Augen zu und durch: Die Sensation der Wiener „Traviata" steht im Graben

La Traviata © Wiener Staatsoper

Viel zu wenig Applaus für den Dirigenten. Shout-Out für Domingo Hindoyan, der Verdis „La Traviata“ an der Wiener Staatsoper in ein neues Licht rückt. Angesteckt von seiner verklärten Lesart, findet Lisette Oropesa zu ungewohnter Leichtigkeit. Juan Diego Flórez bettet er auf Zimmerlautstärke. Nur Ludovic Tézier verirrt sich in dieser mysteriösen Atmosphäre, die an Wagners Gralswelt erinnert.

Giuseppe Verdi, La Traviata

Wiener Staatsoper, 13. September 2024

von Jürgen Pathy

„Ich dachte, du magst die Oropesa nicht!“ Meine Aversion hat sich nach dieser Vorstellung fast in Luft aufgelöst. Nicht zur Gänze, weil Lisette Oropesa noch immer regelmäßig zurückfällt. In Phrasen, die nur mit einem extremen Kraftakt über ihre Lippen fließen. Doch dieser Violetta gelingen auch viele leichte Momente, klare Piani, die sie mit einer Innigkeit hinhaucht, vor der man dahinschmelzen könnte. Ohne das ständige Zittern und Beben, das ihrer Stimme sonst oft beiwohnt.

„Giuseppe Verdi, La Traviata
Wiener Staatsoper, 13. September 2024“
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Oft Gehörtes rahmt selten Gespieltes: Das 1. Symphoniekonzert eröffnet die Saison in Lübeck mit einer interessanten Mischung

Langer, verdienter Applaus mit vielen Bravo-Rufen beschloss dieses ganz besondere Konzert.

Vladar und Orchester, Photo: Andreas Ströbl

1. Sinfoniekonzert

Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck
Stefan Vladar, Dirigent

Bo Skovhus, Bariton

Sergei Prokofjew, Symphonie Nr. 1 D-Dur op. 25, „Symphonie classique“

Frank Martin, Sechs Monologe aus „Jedermann“

Modest Mussorgsky, Bilder einer Ausstellung (Orchesterfassung von Maurice Ravel)

Stefan Vladar, Dirigent
Bo Skovhus, Bariton
Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck

Lübeck, Musik- und Kongresshalle, 15. September 2024

von Dr. Andreas Ströbl

So nett und rückwärtsgewandt kommt sie daher, die „Klassische“ von Sergei Prokofjew, so schmiegsam und Nachmittags-Teetisch-tauglich. Aber ist sie das wirklich oder hat sich der ansonsten eher unbequeme Komponist da einen Scherz erlaubt? „Klassisch“ nannte er das Werk nach eigener Aussage, „erstens, weil es so einfacher war; zum anderen in der Absicht, die Philister zu ärgern, und außerdem in der heimlichen Hoffnung, letzten Endes zu gewinnen, wenn die Symphonie sich als wirklich »klassisch« erweist.“ „1. Sinfoniekonzert Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck, Stefan Vladar, Dirigent, Bo Skovhus, Bariton
MUK, Lübeck, 15. September 2024“
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Auf den Punkt 23: Hört Stefan Vladar etwa heimlich Emerson, Lake & Palmer?

Bo Skovhus © Roland Unger

Blues, Jazz und Rock, selbst Country und Popmusik können genauso berühren wie klassische Musik. Paradebeispiel sind die American Recordings Alben, die Rick Rubin mit dem US-amerikanischen Country-Sänger Johnny Cash produziert hat. Allein seine Cover-Version von Bridge Over Troubled  Water, aufgenommen mit Fiona Apple, schlägt das Original um Welten. Die Präsenz der brüchigen, bereits von Krankheit gezeichneten Stimme von Johnny Cash, kontrastiert mit Fiona Apples glockenklarem Gesang. Und das alles sparsamst instrumentiert: Mich bewegt das immer wieder.

Sergei Prokofjew (18911953) / Sinfonie Nr. 1 D-Dur op. 25, »Symphonie classique«

Frank Martin (18901974) / Sechs Monologe aus »Jedermann« für Bariton und Orchester

Modest Mussorgsky (18391881) / Bilder einer Ausstellung, Orchesterfassung von Maurice Ravel

Philharmonisches Orchester der Hansestadt Lübeck
Stefan Vladar, Dirigent

Bo Skovhus, Bariton

 Musik- und Kongresshalle, Lübeck, 15. September 2024

 von Jörn Schmidt

Beide Genres zu mischen, also zum Beispiel Rock und Klassische Musik, das funktioniert in der Regel überhaupt nicht. Ich habe nie verstanden, wieso sich das London Symphony Orchestra dafür hergegeben hat, Nothing Else Matters mit Metallica einzuspielen. Hoffentlich hat es sich finanziell gelohnt und die Tantiemen wurden krisensicher angelegt.

