"Götterdämmerung" in Berlin: Einige Stimmen strahlen, Herheims Inszenierung ist indiskutabel

„Götterdämmerung“ an der Deutschen Oper Berlin: Stefan Herheim verzwergt Wagner

Deutsche Oper Berlin, Premiere am 17. Oktober 2021
Richard Wagner, Götterdämmerung

Siegfried  Clay Hilley
Gunther  Thomas Lehman
Hagen  Gidon Saks
Brünnhilde  Nina Stemme
Gutrune  Aile Asszonyi
Waltraute  Okka von der Damerau
Inszenierung  Stefan Herheim
Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin
Dirigent  Sir Donald Runnicles

von Peter Sommeregger

Die Covid 19- Pandemie hat auch das timing für die Ring-Neuinszenierung an der Deutschen Oper völlig durcheinander gebracht. So hatte am Sonntag noch vor dem „Siegfried“ die abschließende „Götterdämmerung“ Premiere. Man darf aber bereits vor der letzten Premiere feststellen, dass Stefan Herheim mit seinem Ring krachend gescheitert ist. In Ermangelung eines tragfähigen Konzeptes verliert sich der Regisseur in immer abstruseren Mätzchen und Geschmacklosigkeiten.

Aber den höheren Stellenwert sollte man nach wie vor der Musik in der Oper einräumen, die Dominanz der Regie ist die chronische Krankheit des aktuellen Opernbetriebes. Leider fehlte an diesem Abend aber Einiges zum ungetrübten Wagner-Glück. Dass GMD Donald Runnicles bei Wagner gerne schleppt, ist bekannt und wäre zu verkraften, schwerer verzeiht man schon die Kickser und Unsicherheiten bei den Blechbläsern. Das Orchester der Deutschen Oper präsentierte sich nicht gerade in Bestform. Souverän dagegen der Chor, der in Mannschaftsstärke den einzigen Chorszenen des gesamten „Ringes des Nibelungen“ Wucht und Präzision verlieh. „Richard Wagner, Götterdämmerung
Deutsche Oper Berlin, Premiere am 17. Oktober 2021“
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William Garfield Walker im Brahms-Saal: Kleines Orchester produziert großen Mahler-Klang

Foto: William Garfield Walker © Andrej Grilic

Musikverein Wien, Brahms-Saal, 15. Oktober 2021
Gustav Mahler, Symphonie Nr. 4 G-Dur

William Garfield Walker, Dirigent
Rebecca Nelsen, Sopran
Nova! Orchester

von Jürgen Pathy

Eine Flut an positiven Überraschungen. So lässt sich der Freitagabend im Brahms-Saal des Musikvereins Wien in nur einem Satz umschreiben. Dabei waren die Zweifel, ob Mahlers Vierte auch mit Kammerorchester funktioniert, ziemlich groß. William Garfield Walker, ein Absolvent der MUK (Privatuniversität Wien), hat sie alle beseitigt. 1992 in den USA geboren, erweist sich der junge Dirigent als Meister der intensiven Klangwogen mit Hang zum Pioniergeist. Das hat mehrere Gründe. „William Garfield Walker, Rebecca Nelsen, Nova! Orchester, Gustav Mahler, Symphonie Nr. 4 G-Dur
Musikverein Wien, Brahms-Saal, 15. Oktober 2021“
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Barockspektakel? Genau: Barock! Spektakel! Gesang! Tanz! Alles drin!

Gyula Rab, Chor des Staatstheaters am Gärtnerplatz. Foto: © Marie-Laure Briane

Gärtnerplatztheater, München, 14. Oktober 2021

Uraufführung der Ballettoper „Amors Fest“

von Frank Heublein

Howard Arman, erster Gastdirigent des Opernhauses am Gärtnerplatz in München, Leiter des Chors des Bayerischen Rundfunks und ausgewiesener Barockspezialist, stellt vier Barockkomponisten für vier Jahreszeiten zusammen. Daraus webt er mit Regisseur und Ballettdirektor Karl Alfred Schreiner die Ballettoper „Amors Fest“. Diese Uraufführung am heutigen Abend kündigt das Gärtnerplatztheater in München als Barockspektakel in vier Teilen mit Gesang und Tanz an. „Uraufführung Ballettoper „Amors Fest“, Gärtnerplatztheater, München, 14. Oktober 2021“ weiterlesen

