Teodor Currentzis bringt das Salzburger Publikum regelrecht aus dem Häuschen

Nadezhda Pavlova Soprano, Matthias Goerne Baritone, © Marco Borrelli

Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 17. August 2022

musicAeterna  Teodor Currentzis 

von Dr. Klaus Billand

Gestern Abend brachte Teodor Currentzis mit seinem musicAeterna Orchestra und sonst an sich nicht unbedingt im Mainstream gespielten Stücken, der Symphonie Nr. 14 g-Moll  von Dmitri Schostakowitsch (1906-1975) und der konzertanten Oper „Dido und Aeneas“ von Henry Purcell (1659-1695) das Salzburger Publikum regelrecht aus dem Häuschen. Es war wohl der große Name Currentzis und zumal bei diesen Festspielen 2022, der das Management dazu brachte, zwei Stücke mit Kammerorchester-Dimensionen in das Große Festspielhaus zu verlegen, statt in das intimere und damit passendere Haus für Mozart. Ob das auch akustisch eine gute Idee war, bleibt dahingestellt. Jedenfalls verstand es der Star am Pult mit der Intensität, Hingabe und Exaktheit seiner Aktionen sofort für sich einzunehmen und diese beiden Stücke zu orchestralen Glanzpunkten der Salzburger Festspiele zu machen.

In der Symphonie Nr. 14 von Schostakowitsch glänzte vor allem Matthias Goerne, aber auch Nadezhda Pavlova agierte mit einem ganz speziellen Gesangsstil auf hohem Niveau.

In „Dido und Aeneas“ verzauberte Kate Lindsey mit einem fast schwerelos klingenden und unglaublich nuancenreichen Mezzo das Publikum als Dido. Konstantin Krimmel war auf Augenhöhe Aeneas, Nuria Rial Belinda und der Countertenor Andrey Nemzer ein beeindruckender Zauberer (Sorceress). Weitere Solisten kamen überwiegend aus dem  intensiv gestaltenden und stimmstarken musicAeterna Chor.

Fast frenetischer und kaum enden wollender Applaus!

Dr. Klaus Billand, www.klaus-billand.com ,  18. August 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

 

West-Eastern Divan Orchestra, Daniel Barenboim Salzburger Festspiele, 10. und 11. August 2022

Solistenkonzert András SCHIFF Salzburger Festspiele, Haus für Mozart, 9. August 2022

Leoš Janáček „Katja Kabanova“ Salzburger Festspiele, Felsenreitschule, 7. August 2022 PREMIERE

 

 

Wie Riccardo Muti den Teufel davonjagte

Riccardo Muti. Foto: Wiener Philharmoniker / Nagel ©

Salzburg, Großes Festspielhaus, 15. August 2022

Peter Tschaikowsky:  
Symphonie Nr.6 op. 74 „Pathétique“

Franz Liszt:  
Von der Wiege bis zum Grabe. Symphonische Dichtung Nr.13 nach einer Zeichnung des ungarischen Malers Mihály Zichy

Arrigo Boito:
„Prologo in cielo“ aus der Oper Mefistofele

Ildar Abdrazakov, Bass

Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor (Choreinstudierung Wolfgang Götz)

Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor (Choreinstudierung Huw Rhys James)

Wiener Philharmoniker
Riccardo Muti, Dirigent

Der Maestro leitete die Wiener Philharmoniker in Salzburg

von Kirsten Liese

Ich muss zugeben, für ein Programm mit Liszt, Boito und nur Tschaikowskys „Pathétique“ als dem einzigen Stück, auf das ich mich eigentlich gefreut habe, würde ich normalerweise keine weite Reise machen. Aber Riccardo Muti ist so eine Klasse für sich, dass ich eine solche anstrengende Unternehmung immer wieder  auf mich nehme. Auch wenn ich mich im Zug aus der Schweiz, wo ich gerade zwei Festivals besucht hatte, noch gefragt habe, ob das nicht doch zuviel wird.

