grossartige Waliserin Rebecca Evans als muntere, listige Despina, die es sich nicht nehmen lässt, den die Eheschließung besiegelnden „Advokaten“ mit unverkennbar englischem Akzent in ihrer italienischen Arie zu intonieren.
Spritzig, aber auch subtil und temperamentvoll das Orchester unter dem WNO-Musikdirektor Tomáš Hanus.
Dr. Charles E. Ritterband, 23. März 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Besetzung:
Inszenierung: Max Höhn
Dirigent: Tomáš Hanus
Bühne: Jemima Robinson
Dorabella: Kayleigh Decker
Fiordiligi: Sophie Bevan
Guglielmo: James Atkinson
Ferrando: Egor Zhuravskii
Despina: Rebecca Evans
Don Alfonso: José Fardilha
Welsh National Opera WNO, Gastspiel im Mayflower Theatre,s Southampton, 20. Mai 2023
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