Musikalisch so überhaupt nicht gelungen ist die Vertonung von   Mussorgskys Bilder einer Ausstellung, die Emerson, Lake & Palmer (ELP) 1971 in der Newcastle City Hall aufgenommen haben. Das Album soll es im Dezember 1971  tatsächlich auf Platz 3 der britischen Album-Charts geschafft haben. Vielleicht war es ja unter den Last-Minute-Verlegenheits-Weihnachtsgeschenken. „Auf den Punkt 23: Hört Stefan Vladar etwa heimlich Emerson, Lake & Palmer?
klassik-begeistert.de, 15. September 2024“
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Zu Beginn dämpft die Dämmrung jeden Ton, doch am Ende geht hell in Strahlenlockenpracht die Sonne auf

Petr Popelka conducting © Werner Kmetitsch

Die “Gurre-Lieder” im Musikverein, und das noch an Arnold Schönbergs hundertfünfzigstem Geburtstag! Die Wiener Symphoniker unter Petr Popelka, exzellente Solostimmen und drei Chöre bescherten uns ein berauschendes Klangerlebnis. Eine Huldigung also, die großartiger nicht hätte ausfallen können.

Arnold Schönberg
“Gurre-Lieder” für Soli, Chor und Orchester
Text von Jens Peter Jacobsen in der Übersetzung von Robert Franz Arnold

Waldemar: Michael Weinius
Tove: Vera-Lotte Boecker
Waldtaube: Sasha Cooke
Klaus Narr: Gerhard Siegel
Bauer: Florian Boesch
Sprecherin: Angela Denoke

Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien
Künstlerische Leitung: Johannes Prinz

Slowakischer Philharmonischer Chor
Künstlerische Leitung: Jan Rozehnal

Ungarischer Nationaler Männerchor
Künstlerische Leitung: Richard Riederauer

Einstudierung: Zoltán Pad

Wiener Symphoniker
Dirigent: Petr Popelka

Musikverein Wien, Großer Saal, 13./14.9.2024

von Dr. Rudi Frühwirth

Der “Gurresange” des dänischen Dichters Jens Peter Jacobsen ist eine lyrische Fassung der mittelalterlichen Sage um König Waldemar und seine Geliebte Tove. Schönberg lernte die deutsche Übersetzung im Jahr 1899 kennen und entschloss sich sofort zu einer Vertonung. Aus dem zunächst konzipierten Liederzyklus für Gesang und Klavier entstand schließlich das Werk, wie wir es heute kennen: ein gewaltiges Oratorium, das neben den Symphonien von Gustav Mahler als ein Gipfel der Spätromantik steht.

Schönbergs Vertonung ist charakterisiert durch eine noch tonale, aber bis zum Äußersten gespannte Harmonik und durch ungewohnte, überraschende Verschiebungen der tonalen Zentren. Der Einfluss Wagners und speziell von “Tristan und Isolde” ist hier offensichtlich. Interessanterweise weist auch die Textvorlage Bezüge zu Wagners “Tristan” auf, obwohl Jacobsen die Oper in aller Wahrscheinlichkeit nicht gekannt hat. „Arnold Schönberg, “Gurre-Lieder” für Soli, Chor und Orchester, Wr. Symphoniker, Petr Popelka
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DIE SONNTAG-PRESSE – 15. SEPTEMBER 2024

Christian Thielemann © Dieter Nagl

Für Sie und Euch in den Zeitungen gefunden
DIE SONNTAG-PRESSE – 15. SEPTEMBER 2024

Operation: Dirigent Thielemann muss pausieren und „Ring“ in Mailand absagen
Wegen einer Operation und einer danach nötigen mehrwöchigen Erholungszeit muss Dirigent Christian Thielemann mehrere Engagements absagen, darunter den gesamten „Ring des Nibelungen“ an der Scala in Mailand.  „Mit großer Trauer“, schrieb Thielemann laut einer Aussendung der Scala, „verzichte ich auf dieses Projekt, das wir gemeinsam mit Dominique Meyer, mit dem mich eine lange Freundschaft verbindet, mit David McVicar und dem Team der Scala Schritt für Schritt aufgebaut haben. Meine Gesundheit hindert mich leider daran, für ,Rheingold‘ an der Scala zu sein, und die Kontinuität des künstlerischen Ansatzes während des Ring des Nibelungen ist so wichtig, dass man von Anfang an dabei sein muss. Hinzu kommt mein Engagement an der Berliner Staatsoper und die ungewisse Situation an der Scala. Ich möchte der Scala und allen beteiligten Künstlern meine besten Wünsche für diese wunderschöne Produktion senden.“
Kurier

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Ádám Fischer – mit 75 bringt einen auch eine schwierige Saalakustik nicht mehr aus der Fassung!

