Schweitzers Klassikwelt 70: Herzlich willkommen an der Wiener Staatsoper

Foto: Wiener Staatsoper, M. Pöhn ©

Im letzten Feuilleton haben wir mit Wehmut von Künstlerinnen Abschied genommen, mit denen wir auf ganz verschiedene Weise vertraut wurden. Nicht immer waren wir von Anfang an begeistert, in einem Fall war es nötig, das Wertvolle einer Stimme aus meist mittleren Partien herauszuhören. Besonders der Direktionswechsel Ende Juni 2020 brachte einige Veränderungen im Ensemble. An vier Beispielen wollen wir das veranschaulichen.

von Lothar und Sylvia Schweitzer

Vera-Lotte Boecker war 2014 bis 2017 am Nationaltheater Mannheim engagiert, danach drei Jahre an der Komischen Oper Berlin, mit eingeschlossen schon Gastspiele. Unsre erste Begegnung mit ihr erfolgte bei einer Fernsehübertragung der „Carmen“. Ihre Micaëla war unkonventionell, nicht lieblich-süßlich, sondern energisch. „Live“, ohne vermittelnde Tontechnik hörten wir dann die Tugend und die Drusilla in
„L’incoronazione di Poppea“.  Im Prolog wusste sie sich als Tugend gesanglich gegenüber Göttin Fortuna zu behaupten, als Drusilla vermissten wir die Wärme, welche die  Janowitz im Jahr 1963 ausstrahlte. „Schweitzers Klassikwelt 70: Herzlich willkommen an der Wiener Staatsoper!“ weiterlesen

Ladas Klassikwelt 97: Richard Wagner kann sich verwandeln in eine Leckerei mit Mandeln

Franco Cecon, Chef von dem Eiscafé Venezia in Bayreuth, serviert das Wagner-Eis. Foto: Joanna Stich

Richard-Wagner-Pizza, Wagner-Eis, Wagner-Pralinen und Teemischungen mit Titeln von den Opern auf den Päckchen – all das ist in Bayreuth zu finden, vor allem in der Straße, die den Namen des Komponisten trägt.

von Jolanta Łada-Zielke

Während der Festspielzeit gehe ich eines Nachmittags mit meiner Freundin Joanna in die italienische Pizzeria und Hamburgeria „Mozzarella e Basilico“. Als wir auf der Speisekarte „Richard-Wagner-Pizza“ entdecken, zögern wir keinen Moment, eine zu bestellen. Zumal die Inhaltsstoffe in der Speisekarte vielversprechend aussehen: Tomatensauce, zwei Mozzarella- Sorten (darunter Büffel), Bresaola-Schinken, Rucola, Pistazienpesto, und Cherrytomaten. Ich finde sie sehr exklusiv, vor allem dieses Pistazienpesto. „Ladas Klassikwelt 97: Richard Wagner kann sich verwandeln in eine Leckerei mit Mandeln
klassik-begeistert.de 5. September 2022“
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Ladas Klassikwelt 96: Die Nachbarn im Publikum kann man nicht wählen

Bayreuther Festspiele 2022; Lohengrin; Insz. Yuval Sharon © Enrico Nawrath, Bayreuther Festspiele

Bericht von dem gestörten LOHENGRIN III bei den Bayreuther Festspielen

von Jolanta Łada-Zielke

Alex Ross, der Autor des Buchs „Die Welt nach Wagner“ nennt  „Lohengrin“ die Einstiegsdroge der Wagnerianer. Dem stimme ich voll und ganz zu, denn so war es bei mir, als ich 2003 die Produktion von Keith Warner unter der musikalischen Leitung von Sir Andrew Davis in Bayreuth gesehen habe. Heute, nach dem neunzehnjährigen Befassen mit dem Werk Richard Wagners, brauche ich ab und zu eine neue Dosis dieses „Rauschgifts“. Während der diesjährigen Bayreuther Festspiele hatte ich die Gelegenheit dazu, indem ich die „Lohengrin“– Aufführung am 14. August 2022 unter der Leitung von Christian Thielemann erlebt habe. Leider hat man genau diese Dosis der Droge kontaminiert. „Ladas Klassikwelt 96: Die Nachbarn im Publikum kann man nicht wählen
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Rising Stars 32: Mikyung Sung muss sich nicht hinter ihrem Kontrabass verstecken