Aber dann beginnt Tschaikowskis „Pathétique“, so atmosphärisch stark mit dem Einsatz der Kontrabässe, so knisternd leise, dass man sie nur erahnt, gefolgt von den leisen Seufzer-Motiven in den Fagotten und der Fortspinnung dieses Motivs in den Bratschen, dass jedwede Zweifel verflogen sind: Die Reise hat sich allein für diesen Tschaikowsky gelohnt, so sensationell habe ich keine Wiedergabe dieses Werks seit Celibidache gehört. „Wiener Philharmoniker Riccardo Muti, Dirigent
Salzburg, Großes Festspielhaus, 15. August 2022“
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Salzburger Festspiele: Nur die Programmgestaltung steht einer fulminanten „Pathétique“ im Wege

Foto: Riccardo Muti und die Wiener Philharmoniker bei den Salzburger Festspielen © SF / Marco Borrelli

Großes Festspielhaus, Salzburg, 14. August 2022

Riccardo Muti, Dirigent
Wiener Philharmoniker
Ildar Abdrazakov,
Bass

von Jürgen Pathy

Zum Glück spreche ich kaum Italienisch. Sonst hätte ich verstanden, was Riccardo Muti so aufgeregt hat. Launisch hat er geklungen. Kurz nach dem Konzert, als sich der Italiener vor der Einfahrt des Großen Festspielhauses hat blicken lassen. „Irgendwas wegen seiner Frau“, hat eine Dame im süddeutschen Dialekt angemerkt. „Ein richtiger Italiener eben – feurig und aufbrausend!“ Vermutlich waren es die Autogrammjäger, die Riccardo Mutis Ehefrau den Weg versperrt haben, weshalb der gebürtige Neapolitaner so in Rage geraten war. Viele davon sind es gewesen an diesem sonnigen Sonntag. Immerhin ist Muti in Salzburg ein Garant für ausverkaufte Häuser. Seit 1971 tritt er hier auf. Regelmäßig. „Wiener Philharmoniker, Tschaikowsky – Liszt – Boito, Riccardo Muti, Salzburg, 14. August 2022“ weiterlesen

Frenetischer Applaus für Barenboim und sein West-Eastern Divan Orchestra

Foto: West-Eastern Divan Orchestra, Daniel Barenboim Dirigent © Marco Borrelli

Salzburger Festspiele 2022

Großes Festspielhaus, 10. und 11. August 2022
West-Eastern Divan Orchestra unter Daniel Barenboim 

Jedes Jahr bei den Salzburger Festspielen tritt das West-Eastern Divan Orchestra zweimal auf, meist einmal unter seinem Schöpfer Daniel Barenboim und das andere Mal unter einem Schüler. Diesmal hatte sich der Maestro es nicht nehmen lassen, beide Abende zu dirigieren. Der erste war ganz Bedřich Smetana (1824-1884) gewidmet, und zwar mit seinem Zyklus der Sechs symphonischen Dichtungen Má vlast (Mein Vaterland). Er entstand zwischen 1872 und 1879 und erlebte seine Uraufführung am 5. November 1882 in Prag. Von den sechs Sätzen 1. Vyšehrad, 2. Vltava (Die Moldau), 3. Šárka, 4. Aus Böhmens Hain und Flur, 5. Tabor und 6. Blaník ist natürlich der 2. Vltava mit seinen charakteristischen Melodien zum Fluss der Moldau und dem sich langsam musikalisch ankündigenden und dann intensiv musizierten Wasserfall am bekanntesten.

Das West-Eastern Divan Orchestra kam mir diesmal viel stärker vor als in den Jahren zuvor, mit einem größeren Ensemble und auch intensiver in seiner musikalischen Leistung. Zehn Celli und neun Kontrabässe sprechen ohnehin eine eigene Sprache, aber auch alle anderen Gruppen waren nahezu maximal besetzt. Im 1. Satz von Má vlast spielen die Harfen eine maßgebliche Rolle und tragen zu den slawischen Klangfarben um die Burg Vyšehrad bei, die schon hier unerkennbar zu vernehmen sind. Tutti zeugen von den Kämpfen um die Königsburg, engagiert musiziert von den meist jungen Musikern. Der 2. Satz schildert äußerst nachvollziehbar den Lauf der Moldau, erst gemächlich, dann über den Wasserfall und schließlich majestätisch bis zur Mündung in die Elbe. Die Musiker nehmen einen eindrucksvoll mit auf diese Flussreise. „West-Eastern Divan Orchestra, Daniel Barenboim
Salzburger Festspiele, 10. und 11. August 2022“
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Káťas innere Zerissenheit raubt mir die Sinne

Corinne Winters (Káťa). Foto: Monika Rittershaus/Salzburger Festspiele

Felsenreitschule, Salzburg, 11. August 2022

Leoš Janáček    Káťa Kabanová

Oper in drei Akten (1921)

Libretto von Leoš Janáček nach dem Schauspiel Das Gewitter (1859) von Alexander Nikolajewitsch Ostrowski in der tschechischen Übersetzung von Vincenc Červinka

von Frank Heublein

In der Felsenreitschule in Salzburg wird heute Káťa Kabanová von Leoš Janáček aufgeführt. Verdienter aufbrandender Schlussapplaus für Sopran Corinne Winters in der titelgebenden Hauptrolle. Sie singt wahrhaftig und inbrünstig die innere Zerrissenheit, die Religiosität, die treue zugeneigte Ehefrau Tichons, aber auch die Boris liebende seitenspringende Frau.