Der Schlauberger 61: Die blanke Gier – Werbung: So genial ist Sprache

Tritt den Sprachpanschern ordentlich auf die Füße! Gern auch unordentlich. Der Journalist und Sprachpurist Reinhard Berger wird unsere Kultur nicht retten, aber er hat einen Mordsspaß daran, „Wichtigtuer und Langweiler und Modesklaven vorzuführen“. Seine satirische Kolumne hat er „Der Schlauberger“ genannt.

von Reinhard Berger

Alles ist kostenlos!! Zwei Ausrufungszeichen. Lag vorige Woche in meinem Briefkasten. Ein deutsches Unternehmen schrieb mir und wahrscheinlich auch noch ein paar anderen Leuten: Alles ist kostenlos!! „Der Schlauberger 61: Die blanke Gier – Werbung: So genial ist Sprache“ weiterlesen

Klar wie Bergwasser, manchmal auch hart wie Hagel im Sommer: Yulianna Avdeeva verzaubert Berlin

Alles dies breitet sich vor uns aus, klanggemalt in Avdeevas ganz eigenem Ton, fließend und klar wie Bergwasser, manchmal auch hart wie Hagel im Sommer, von großer Brillanz in der Melodieführung, dann wieder einem atemberaubenden Pianissimo, zart wie ein Nebelschleier.  

Yulianna Avdeeva am 16. Oktober 2021 in Berlin, Pierre Boulez Saal

von Sandra Grohmann

Danke, Yulianna Avdeeva. Für einen schillernden, einen perspektivreichen, einen zu Herzen gehenden Klavierabend. Und einen, der deutlich zeigte, wie viel wir verpassen, wenn wir uns nur zu Bach, Mozart und Chopin aus dem heimischen Sessel reißen. „Yulianna Avdeeva, Piano
16. Oktober 2021 in Berlin, Boulez-Saal“
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Testen Sie Ihr Wissen im Klassik-Quiz – Folge 61

Kommen wir wie üblich zunächst zur Auflösung der Preisfrage von letzter Woche: Wir suchten einen Dirigenten, der einen der in den übrigen Fragen genannten Komponisten persönlich kannte. Nun, dieser Komponist war nicht Robert Schumann – sondern Gustav Mahler. 1905 lernte der Gesuchte Mahler kennen und unterstützte diesen (gemeinsam mit Bruno Walter) bei der Uraufführung von dessen 10. Sinfonie. Schließlich noch der Hinweis auf einen verwandten Philologen und emsigen Tagebuchschreiber: Hier spielten wir auf Victor Klemperer an, dessen Tagebücher aus der NS-Zeit, die in den 1990ern unter dem Titel „Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten“ erschienen, von hohem zeitgeschichtlichen Wert sind. Seinen Cousin suchten wir: Otto Klemperer. Herausgefunden hat das Ellinor Gottschlich aus Detmold, die zudem das Glück hatte, aus der Lostrommel gezogen zu werden – herzlichen Glückwunsch zu unserer dieswöchigen Überraschungs-CD! „Das Klassik-Quiz – Folge 61“ weiterlesen

Daniels Anti-Klassiker 33: Rimski Korsakow – „Scheherazade“ (1888)

Höchste Zeit, sich als Musikliebhaber neu mit der eigenen CD-Sammlung und der Streaming-Playlist auseinanderzusetzen. Dabei begegnen einem nicht nur neue oder alte Lieblinge. Einige der „Klassiker“ kriegt man so oft zu hören, dass sie zu nerven beginnen. Andere haben völlig zu Unrecht den Ruf eines „Meisterwerks“. Es sind natürlich nicht minderwertige Werke, von denen man so übersättigt wird. Diese sarkastische und schonungslos ehrliche Anti-Serie ist jenen Werken gewidmet, die aus Sicht unseres Autors zu viel Beachtung erhalten.

