Posers Klassikwelt 1/2019: Der Opernhonk

Wagner verkündete seinerzeit: „Kinder schafft Neues!“ Gesagt getan: Hier ist der Opernhonk, kurz OH genannt.

von Ulrich Poser

Honk ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für jemanden, den man nicht mag, zum Beispiel weil er einen ärgert. Das Wort hat in etwa die Bedeutung der gleichfalls auslegungsbedürftigen und beleidigenden Bezeichnung  Vollpfosten. Auch existiert eine Mischform, der sogenannte Vollhonk.

Wagner verkündete seinerzeit: „Kinder schafft Neues!“ Gesagt getan: Hier ist der Opernhonk, kurz OH genannt.

Der regelmäßige Opernbesucher wird leider regelmäßig von anderen Opernbesuchern geärgert, den Operhonks. Es erscheint nunmehr an der Zeit und darüber hinaus aus rein statistischen Gründen geboten , die verschiedenen Arten der Opernhonks wie folgt zu klassifizieren:

OH 1: Geht mit dem Rücken zum Publikum durch die Reihe auf seinen Platz ohne Danke fürs Aufstehen und Durchlassen zu sagen.

OH 2: Klatscht an der falschen Stelle während der Aufführung.

OH 3: Zumeist weiblich. Trägt soviel Schmuck und Ornament, dass jede auch nur schwache Bewegung der Arme zur massiv störenden Perkussioneinlage wird (auch Lamettahonk genannt).

OH 4: Drückt seinem Vordermann ständig seine Beine unter Nutzung des Vordersitzes in den Rücken.

OH 5: Schaut während der Aufführung auf sein hell erleuchtetes Handy.

OH 6: Spricht während der Aufführung und/oder hustet an der falschen Stelle (etwa während des Liebestodes im „Tristan“) laut ab.

Es stellt sich dem Gequälten allabendlich die Frage, wie man auf den  jeweiligen Opernhonk reagieren sollte. Bei OH1 und OH 2 reicht ein leichtes Augenverdrehen aus. Die Damen der OH-3-Kategorie sind unantastbar. Schließlich kann niemand in der Aufführung verlangen, „Bitte nehmen Sie jetzt Ihren Schmuck ab“ oder „Bitte bewegen Sie ihre Arme nicht mehr“. Eine schlimme Honk-Kategorie also, mit der man sich einfach abfinden muss.

Bei OH 4 und OH 5 reicht meistens ein böser Blick oder ein leise geflüstertes, energisches „Bitte aufhören!“

Den Opernhonk der höchsten Kategorie OH 6 kann man, so zeigt die Erfahrung, nur mit einem drastischen Auszischen zum Schweigen bringen. Da dieses Auszischen oft lauter ist als die Tat des Opernhonks, sollte man über die britische Lösung der Queen nachdenken: Niemals beschweren!

Ulrich Poser, 13. Oktober 2019, für

klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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Der Franke Ulrich Poser, Jahrgang 1962, lebt in Hamburg und bezeichnet sich selbst als „musikverrückt“; im Laufe der Jahre hat er sich eine formidable Schallplatten- und CD-Sammlung mit einigen tausend Sammlerstücken zugelegt, die zum Bedauern seiner Ehefrau nahezu täglich erweitert wird. Im Symphonischen Chor Hamburg (als Bass) und in einer Rockband (als Sänger, Gitarrist und Keyboarder) ist Ulrich Poser darüber hinaus selbst als aktiver Musiker unterwegs.
Ulrich ist seit 1996 als Rechtsanwalt zugelassen und seit 2009 Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht. Er ist Geschäftsführer der Veranstaltungsrechtskanzlei Poser und Inhaber der auf die Veranstaltungsbranche spezialisierten Seminarfirma Poser-Seminare sowie Vorsitzender und Justiziar des Berufsverbandes Der Veranstaltungsberater e.V.
Der ausgesprochene Wagnernarr besucht seit 1988 nahezu jedes Jahr den Grünen Hügel in Bayreuth.