Bild von der offiziellen Webseite von Mikyung Sung:  © Kyutai Shim

Die Entwicklung und Karriere vielversprechender NachwuchskünstlerInnen übt eine unvergleichliche Faszination aus. Es lohnt sich dabei zu sein, wenn herausragende Talente die Leiter Stufe um Stufe hochsteigen, sich weiterentwickeln und ihr Publikum immer wieder von neuem mit Sternstunden überraschen. Wir stellen Ihnen bei Klassik-begeistert jeden zweiten Donnerstag diese Rising Stars vor: junge SängerInnen, DirigentInnen und MusikerInnen mit sehr großen Begabungen, außergewöhnlichem Potenzial und ganz viel Herzblut sowie Charisma.

von Dr. Lorenz Kerscher

Immer wieder höre ich gerne die facettenreiche Violinsonate A-Dur von César Frank, die mit einer großen Bandbreite romantischen Ausdrucks fasziniert. In YouTube findet man zahlreiche Interpretationen berühmter wie auch weniger bekannter Künstler und es gibt auch eine Fassung für Cello, die gerne gespielt wird. Doch wirklich überrascht war ich, als ich eine Wiedergabe dieses technisch anspruchsvollen Werks auf dem Kontrabass fand. „Was mag das wohl sein“, fragte ich mich und stellte fest, dass eine zierliche junge Koreanerin das große Instrument wie ein voll tönendes Cello spielte und die Sonate technisch einwandfrei, ausdrucksvoll und wunderbar melodiös zu Gehör brachte. Ohne zu übertreiben, kann ich sagen, dass mich noch keine Interpretation so begeistert hat!

Franck Violinsonate A-Dur (Mikyung Sung, Kontrabass / Jaemin Shin, Klavier, 2018)

Man könnte Mikyung Sung für einen Teenager halten, da sie von ihrem 1,80 Meter großen Instrument weit überragt wird. Sie könnte sich ohne weiteres dahinter verstecken, zumal sie lieber barfuß spielt, als sich mit Absätzen größer zu machen. In Wirklichkeit ist sie gerade 29 Jahre alt geworden. 1993 wurde sie in Seoul als Tochter eines Kontrabassisten des dortigen Philharmonischen Orchesters und einer Pianistin geboren. „Rising Stars 32: Mikyung Sung muss sich nicht hinter ihrem Kontrabass verstecken
klassik-begeistert.de 1. September 2022“
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Sommereggers Klassikwelt 149 : Ljuba Welitsch, die unvergleichliche Salome

von Peter Sommeregger

Am 1. September sind es bereits 26 Jahre, dass Ljuba Welitsch in Wien nach längerer Krankheit gestorben ist.

Die gebürtige Bulgarin studierte in Sofia und Wien, in Graz debütierte sie 1936 am dortigen Opernhaus. Von 1937 bis 1945 waren die weiteren Stationen Hamburg und München. 1942 war sie an der Wiener Volksoper engagiert, wo sie ihre erste Salome von Richard Strauss sang. 1945 wurde sie an die Wiener Staatsoper verpflichtet, wo sie bereits 1944 in einer Festaufführung zu Strauss’ 80. Geburtstag die Salome verkörperte. „Sommereggers Klassikwelt 149 : Ljuba Welitsch, die unvergleichliche Salome
klassik-begeistert.de 31. August 2022“
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Schammis Klassikwelt 1: Meine Gänsehaut-Momente in der Oper

Mit jedem Schlag erlosch eine Stimme aus dem Choral der Karmeliterinnen bis schlussendlich totale Stille herrschte. Dieser Moment der Stille erschien mir unendlich, ja fast unerträglich. Dann klang die Oper mit einigen Takten Orchestermusik aus. Die musikalische und die szenische Darstellung passten perfekt zueinander und berührten mich so sehr, so dass mir plötzlich Tränen über die Wangen liefen. Deshalb warte ich wie süchtig auf meinen nächsten Besuch in der Oper, hoffend, dass ich einen neuen Gänsehaut-Moment erleben darf.