von Daniel Janz

Scheherazade – frei nach dem Märchen von Tausendundeiner Nacht – ist eine der populärsten, wenn nicht sogar die populärste Komposition von Rimski Korsakow. Nicht nur der Stoff der Erzählung selbst berauscht. Die Musik gilt als Meisterwerk der Instrumentation, als eine herausragend in Töne gegossene Erzählung. Nicht selten wird sie sogar als die beste Komposition des russischen Komponisten bezeichnet. Und doch – trotz dieses herausragenden Rufs gibt es da etwas, was an dieser Komposition herausfällt. Denn, wie sich zeigt, ist nicht alles Gold, was glänzt… „Daniels Anti-Klassiker 33: Rimski Korsakow – „Scheherazade“ (1888)“ weiterlesen

Unromantische Liebe und leidenschaftliche Romantik – Messiaen und Bruckner in der Elbphilharmonie Hamburg

„Im herzlichen, langanhaltenden Applaus schwang ein bisschen das Gefühl mit, so langsam Abschied von den ganz großen Auftritten dieser phantastischen Künstlerin nehmen zu müssen.“

Elbphilharmonie Hamburg, 14. Oktober 2021

Olivier Messiaen, Poèmes pour Mi
Anton Bruckner, Symphonie Nr. 4 Es-Dur

Leitung: Alan Gilbert
Solistin: Renée Fleming
NDR Elbphilharmonie Orchester

von Dr. Andreas Ströbl

Zugegeben: Die großartige Sopranistin Renée Fleming noch einmal hören zu dürfen, war sicher der Hauptgrund für das Gros des Publikums, das zu einem ihrer selten gewordenen Auftritte in Deutschland am 15. Oktober in die Hamburger Elbphilharmonie pilgerte. „Pilgern“ trifft es tatsächlich, denn der Abend war, was die beiden Komponisten und ihre programmatische Ausrichtung betraf, stockkatholisch. „Renée Fleming, Alan Gilbert, NDR Elbphilharmonie Orchester,
Elbphilharmonie Hamburg, 14. Oktober 2021“
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Elbphilharmonie Hamburg: An diesem Abend ist Christiane Karg eine Zauberin

Elbphilharmonie – Kleiner Saal, 11. Oktober 2021 (Internationaler Welt-Mädchentag)
Liederabend Mahler-Lieder 

Die Schönheit der gelebten Musik aus Mahlers prallem Theatrum mundi.

Christiane Karg, Sopran
Ulrike Payer, Klavier

Frau Karg und Frau Payer. Copyright: Susanne Baade / The Smiling Moon / Stiftung Hilfe mit Plan

von Elzbieta Rydz

Gustav Mahlers Lieder, insgesamt nur 40 an der Zahl, sind ein Sonderfall der Liedgeschichte. Teils nutzte Mahler die Gedichte Friedrich Rückerts oder Lieder aus Arnims und Brentanos Wunderhorn-Sammlung, um deren Texte nach seinem musikalischen Bild zu gestalten, teils schrieb er selbst die Dichtung und Musik wie bei „Hans und Grete“.

Durch Mahlers Herangehensweise wird dem Lied eine neue Bedeutung gegeben: es wird herausgeholt aus der romantischen Intimität, reingefüllt in ein Gefäß großer Gefühle und ausgebreitet auf dem Schauplatz allgültiger Erlebnisse. Zeitlebens suchte Mahler, der Naturenthusiast, nach Möglichkeiten, seine Idee von der Unverlierbarkeit des menschlichen Wirkens umzusetzen. So geschah es mit der Wunderhorn-Poesie, jener romantischen Volksliedersammlung, die für Mahler die Begegnung mit seiner eigenen geistigen Heimat bedeutete.

Mahler ging mit den reizvollen Text-Kunstwerken auf seine Weise um. Er suchte diejenigen aus, die seiner Stimmung näherungsweise entsprachen und ihn inspirierten, strebte nach dem Anregenden und Lichten, das seine kompositorische Umdeutung herausforderte. Oft hat er die Texte nach dem ihm vorschwebenden musikalischen Bild umgestaltet, ausgeformt: So wird aus der im Ursprungstext erfassten unbeschreiblichen Freude im „Wo die schönen Trompeten blasen“ mit hochdramatischer Bestimmtheit ein tragisches Lied von Verlust und Tod.