Corinne Winters Sopran hat eine warme Note. In den liebenden leisen Szenen im ersten und zweiten Akt schmeichelt ihre Stimme. Zugleich kann sie ansatzlos umschalten und ich höre eine dramatische energetische Stimme, wenn sie der innere Zweifel, die sündige Versuchung peinigt. Im dritten Akt höre ich dann von ihr eine endgültig zerrissen verzweifelte Stimme. Sie stößt alle durch ihr Geständnis des Seitensprungs mit Boris von sich weg. Erleichterung bringt es ihr nicht. Als Boris in einem ersehnten Zusammentreffen berichtet, von seinem Onkel auf Geschäftsreise nach Sibirien geschickt zu werden, springt sie in die Wolga und nimmt sich das Leben. „Leoš Janáček,  Káťa Kabanová
Felsenreitschule, Salzburg, 11. August 2022“
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Alles ohne Noten und natürlich ohne Encore! Ein denkwürdiges Konzert!

Foto: András Schiff: © Marco Borrelli

Salzburger Festspiele 2022

Haus für Mozart, 9. August 2022

Solistenkonzert András SCHIFF (Bach, Beethoven, Haydn, Mozart, Schubert)

von Dr. Klaus Billand

Nach Corona-bedingter Absage von Evgeny Kissin, mit dem ein gemeinsamer Klaviernachmittag geplant war, spielte András Schiff ein Solistenkonzert mit Werken von Johann Sebastian Bach, Ludwig van Beethoven, Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart sowie Franz Schubert. Er sagte die Titel leicht humoristisch koloriert selbst an.

Im zweiten Teil riss Schiff das Publikum im nahezu voll besetzten Haus für Mozart mit dem A-Moll Rondo von W. A. Mozart aus dem Jahre 1786 und der finalen Großen A-Dur Sonate von Franz Schubert aus dessen Todesjahr 1828 unmittelbar von den Sitzen.

Alles ohne Noten und natürlich ohne Encore! Ein denkwürdiges Konzert!

Klaus Billand aus Salzburg, 11. August 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Orchestra of the Age of Enlightenment, Sir András Schiff Elbphilharmonie, 24. Mai 2022

Kirill Petrenko und András Schiff mit Werken von Brahms und Suk, Philharmonie Berlin, 11. Februar 2022

Sir András Schiff, Cappella Andrea Barca, Mozart, Schubert Wiener Konzerthaus, 4. November 2021

Publikumspartylaune bei Rossinis Barbier in Salzburg wird mit einem da capo belohnt

Il barbiere di Siviglia 2022: Edgardo Rocha (Il Conte d’Almaviva), Cecilia Bartoli (Rosina) © SF / Monika Rittershaus


Haus für Mozart
, Salzburg, 8. August 2022

Gioachino Rossini (1792 – 1868)
Il barbiere di Siviglia

von Frank Heublein

Im Haus für Mozart in Salzburg wird heute Rossinis „Il barbiere di Siviglia“ aufgeführt. Die begeisternd klatschende Feierlaune bricht gleich zweimal vor dem eigentlichen Schluss los. Ich denke mich zeitlich zurück in die Zeit der Uraufführung 1816 in Rom. Flippte da das Publikum genauso aus? Diese Operninszenierung ist schmissige Unterhaltung. Das Klatschen lässt Rosina und den Grafen in der Liebesumarmung einfrieren. So lange, bis Cecilia Bartoli nicht mehr an sich halten kann und lachend losgluckst. So gut gefällt es sowohl dem Publikum als auch den Ausführenden, dass ein Ausschnitt aus dem Finale da capo gegeben wird. Partylaune. „Gioachino Rossini (1792 – 1868), Il barbiere di Siviglia
Haus für Mozart, Salzburg, 8. August 2022“
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Kenner und Könner am Werk!

Corinne Winters (Katja). Foto: Monika Rittershaus/Salzburger Festspiele.