Ádám Fischer © Susanne Diesner

Düsseldorfer Symphoniker
Ádám Fischer, Dirigent

Ludwig van Beethoven – Leonoren-Ouvertüre Nr. 3 op. 72B
Richard Strauss – Don Juan op. 20 TrV 156 – Tondichtung (nach Nicolaus Lenau) für großes Orchester
Richard Strauss – Suite aus der Komödie für Musik „Der Rosenkavalier“ op. 59

Tonhalle Düsseldorf, 12. September 2024

Von Daniel Janz

Ein Chefdirigent feiert Geburtstag! So lautet das Motto heute Abend, an dem Ádám Fischer (75) sowohl vom Intendanten als auch Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf beglückwünscht wird; Kuchen und Suppen-Verköstigung für die Besucher inklusive. Generell – man ist zum Feiern aufgelegt, was auch ein Musikprogramm voller festlicher Momente beinhaltet. Wäre da nur nicht der Erzfeind in Düsseldorf – ein Saal, dessen Akustik immer wieder Probleme bereitet. Wie schlagen sich das – sichtlich bewegte – Geburtstagskind und seine Musiker wohl heute? „Düsseldorfer Symphoniker, Ádám Fischer, Dirigent, Beethoven und Strauss
Tonhalle Düsseldorf, 12. September 2024“
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„Lilliana liebte den roten Teppich, aber sie schaute nicht gerne darunter“ – die kurze Karriere der Sopranistin Lilliana Weinman-Teruzzi

Victoria de Grazia
Der perfekte Faschist – Eine Geschichte von Liebe, Macht und Gewalt

Berlin 2024, 508. S., zahlreiche s-w Abb. und Karten, € 38,00
ISBN: 978-3-803-13739-5

von Dr. Regina Ströbl

„Macht macht sexy“ – anders könnte man sich die Ehe einer aufstrebenden amerikanischen Opernsängerin jüdischen Glaubens mit einem italienischen Militärangehörigen und engen Vertrauten Mussolinis auf den ersten Blick nicht erklären. Aber so einfach ist es dann doch nicht.

Da ist auf der einen Seite der 1882 in Mailand geborene Attilio Teruzzi, schon als Kind eitel, von Mutter und Schwester verhätschelt. In einer Zeit großer politischer Umbrüche entscheidet er sich früh für eine militärische Laufbahn. Schnell verdient er sich sowohl im italienisch-türkischen Krieg als auch im Ersten Weltkrieg durch Erfolge und Tapferkeit mehrere Auszeichnungen. Im Jahre 1920 begegnet er erstmals Benito Mussolini und schließt sich dessen faschistischer Bewegung an. Getrieben von Opportunismus, Brutalität und Machtgier, avanciert er schließlich zur rechten Hand des Duce. „Buchbesprechung: Victoria de Grazia, Der perfekte Faschist – Eine Geschichte von Liebe, Macht und Gewalt
klassik-begeistert.de, 14. September 2024“
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"Das technische Niveau hat sich deutlich nach oben entwickelt"

klassik-begeistert im Gespräch mit den Hamburger Ballettstars
Carolina Agüero und Dario Franconi, Teil I

Carolina Agüero, Solistin und Erste Solistin beim Hamburg Ballett von 2006 bis 2019 mit ihrem Ehemann Dario Franconi, der während derselben Zeit beim Hamburg Ballett als Solist tanzte (Foto: RW)

Wegen John Neumeiers Kameliendame kamen sie nach Hamburg, wurden aber nie in diesem Ballett eingesetzt. Dafür begeisterte Carolina Agüero als Romola in John Neumeiers ikonischem Ballett Nijinsky und Dario Franconi als Der König im Weihnachtsoratorium.

 von Dr. Ralf Wegner

klassik-begeistert: Sie stammen beide aus Cordoba in Argentinien, später tanzten Sie gemeinsam beim Ballett de Santiago in Chile und ab Ende der 1990er Jahre kurzzeitig in Stuttgart und Dresden. Bevor Sie nach Hamburg kamen, waren Sie knapp 6 Jahre beim Finnischen Nationalballett engagiert. Was waren bleibende Eindrücke aus dieser Vor-Hamburgerzeit?