Die SAMSTAG–PRESSE – 12. OKTOBER 2019

Foto: © Sony Music Entertainment, Harald Hoffmann
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Foto: Jonas Kaufmann © Sony Music Entertainment, Harald Hoffmann

Neue CD
Eine Kontroverse über „Wien“ von Jonas Kaufmann
Münchner Abendzeitung

Wien/ Staatsoper
„Die Frau ohne Schatten“ an der Staatsoper: Musikdramatik pur
Wiener Zeitung

„Konzertgänger in Berlin“
Vereisschränkt: KATJA KABANOWA an der Staatsoper
Statt zu den lustigen Weibern von Windsor zur todtraurigen Frau von Kalinow! Denn Leoš Janáček kann man niemals zu viel hören. Jedenfalls der Konzertgänger. Janáčeks Musik macht ihn unglaublich glücklich, obwohl sie so oft vom Unglücklichsein handelt.
https://hundert11.net/vereisschraenkt/

Klassik begeistert: Brigitte Fassbaender, eine weitere Grande Dame, die sich im hohen Alter noch für das Lied stark macht
Heute scheint die deutsche Romantik die Jungen zu überfordern, findet auch Brigitte Fassbaender, eine weitere Grande Dame, die sich im hohen Alter noch für das Lied stark macht, mit Verweis auf den Zeitgeist und sprachliche Verkümmerungen, die diametral stehen zu der Poesie solcher Dichter wie Eichendorff, Heine oder Hesse und deren Spiegelungen seelischer Befindlichkeiten in der Natur.
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Frankfurt
Puccini-Oper in Frankfurt: Unerwärmter Laserstrahlsopran
Frankfurter Allgemeine

Österreich
Bundesminister Schallenberg verleiht Großen Österreichischen Staatspreis an Komponisten Thomas Larcher
Bundeskanzleramt-gv.at

München
Die Schneekönigin
Carl Orffs „Die Kluge“ am Gärtnerplatztheater
https://www.bayerische-staatszeitung.de/staatszeitung/kultur/detailansicht-kultur

München/ Gärtnerplatz
„Der Messias“ in München. Tanz der Party-Sekte
BR-Klassik

Händels „Der Messias“, inszeniert von Torsten Fischer
Münchner Abendzeitung

Händels Oratorium „Der Messias“ in München: Neu und aufgeladen, denn er wird inszeniert!
Das Konzept der künstlerischen Fusion vom gespielt-gesprochen-getanztem Oratorium geht für mich auf. Das ist spannend und erfüllend, ich entdecke – auch mich selbst – ein kleines Stückchen neu. Was wollte ich von Kunst mehr erwarten? Jetzt habe ich eine Vorstellung – erlebt!
Frank Heublein berichtet vom Staatstheater am Gärtnerplatz in München.
Klassik begeistert „Die SAMSTAG–PRESSE – 12. OKTOBER 2019“ weiterlesen

„Frau ohne Schatten" an der Wiener Staatsoper: Großes Orchester, ganz fein!

Was da aus dem Graben strömt, ist in Worte kaum zu fassen. Wenn Thielemann und das in Höchstform agierende Staatsopernorchester Wiener Walzer und Strauss‘ schen Schönklang aus der Original-Partitur emporheben, dann werden Träume wahr.

Foto: Tomasz Konieczny und Nina Stemme © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn 

Wiener Staatsoper,
10. Oktober 2019
Richard Strauss, Frau ohne Schatten

von Jürgen Pathy

Christian Thielemann hat wieder zugeschlagen! Der Berliner Hexenmeister und das Staatsopernorchester, aus dem sich die Wiener Philharmoniker rekrutieren, verwandeln die Wiener Staatsoper in einen Hort der Freude, Trauer und Empathie. Mit dieser von Vincent Huguet inszenierten „Frau ohne Schatten“, die in der letzten Saison ihre Premiere feierte, setzt Thielemann zum nächsten Höhenflug an. Gebettet in ein klassisches Bühnenbild, das bis auf einen nackten Jüngling ohne jegliches Klimbims auskommt, klopft diese Jubiläumsvorstellung bereits jetzt ganz laut an, um sich auf der Poleposition der Kategorie „Höhepunkt der Spielzeit“ zu qualifizieren. „Richard Strauss, Frau ohne Schatten,
Wiener Staatsoper, 10. Oktober 2019“
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Händels Oratorium "Der Messias" in München: Neu und aufgeladen, denn er wird inszeniert!