Foto: © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

von Jean-Nico Schambourg

Oft werde ich nach meiner Lieblingsoper befragt. Die Antwort darauf kann ich so nicht geben, weil über Jahrhunderte so viel wunderbare Musik komponiert wurde, und ich mich zeit meines Lebens an sehr vielen Werken erfreut habe. Meine Antwort ist daher ganz einfach und logisch: die nächste Oper, die ich mir anhören / ansehen werde.

In meinen vielen Jahren als Opernbesucher stechen trotzdem einige Momente besonders hervor: jene, bei denen ich heute noch Gänsehaut bekomme, wenn ich sie mir in Erinnerung rufe.

„Schammis Klassikwelt 1: Meine Gänsehaut-Momente in der Oper
Klassik-begeistert.de, 28. August 2022“
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Daniels vergessene Klassiker Nr. 3: Hans Rott – Sinfonie Nr. 1 (1880)

Hans Rott © K. u. K. Hof-Kunst-Atelier/Mertens, Mai & Cie, Wien 1883/ÖNB/Wiener Zeitung


Kritisieren kann jeder! Aber die Gretchenfrage ist immer die nach Verbesserung. In seiner Anti-Klassiker-Serie hat Daniel Janz bereits 50 Negativ-Beispiele genannt und Klassiker auseinandergenommen, die in aller Munde sind. Doch außer diesen Werken gibt es auch jene, die kaum gespielt werden. Werke, die einst für Aufsehen sorgten und heute unterrepräsentiert oder sogar vergessen sind. Meistens von Komponisten, die Zeit ihres Lebens im Schatten anderer standen. Freuen Sie sich auf Orchesterstücke, die trotz herausragender Eigenschaften zu wenig Beachtung finden.


Daniels vergessene Klassiker Nr. 3: Hans Rott – Sinfonie Nr. 1 (1880)

 von Daniel Janz

Hans Rott – ein Wiener Genie. Nicht nur Zeitgenosse, sondern auch persönlicher Mitschüler und Freund von Gustav Mahler und nachweislich ein großer Einfluss auf den heute weltbekannten Komponisten. Noch während Mahler die ersten Liederzyklen niederschrieb, vollendete Rott seine erste Sinfonie in epischem Ausmaß. Dazu war er auch hochgeschätzt von den eigenen Lehrern. „Von dem Manne werden Sie noch Großes hören“ – so sagte kein Geringerer als Anton Bruckner über seinen vermeintlichen Lieblingsschüler. Es schien, als hätte ihm die Welt offen gestanden. Und wie sieht es heute aus? Was ist übriggeblieben von diesem vermeintlich Großen? Wer kennt überhaupt noch den Namen Hans Rott? „Daniels vergessene Klassiker Nr. 3: Hans Rott – Sinfonie Nr. 1 (1880)“ weiterlesen

Sommereggers Klassikwelt 148: Wer kennt noch Christina Deutekom?

Foto:  https://commons.wikimedia.org/

von Peter Sommeregger

In den Monat August fallen sowohl der Geburtstag (28. August 1931) als auch der Todestag (7. August 2014) der holländischen Sopranistin Christina Deutekom. Höchste Zeit, wieder einmal an die Sängerin zu erinnern, die eine außergewöhnliche internationale Karriere hatte, an der sich aber auch die Geister schieden.

Die als Christine Engel in Amsterdam geborene Künstlerin nahm nach ihrer Heirat 1952 den Familiennamen ihres Ehemannes an. Nach dem Ende ihres Gesangsstudiums trat sie zunächst in kleineren Rollen auf, angeblich war es die große Elisabeth Schwarzkopf, die auf Deutekom aufmerksam wurde, als diese sich vor einer Vorstellung mit der Arie der Königin der Nacht einsang. „Sommereggers Klassikwelt 148: Wer kennt noch Christina Deutekom?
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Schweitzers Klassikwelt 69: Sie sind der Wiener Staatsoper abhandengekommen 

Bild: Die Wiener Staatsoper, Oskar Kokoschka, 1956, Belvedere

von Lothar und Sylvia Schweitzer

In  Tatarstan, einer autonomen, als sehr eigenständig geltenden Republik im östlichen Teil des europäischen Russlands, 1987 geboren schloss Ilseyar Khayrullova 2012 ihr Studium am Sankt Petersburger Konservatorium ab. Am 15. Dezember 2013 debütierte sie im Studio Walfischgasse der Wiener Staatsoper als Alte Frau in Elisabeth Naskes Kinderoper „Das Städtchen Drumherum“, in der Kinder gemeinsam mit den Tieren einen Wald retten, einige Wochen später im großen Haus als Elfe in „Rusalka“.