Dario: Ich wollte früher schon immer klassisches Ballett tanzen, schon als Junge mit 11 Jahren. Damals fing ich auf Rat meiner Mutter mit dem Ballett-Unterricht an. In Helsinki habe ich klassische Rollen wie den Basil in Don Quixote oder den Prinzen in Schwanensee getanzt. Aber schon dort hatte ich das Bedürfnis, mein Repertoire in eine andere Richtung zu erweitern. Der Hamburger Ballettintendant John Neumeier hat damals in Helsinki seine Version von Tschechows Möwe einstudiert. Ich durfte die Rolle des Trigorin tanzen. In diese Richtung wollte ich mich weiter entwickeln und bin deswegen zusammen mit Carolina John Neumeier nach Hamburg gefolgt.

„klassik-begeistert im Gespräch mit den Hamburger Ballettstars Carolina Agüero und Dario Franconi, Teil I
klassik-begeistert.de, 14. September 2024“
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Musikalische Barockperlen schmücken Bayreuth wieder

Ifigenia in Aulide von Nicola Porpora, Akt I; Von links:  Maayan Licht (Achilles), Jasmin Delfs (Diana) und Marina Diakoumakou (Ifigenia) © Clemens Manser Photography

5. Bayreuth Baroque Opera Festival von 5.bis 15. September 2024

Nicola Antonio Porpora
IFIGENIA IN AULIDE

Markgräfliches Opernhaus Bayreuth, 8. September 2024

von Jolanta Łada-Zielke

Das Bayreuth Baroque Opera Festival ist niemals langweilig. Selbst bei Solo-Konzerten ziehen die Musiker das Publikum in ihren Bann so stark, dass es nicht genug bekommen kann und immer wieder Zugaben fordert. Auch dieses Jahr hört man häufig „Bravi!“-Rufe für die Künstler aus dem Zuschauerraum.

Zur Eröffnung sehen wir Ifigenia in Aulide von Nicola Porpora im Markgräflichen Opernhaus Bayreuth. Obwohl man das Stück als „Melodrama in drei Akten“ beschreibt, hat es ein glückliches Ende, genau wie die Tragödie von Euripides. Die Regie führt Max Emanuel Cenčić, der künstlerische Leiter des Festivals, der auch die Rolle des Agamemnon spielt. „5. Bayreuth Baroque Opera Festival von 5. bis 15. September 2024
Markgräfliches Opernhaus Bayreuth 2024“
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DIE SAMSTAG-PRESSE, 14. SEPTEMBER 2024

Opening Night: NDR Elbphilharmonie Orchester / Alan Gilbert. Foto: Andreas Ströbl

Für Sie und Euch in den Zeitungen gefunden
DIE SAMSTAG-PRESSE – 14. SEPTEMBER 2024

Hamburg/Elbphilharmonie
„Das Leben kommt mit Macht und Glanz, mit Taten und pochenden Herzen“ – Alan Gilbert eröffnet die Saison in der „Elphi“ mit Schönbergs Gurre-Liedern
Opening Night: NDR Elbphilharmonie Orchester. Bestechend in Wut und Wildheit die Männer von NDR Vokalensemble, MDR-Rundfunkchor und Rundfunkchor Berlin als untote Mannen und im Schlussgesang zusammen mit den zugehörigen Damen ergreifend schön!
Von Dr. Regina Ströbl
Klassik-begeistert.de

Wien/Staatsoper
Liebesdrama in Wien: Für Nadine Sierra stirbt Roméo zurecht
Rot ist die Liebe. Deshalb spielen bei Jürgen Flimms Regie von „Roméo et Juliette“ Kostume in Rottönen eine Rolle. Von flammender Leidenschaft sonst wenig Spur. Bertrand de Billy bleibt am Pult der Wiener Staatsoper verhalten. Saimir Pirgu setzt als Roméo überwiegend auf Lautstärke. Nur Nadine Sierra holt die Kastanien aus dem Feuer und reißt zum Ende alle vom Hocker – Leidenschaft und Facettenreichtum pur!
Von Jürgen Pathy
Klassik-begeistert

„DIE SAMSTAG-PRESSE – 14. SEPTEMBER 2024“ weiterlesen