Foto: © Marie-Laure Briane
Das Konzept der künstlerischen Fusion vom gespielt-gesprochen-getanztem Oratorium geht für mich auf. Das ist spannend und erfüllend, ich entdecke – auch mich selbst – ein kleines Stückchen neu. Was wollte ich von Kunst mehr erwarten? Jetzt habe ich eine Vorstellung – erlebt!

Gärtnerplatztheater München, 10. Oktober 2019 (Premiere)
Georg Friedrich Händel, Der Messias

von Frank Heublein

Ich hatte keine Vorstellung von dem, was mich da erwartete. Keine Vorstellung von der Vorstellung zu haben: finde ich gut. Ich erhalte mir dadurch einen offenen Blick, ein offenes Ohr. Durchdacht, gekonnt ist dieses Unterfangen. Sein Schluss begeistert mich zutiefst.

Wenn bei einer Vorstellung, noch dazu einer Premiere, der Intendant vor Beginn der Vorstellung erscheint, ist das ein schlechtes Zeichen. Tenor Alexandros Tsilogiannis hat keine Stimme, spielt jedoch. Die Stimme leiht ihm aus dem Orchestergraben Caspar Singh vom Opernstudio der Bayerischen Staatsoper „nebenan“. Für Tsilogiannis persönlich ist das schade, als Zuseher und Zuhörer finde ich persönlich: die beiden haben die schwierige Situation hervorragend gemeistert! „Georg Friedrich Händel, Der Messias,
Gärtnerplatztheater München, 10. Oktober 2019 (Premiere)“
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Lieses Klassikwelt 3/2019: Deutsche Sprache

Heute scheint die deutsche Romantik die Jungen zu überfordern, findet auch Brigitte Fassbaender, eine weitere Grande Dame, die sich im hohen Alter noch für das Lied stark macht, mit Verweis auf den Zeitgeist und sprachliche Verkümmerungen, die diametral stehen zu der Poesie solcher Dichter wie Eichendorff, Heine oder Hesse und deren Spiegelungen seelischer Befindlichkeiten in der Natur.

von Kirsten Liese

Edda Moser wurde letzte Woche mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Das Bundespräsidialamt begründete dies mit dem „besonders ausgeprägten Sprachempfinden“ der Sängerin und Leiterin des Festspiels der deutschen Sprache „in den Dienst der Allgemeinheit“.

Das erscheint mir als ein unverhofft positives Zeichen in Zeiten, in denen die deutsche Sprache wie überhaupt alles Deutsche in Deutschland einen schweren Stand hat. In der Hochkultur läuft es zunehmend mehr in Englisch ab. Filmfestspiele sind dafür ein gutes Beispiel. Die Berlinale präsentiert ausschließlich die Wettbewerbsfilme mit Untertiteln in Deutsch und Englisch, alle Produktionen in den Nebenreihen dagegen nur mit englischen Untertiteln – wenn nicht in englischer Originalversion. Unsere europäischen Nachbarn sind da selbstbewusster, zeigen zuzüglich der englischen Untertitel immer auch die in der Landessprache, sei es nun Cannes,  Locarno, San Sebastian oder Venedig. „Lieses Klassikwelt 3/2019,
klassik-begeistert.de“
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Die FREITAG–PRESSE – 11. OKTOBER 2019

Foto: Jonas Kaufmann, © Gregor Hohenberg Sony Classical
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Die FREITAG–PRESSE – 11. OKTOBER 2019

Star-Tenor macht Pause Jonas Kaufmann stellt während Auszeit neues Album vor
Kurier