Ilseyar Khayrullova Petra Sittig Photography

In der darauf folgenden Spielzeit fiel sie uns dann persönlich als in das Füchslein verliebter Hund  in der beliebten Janáček-Oper als „Hoffnungsträgerin“ auf. Als Olga in den „Drei Schwestern“ von Péter Eötvös erinnerte ihre schöne dunkle Stimme, der noch einiges an Dramatik fehlte, an Weinhebers Gedicht „Kammermusik“, wo die zweite Violine vom „lichtern“ Wesen ihrer Schwester, der ersten Violine, spricht und ausruft: „Lass dich begleiten, Schwester!“ Eine Wiederaufnahme und ein Wiederhören  nach nur fünf Aufführungen im März 2016 fielen der Pandemie zum Opfer. Kurz darauf erlebten wir sie als Kameraden des aus sehr nobler Familie stammenden Mädchens Pünktchen in der Oper „Pünktchen und Anton“ nach Erich Kästner von Iván Eröd. Ende 2017 erregte sie als Gymnasiast in „Lulu“ unser Interesse für ihre weitere Laufbahn. Am 2. Mai 2018 gab sie ihre letzte Vorstellung als Bersi („Andrea Chénier“). „Schweitzers Klassikwelt 69: Sie sind der Wiener Staatsoper abhandengekommen 
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Daniels vergessene Klassiker 2: Alexander Litvinovsky – Le Grand Cahier (2015)

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Alexander_Litvinovsky.jpg

Kritisieren kann jeder! Aber die Gretchenfrage ist immer die nach Verbesserung. In seiner Anti-Klassiker-Serie hat Daniel Janz bereits 50 Negativ-Beispiele genannt und Klassiker auseinandergenommen, die in aller Munde sind. Doch außer diesen Werken gibt es auch jene, die kaum gespielt werden. Werke, die einst für Aufsehen sorgten und heute unterrepräsentiert oder sogar vergessen sind. Meistens von Komponisten, die Zeit ihres Lebens im Schatten anderer standen. Freuen Sie sich auf Orchesterstücke, die trotz herausragender Eigenschaften zu wenig Beachtung finden.

von Daniel Janz

Krieg – Schrecken, Grauen und Tod. Das sind jedenfalls die Assoziationen, die bei diesem Begriff aktiv werden. Zu oft wird vergessen, dass im Krieg auch Menschen existieren und überleben müssen. Menschen mit Nöten, Wünschen und Hoffnungen an ein Ende all des Schreckens. Diese Hoffnung auf etwas Besseres nicht aus den Augen zu verlieren und immer wieder hochzuhalten stellt sich gerade in solchen Zeiten als regelrechter Kampf eines jeden Individuums heraus. Deshalb soll in diesem Beitrag einmal ein Werk betrachtet werden, das eben genau jenen Spagat versucht: Den Ausdruck von Frieden und Hoffnung inmitten von Krieg und Tod. Die Rede ist von „Le Grand Cahier“ von Alexander Litvinovsky.

Dabei lautet die erste Frage: Wer ist eigentlich Alexander Litvinovsky? Obwohl er nach wie vor rege komponiert, ist in deutschen Medien fast nichts über ihn bekannt. Selbst international lässt sich kaum etwas zu ihm finden. Er gleicht einem Mysterium, was sicher auch damit zusammenhängt, dass sein Geburtsland Weißrussland – die letzte „Diktatur“ Europas – heute selbst aktiv in den größten Kriegskonflikt der letzten Jahrzehnte verwickelt ist. Immerhin klärt EverybodyWiki.com darüber auf, dass der 1962 in Minsk Geborene „zeitgenössische Komponist“ sich der „Rekonstruktion historischer Musikmodelle von Renaissance, Barock, Klassik und Romantik“ widmet, aber auch der Avantgarde gegenüber offen ist. „Daniels vergessene Klassiker Nr 2: Alexander Litvinovsky – Le Grand Cahier (2015)“ weiterlesen