Salzburger Festspiele, Felsenreitschule, 7. August 2022 – PREMIERE

Leoš Janáček    „Katja Kabanova“
Oper in drei Akten (1921)

Libretto von Leoš Janáček nach dem Schauspiel Das Gewitter (1859) von Alexander Nikolajewitsch Ostrowski in der tschechischen Übersetzung von Vincenc Červinka

Inszenierung Barry Kosky

von Dr. Klaus Billand

Gestern Abend ging mit großem Erfolg die fünfte Opern-Premiere bei den Salzburgern Festspielen 2022 über die Bühne. Die Inszenierung der „Katja Kabanova“ von Leoš Janáček durch Barrie Kosky im rein aus Menschen bestehenden Bühnenbild von Rufus Didwiszus, den Kostümen von Victoria Behr und im genialen Licht von Franck Evin stellte unter schlagenden Beweis, wie stark und emotional gutes Operntheater sein kann, wenn es von Kennern der Materie und aus der Musik heraus konzipiert wird. Kosky und sein Team sind genau solche Kenner und beherrschen das Handwerk der Opernregie aufs Feinste. Und darauf kommt es letzten Endes immer noch an, wie auch in einem Symposium bei den Bayreuther Festspielen mit dem Titel „Tendenzen und Perspektiven der Wagner-Regie“ herausgearbeitet wurde.

Kosky schafft es, ohne eine einzige Requisite die riesige Bühne der Felsenreitschule intensiv zu bespielen mit einem Stück, das eigentlich eher wie ein mährisches Kammerspiel konzipiert ist. Er und Didwiszus stellen viele Puppen in Kostümen im tristen Grau des Dorfalltags auf die Bühne gegen die Hinterwand, während in den vorderen Reihen echte Statisten mit vermummten Gesichtern agieren. Das wirkt, als würden sie ständig auf die weite Wolga schauen, die ja im Stück eine wichtige Rolle spielt, andererseits aber dem Geschehen wie in Nichtakzeptanz der Handlungen Katjas und Boris’ den Rücken zuwenden. Nach und nach treten die Protagonisten aus diesem Menschenpulk hervor und beginnen zu spielen. Am Ende treten sie wieder in diesen hinein und verschwinden so aus dem Blick… „Leoš Janáček „Katja Kabanova“
Salzburger Festspiele, Felsenreitschule, 7. August 2022 PREMIERE“
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Riccardo Minasi treibt das Mozarteumorchester zu ungeahnten Höhenflügen 

Foto: Riccardo Minasi und das Mozarteumorchester bei den Salzburger Festspielen © SF / Marco Borrelli

Stiftung Mozarteum, Großer Saal, Salzburg, 30. Juli 2022

Mozart-Matinee

Riccardo Minasi, Dirigent
Mozarteumorchester Salzburg

von Jürgen Pathy

Mozart in Salzburg. Authentischer kann es gar nicht sein. Überhaupt wenn man nur einen Steinwurf entfernt von Mozarts Wirkungsstätten im Konzertsaal sitzt – Geburtshaus, „Tanzmeisterhaus“ und wer weiß schon, an welchen Orten er hier zu Lebzeiten noch gewandelt ist. Dass dabei mehr als nur Hochgefühle entfachen, ist aber nicht nur der unmittelbaren geographischen Nähe zu verdanken, sondern auch Riccardo Minasi.

Mit welchem Feuer der gebürtige Römer das Mozarteumorchester durch Mozarts letzte drei Sinfonien geleitet, ist atemberaubend. Dabei reizt er das Spiel mit den Tempi enorm aus. Geht an die Grenzen, ohne sie aber jemals wirklich zu überschreiten. Mozarts Musik, balanciert zwischen vehementer Rasanz und fast schon Stillstand. So erweckt man diese adeligen Edelsteine zu neuem Leben.

Mozarts Symphonien voller Energie und Leben

„Ich mag den Minasi“, erzählt eine Frau, die über beide Ohren strahlt. Früher sei er sogar noch richtig in die Höhe gesprungen. Jetzt begnügt er sich mit energischer Zeichengebung. Reißt mal die Hände in die Höhe, als wolle er den Allerheiligsten beschwören. Vor allem dann, wenn er ein energiegeladenes Forte im Tutti fordert. Legt dann so nebenbei mal einen flotten Hüftschwung ein, wenn er es dolce, „süß“ und verspielt möchte. Oder setzt auch schon Mal beinahe zum Kopfball an, wenn er den Einsatz den zweiten Geigen in die Hände spielt. Dabei entsteht eine enorme Spielfreude, die auch auf den Gesichtern vieler Musiker abzulesen ist – vor allem auf dem der weiblichen.