Wien/ Staatsoper
Martha Jungwirth: Ein zorniges Historienpferd am Opernvorhang Bezahlartikel
Am Donnerstag wurde ihr Motiv für den eisernen Vorhang der Wiener Staatsoper enthüllt – es ist ein trojanisches Pferd. Im Mumok ist die Malerin bei der Ausstellung über ihren verstorbenen Mann, Alfred Schmeller, vertreten.
Die Presse
„Wundes Schlachtfeldpferd“: Jungwirths Staatsopern-Eiserner
Salzburger Nachrichten

Coburg
Auch ein goldenes Hirn kann innen hohl sein: Das Rheingold am Landestheater Coburg
bachtrack

Stockholm
Royal Swedish Opera 2019-20 Review: Der Ferne Klang
https://operawire.com/royal-swedish-opera-2019-20-review-der-ferne-klang/

Palermo
Winter Journey (Teatro Massimo, Palermo)
Ludovico Einaudi’s hypnotic, African-infused score and Colm Tóibín’s poetic libretto unite in a triumphant, topical new opera.
https://www.limelightmagazine.com.au/reviews/winter-journey-teatro „Die FREITAG–PRESSE – 11. OKTOBER 2019“ weiterlesen

Das LEO in Wien – große Oper und beschwingte Operette im Kleinformat  

Fotos: © Theater L.E.O.
Wiens lustigstes Opernhaus

Letztes Erfreuliches Operntheater LEO, Ungargasse 18, 1030 Wien,
8. Oktober 2019,
Franz Léhar, Die Lustigste Witwe,  

von Charles E. Ritterband

Wien hat, was kaum eine andere Stadt zu bieten hat: vier Opernhäuser – die berühmte Staatsoper, das herausragende Theater and der Wien mit der Kammeroper und die traditonsreiche Volksoper. Falsch. Wien hat fünf Opernhäuser, was allerdings die wenigsten Besucher wissen. Das LEO, das „Letzte Erfreuliche Operntheater“ – dessen Bezeichnung ebenso skurril ist wie überhaupt alles, was sich in diesen paar Quadratmetern in einer Mischung aus kuscheliger Wohnzimmer-Atmosphäre und stimmungsvollem Brockenhaus abspielt.
„Franz Léhar, Die Lustigste Witwe,
Letztes Erfreuliches Operntheater LEO, Wien“
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Von der Vielfalt der Natur inspiriert: Ausblick auf die 43. Dresdner Musikfestspiele vom 12. Mai bis 12. Juni 2020

Dresdner Musikfestspiele 2020
Dresden, 8. Oktober 2019

von Pauline Lehmann

»Das größte Geheimnis der Natur ist ihre verblüffende Vielfalt, dieser Reichtum gehört auch den zukünftigen Generationen.« Unter dem Motto »Inspiration Natur« erforschen Festspielintendant Jan Vogler und sein Team in der kommenden Saison, wie die Natur seit jeher als Quelle künstlerisch-musikalischer Inspiration dient und verschreiben sich zugleich einem hoch aktuellen und brisanten Thema. Das Programm – bestehend aus 63 Konzerten – versteht sich dennoch als musikalisches Statement. „Dresdner Musikfestspiele 2020,
Dresden, 8. Oktober 2019“
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Die DONNERSTAG–PRESSE – 10.OKTOBER 2019

Foto: Wiener Staatsoper – Zuschauerraum © Michael Pöhn
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Die DONNERSTAG–PRESSE – 10. OKTOBER 2019

Paris
Oper: So ist die Pariser „Traviata“, die Roščić nach Wien holt Bezahlartikel
Simon Stone hat Verdis Werk inszeniert; die Produktion kommt an die Wiener Staatsoper
Kurier

Klassik-Markt
In Vorleistung
Die Umsätze mit Klassik-CDs sinken, Streaming ersetzt die Einbußen nicht. Labels und Künstler suchen nun fieberhaft nach neuen Strategien.
Sueddeutsche Zeitung