An diesem Abend ist Christiane Karg eine Zauberin: der liedhaft sangbaren Plastik der Themen verleiht sie Leichtigkeit und gleichzeitig Bestimmtheit. Vom ersten Takt an nimmt sie mich auf eine Reise auf die Berge und an die Seen der Mahler’schen Salzkammergutlandschaft, in der durch Stille, Frieden und durch die Berührung mit der Erde neue Kraft entspringt. Natur, Frömmigkeit, Sehnsucht, Liebe, Abschied, Tod, Geisterwesen, Jugendfrohsinn, Kinderscherz, Landknechtsart, krauser Humor – alles lebt in den Dichtungen erweckt durch das traumhafte, schauspielerisch-musikalische Ausgestaltungsspektrum der Interpretin. In den Gedichten Friedrich Rückerts, den Liedern aus Arnims und Brentanos Wunderhorn Sammlung bleiben sie dem Geheimnis, dem Traum und Entrückung an Schauder und Seligkeit nichts schuldig. Musikalisch ausdrucksmächtig klingen die Worte und Verse. Ich habe den Eindruck, die tragisch-komplizierte Essenz ist in ein verlorenes poetisches Paradies eingezogen.

Wagnisse der Stimmführung und des Zusammenklangs, harmonische Finessen, tonale Freizügigkeit spiegeln sich sowohl im persönlichen Tanzliedchen „Hans und Grete“ als auch im „Ich bin der Welt abhanden gekommen“. Im Lied „Das irdische Leben“ weiß die Künstlerin die Angstrufe des Kindes „…gib mir Brot sonst sterbe ich“ in klaffenden Oktaven- und Dezimensprüngen ausdrucksstark zu formulieren. Diese Komposition beruht auf einer jagenden Sechzehntelbewegung in düsterem es-Moll, deren Ausdruck von der Pianistin Ulrike Payer begleitend verstärkt wird.

Jedes Lied ein Kleinod gebettet in Karg’s Leidenschaft für Liedgesang und kammermusikalische Projekte.

Christiane Karg ist künstlerische Leiterin des Festivals Kunstklang Feuchtwangen und setzt mit ihrem eigenen Projekt „be part of it!- Musik für alle“ Musikvermittlung bei Kindern und Jugendlichen um. Für ihr künstlerisches und gesellschaftliches Engagement hat sie den Kulturpreis Bayern sowie Brahms-Preis der Brahms-Gesellschaft Schleswig-Holstein erhalten. Zusätzlich ist sie Botschafterin der Kinderrechtsorganisation Plan International, die sich für Chancengleicht von Mädchen einsetzt. Das Konzert fand am Internationalen Welt-Mädchentag statt.

Elzbieta Rydz, 13. Oktober 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Sommereggers Klassikwelt 108: Beethoven 10 – der künstlichen Intelligenz fehlt leider das Genie,Klassik-begeistert.de

Jonas Kaufmann & Helmut Deutsch, CD-Rezension, Liszt, Freudvoll und leidvoll klassik-begeistert.de

Wiener Konzerthaus: Teodor Currentzis’ Aufstieg in den Mahler Olymp

Wiener Konzerthaus, 11. Oktober 2021

musicaAeterna Orchestra
Dirigent: Teodor Currentzis

Foto: © Anton Zavyalov

Alexey Retinski (*1986): Anapher (2021)
Gustav Mahler: Symphonie Nr. 5 in cis-moll

von Herbert Hiess

Nach dem Montags-Konzert im Wiener Konzerthaus könnte man vermuten, dass das in Sibirien gegründete musicaAeterna Orchestra eine Erfolgsgeschichte wird wie das Mariinski Orchester aus St. Petersburg. Dieses machte Valery Gergiev sukzessive zu einem Weltklasseensemble, das sich vor führenden Orchestern absolut nicht „verstecken“ muss. Und genau auf diesem Wege ist das russische Ensemble, das der gebürtige Grieche Teodor Currentzis mittlerweile zu einem ausgesprochen hervorragenden Klangkörper geformt hat. „musicaAeterna Orchestra, Teodor Currentzis
Wiener Konzerthaus, 11. Oktober 2021 “
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