Dass die Symphonien allerdings wirklich lebendig klingen, ist überwiegend seinem Spiel mit der Agogik zu verdanken. Wie zum Beispiel im Andante der berühmten g-Moll Symphonie KV 550, die fast schon jedes Kind erkennt. Möchte man zumindest hoffen, überhaupt in Salzburg. In diesem so zärtlichen Andante, einem Hauch von Nichts, da verzögert er immer wieder mal punktuell. Reizt das Tempo fast schon bis zum Stillstand aus, nur um danach rasant zu explodieren, und so den Kontrast zu betonen, den es zwischen den lyrischen und energischen Stellen auf jeden Fall hervorzuheben gilt.

„Mozart-Matinee, Riccardo Minasi, Dirigent Mozarteumorchester Salzburg
Stiftung Mozarteum, Großer Saal, Salzburg, 30. Juli 2022“
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Mozarts Zauberflöte bei den Salzburger Festspielen: Die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen

Foto: Die Zauberflöte © Salzburger Festspiele / Sandra Then

Haus für Mozart, Salzburg, 30. Juli 2022

Die Zauberflöte, Wolfgang Amadeus Mozart

von Jürgen Pathy

Welttheater. Wer bei den Salzburger Festspielen zu Gast ist, dürfte keine minderen Erwartungen in eine Aufführung setzen. Diesen Anspruch soll und muss man in Salzburg haben. Bereits Max Reinhardt, einer der Gründer der Salzburger Festspiele, war der Überzeugung, dass ein Theaterstück in intensivem Austausch mit dem Publikum stehen muss. Das gelingt Lydia Steier mit der Neueinstudierung von Mozarts „Zauberflöte“ nur bedingt.

Viel Märchen statt überbordender Freimauersymbolik

Die Inszenierung stammt aus dem Jahr 2018. Damals noch im Großen Festspielhaus. Steier und ihr Team haben nun die Konstellation und das Bühnenbild ein wenig abgewandelt, um es für die intimere Atmosphäre im Haus für Mozart zu adjustieren. Der Grundgedanke und das Konzept sind dabei gleich geblieben.

Ein Großvater erzählt seinen drei Enkeln eine Geschichte. In diesem Fall das Märchen von der Königin der Nacht und Sarastro, die beide um die Gunst der Macht buhlen. Dabei treffen sie auf Tamino und Papageno, die irgendwann nicht mehr wissen, in wessen Welt sie überhaupt zu Hause sein möchten und, ob denn nun alles nur Heuchelei sei. Die drei fabelhaften Wiener Sängerknaben stehen dabei im Mittelpunkt. Und zwar deutlich mehr als üblich, was ein durchaus schlüssiges Konzept darstellt.

Nur an der Umsetzung mangelt es ein wenig. Während man auf einer Drehbühne von einem Abenteuer ins andere stolpert – quasi in einem 3D-Rausch zwischen Kleinwüchsigen und pinken Stofftieren – verschwimmen Musik und Text in einem zu abstrusen Karussell. Dass man dabei irgendwann den Überblick verliert, ist eine Sache. Viel fataler wirkt sich der drehende Übermut aus, wenn Bühne und Musik nicht kohärent verlaufen. Noch dazu an Stellen, wo man sich durchaus würdevollen Stillstand wünschen würde. Wie zum Beispiel bei Paminas g-Moll Arie „Ach, ich fühl’s“, die für manche den zentralen Punkt bei Mozarts Singspiel darstellt.

Musikalisch wenig Feuerwerk

Nicht das einzige, was zu wünschen übrig lässt. Auch sängerisch und im Orchestergraben gibt es an diesem Abend einige Hürden zu überwinden. Während Mauro Peter als Tamino zumindest ab der Tempelszene zu altbewährter lyrischer Schönheit findet, kämpft Brenda Rae als Königin der Nacht durchwegs mit viel zu dünnen Höhen. Sieht man davon einmal ab, gestaltet die US-Amerikanerin die Partie aber dennoch tragend und dramatisch.

Davon kann bei Joana Mallwitz Dirigat leider keine Rede sein. Wer gedacht hat, dass die junge Hildesheimerin zu neuerlichen Höhenflügen ansetzt – ihre „Così“ im Vorjahr soll sensationell gewesen sein –, der wird enttäuscht. Trotz des Höllenritts, zu dem sie zumindest tempomäßig ansetzt, fehlt es diesem musikalischen Geniestreich fortwährend an Ecken und Kanten, an kristallklaren Konturen und Anhaltspunkten.

„Die Zauberflöte, Wolfgang Amadeus Mozart
Haus für Mozart, Salzburg, 30. Juli 2022“
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