ARTE startet in Partnerschaft mit 23 europäischen Opernhäusern in die zweite digitale Opernspielzeit ARTE Opera
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20191007_OTS0132/arte-startet-in-partnerschaft

Salzburg
Große Oper im Petersbrunnhof: 50 Jahre Szene Salzburg – Erinnerungen
Wer erinnert sich eigentlich noch daran, dass die Szene der Jugend in ihren frühen Tagen auch der Oper ein Forum bot? Stagione lirica hieß das wackere Unternehmen, Nikolaus Topic-Matutin war einer der Köpfe. Er erinnert sich.
DrehpunktKultur

Lyon
Da prügeln sie die schöne Schweiz zu Brei – und doch geniesst man «Guillaume Tell» in vollen Zügen
Neue Zürcher Zeitung

Leipzig
Mit Opulenz ins Happyend: Enrico Lübbe inszeniert „Tristan und Isolde“ in Leipzig
Neue Musikzeitung/nmz.de „Die DONNERSTAG–PRESSE – 10. OKTOBER 2019“ weiterlesen

Sommereggers Klassikwelt 4 / 2019: Mimis ewig kalte Hände: Die Mutlosigkeit der Klassik-Szene

Unverbrauchte Stücke würden auch den Regisseuren neue Entfaltungsmöglichkeiten und Ansätze bieten. Wären diese zunehmend destruktiv auftretenden Theatermacher vom Zwang der permanenten Neudeutung nur allzu bekannter Werke befreit, könnte sich vielleicht eine Musiktheater-Ästhetik jenseits mutwilliger Stückzertrümmerung und abstruser Umdeutungen entwickeln.  Das Publikum könnte wieder  Neugier auf Unbekanntes bekommen – und es hat noch keinem Museum geschadet, wenn es einmal durchgelüftet wird!

von Peter Sommeregger, Berlin

Dass die Oper zumindest in Teilen eine museale Kunstform ist, kann niemand leugnen. Die Zahl neuer Werke für das Musiktheater ist überschaubar, dass Intendanten zumeist einen Bogen um Uraufführungen machen, darf nicht verwundern. Außer hohen Kosten und begrenzter Aufmerksamkeit ist dabei nichts zu gewinnen. Ein Überraschungserfolg wie „Oceane“ von Detlef Glanert an der Deutschen Oper Berlin in der letzten Spielzeit stellt letztlich eine Ausnahme dar, und noch ist nicht gesichert, dass dieses Werk jemals ins Repertoire wachsen wird.

Seit dem Zweiten Weltkrieg sind es im Wesentlichen nur zwei Opern, die sich dauerhaft auf Internationalen Spielplänen halten konnten: Strawinskys „Rake’s Progress“ und B.A. Zimmermanns „Soldaten“. Eine wahrhaft magere Ausbeute für ein Dreiviertel-Jahrhundert!

Wer kann es den Intendanzen und ihren Dramaturgen verdenken, wenn sie auf Nummer sicher gehen wollen, und wiederum Mimis Muff, Carmens Kastagnetten und Violettas Schwindsucht hervor holen.  Ein Opernhaus ist ein wirtschaftliches Unternehmen und muss trotz aller Subventionen auch noch ein respektables Einspielergebnis vorweisen können. Was dabei auf der Strecke bleibt, sind aber Fantasie und kreative Ansätze. Musikbibliotheken und Archive sind voll von Partituren selten oder nie gespielter Werke aller Epochen.

Warum gelingt es der Szene der alten Musik, speziell der Barockoper, regelmäßig, seit Ewigkeiten nicht mehr Gespieltes erfolgreich wieder zu beleben? Ein Komponist wie Leonardo Vinci war völlig vergessen, seit der Ausgrabung seines brillanten „Artaserse“ kann das Publikum nicht genug von ihm bekommen. Eine Schwemme von zum Teil grandiosen Counter-Tenören bietet diesen Wiederbelebungen auch das erforderliche Personal, während in der konventionellen Opernszene die Standards des Gesanges nie geahnte Tiefpunkte erreichen, und die wenigen Stars bis zur Erschöpfung von einer Traviata oder einem Otello zum nächsten hetzen.

Die Barock-bzw. Counter-Szene scheint ein kreativer, innovativer Raum zu sein, in dem sich Spezialisten gefunden haben und mit Geduld Künstler und neue Aufführungsformen entwickeln. Franco Fagioli, der absolute Star der Countertenöre, ist seit seinen Anfängen einen langen, weiten Weg gegangen, der ihm aber ein gesundes Fundament für seine Weltkarriere verschafft hat.

Ein wenig Risikobereitschaft möchte man den Herren und Damen Intendanten schon empfehlen. Verdi, Puccini, Strauss haben noch mehr Werke als Aida, Boheme und Rosenkavalier geschrieben, Meyerbeer, Halevy füllten große Häuser mit Opern, die heute niemand mehr kennt. Von Wagners insgesamt dreizehn Opern werden zehn fast zu Tode gespielt, die frühen drei kennt kaum einer. Diese Liste ließe sich beliebig ausdehnen. Ist eine Ausgrabung gelungen, stürzen sich  aber sofort viele Häuser auf das Werk und beweisen damit erneut einen Mangel an Kreativität. Korngolds „Tote Stadt“, nach einem Welterfolg  der Uraufführung später von den Nazis verbannt, wird augenblicklich wieder landauf, landab gespielt. Das Werk verdient es durchaus, aber es gäbe noch sehr viel mehr von Korngold und anderen zu entdecken.

Unverbrauchte Stücke würden auch den Regisseuren neue Entfaltungsmöglichkeiten und Ansätze bieten. Wären diese zunehmend destruktiv auftretenden Theatermacher vom Zwang der permanenten Neudeutung nur allzu bekannter Werke befreit, könnte sich vielleicht eine Musiktheater-Ästhetik jenseits mutwilliger Stückzertrümmerung und abstruser Umdeutungen entwickeln.  Das Publikum könnte wieder  Neugier auf Unbekanntes bekommen – und es hat noch keinem Museum geschadet, wenn es einmal durchgelüftet wird!

Peter Sommeregger, Berlin, 9. Oktober 2019, für
klassikbegeistert.de und klassik-begeistert.at

Ladas Klassikwelt (c) erscheint jeden Montag.
Sommereggers Klassikwelt (c) erscheint jeden Mittwoch.
Lieses Klassikwelt (c) erscheint jeden Freitag.
Ritterbands Klassikwelt (c) erscheint jeden zweiten Sonntag.
Posers Klassikwelt (c) erscheint jeden zweiten Sonntag

Der gebürtige Wiener Peter Sommeregger (Jahrgang 1946) besuchte das Humanistische Gymnasium. Er wuchs im 9. Gemeindebezirk auf, ganz in der Nähe von Franz Schuberts Geburtshaus. Schon vor der Einschulung verzauberte ihn an der Wiener Staatsoper Mozarts „Zauberflöte“ und Webers „Freischütz“ – die Oper wurde die Liebe seines Lebens. Mit 19 Jahren zog der gelernte Buchhändler nach München, auch dort wieder Oper, Konzert und wieder Oper. Peter kennt alle wichtigen Spielstätten wie die in Paris, Barcelona, Madrid, Verona, Wien und die New Yorker Met. Er hat alles singen und dirigieren gehört, was Rang und Namen hatte und hat – von Maria Callas und Herbert von Karajan bis zu Ricardo Muti und Anna Netrebko. Seit 25 Jahren lebt Peter in Berlin-Weißensee – in der Hauptstadt gibt es ja gleich drei Opernhäuser, die er auch kritisch rezensiert: u.a. für das Magazin ORPHEUS – Oper und mehr. Buchveröffentlichungen: „‘Wir Künstler sind andere Naturen.‘ Das Leben der Sächsischen Hofopernsängerin Margarethe Siems“ und „Die drei Leben der Jetty Treffz – der ersten Frau des Walzerkönigs“. Peter ist seit 2018 Autor bei klassik-begeistert.de .